Was deutsche Mittelständler in den USA zu Kultmarken macht
Mittelständler wie Birkenstock, Miele und Stihl profitieren vom neuen Aufschwung in Amerika. Ob Made in Germany noch erfolgreich ist, entscheidet vor allem ein Faktor.
New York. Im New Yorker Edelviertel Soho stehen die Menschen Schlange vor der Birkenstock-Boutique. Ein paar Blocks weiter wirbt das Luxus-Hochhaus „One Manhattan Square“ explizit mit Küchengeräten von Miele für seine zwei Millionen Dollar teuren Apartments. In Virginia Beach an der Ostküste baut der deutsche Kettensägenhersteller Stihl gerade für 50 Millionen Dollar sein Werk aus.
Für deutsche Marken wird der US-Markt immer attraktiver – entsprechend steigen die Investitionen. So sucht Miele derzeit nach einem Sitz für sein erstes Werk in den USA. Birkenstock erlebt durch die Präsenz im Barbie-Film einen Popularitätsschub und denkt über einen Börsengang in den USA nach. Haribo hat gerade für 300 Millionen Dollar seine erste US-Fabrik in Wisconsin eröffnet.
Damit gelingt einigen Mittelständlern, was der deutschen Wirtschaft insgesamt schwerfällt: vom Boom der USA zu profitieren. Während die deutsche Wirtschaft stagniert, hat US-Präsident Joe Biden den Vereinigten Staaten ein historisches Wachstumspaket bereitet.
Was über den sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) dem Kampf gegen die Teuerungsrate dienen sollte, lockt Unternehmen aus aller Welt durch Förderung und günstige Energiepreise an. Es wird immer rentabler, in Amerika zu produzieren, weil die US-Regierung zusehends dafür sorgt, dass lokale Lieferketten bevorzugt werden. Politische Beobachter stellen jedoch fest, dass deutsche Firmen in Washington kaum eine Lobby haben – auch wenn sie hohe Summen investieren.
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Deutsche Marken in den USA – Vier Beispiele aus der Praxis
Wie also als Mittelständler im Boom-Markt USA Fuß fassen? „Unsere Marktforschung zeigt, dass deutsche Marken in den USA vor allem dort einen hohen Wert haben, wo Ingenieure an den Produkten arbeiten, zum Beispiel bei Elektrowerkzeugen oder Haushaltsgeräten. Da hat das Made in Germany einen echten Wert“, erklärt Martin Schulte von der strategischen Unternehmensberatung Oliver Wyman.
So hinterlässt es Eindruck, wenn etwa mit Hochdruckreinigern von Kärcher die im Gestein des Mount Rushmore verewigten Präsidenten-Reliefs gesäubert werden. Was manche Unternehmen richtig machen – und was andere davon lernen können.
Miele: Küchen in USA oft dreimal so groß
Miele betont seine Herkunft und wirbt in Amerika mit dem deutschsprachigen Slogan „Immer besser“. Demnächst wollen die Gütersloher sogar in den USA produzieren und suchen derzeit nach einem Standort. „Die USA sind für uns der umsatzstärkste Markt nach Deutschland“, erklärt der US-Chef von Miele, Jan Heck, „und er ist noch bei Weitem nicht ausgeschöpft“.
Schon heute hat Miele fast 500 Mitarbeitende in den USA im Vertrieb, Marketing, Finanzen und Services. Mit der neuen Produktion kämen mehr als 100 hinzu. Dort sollen vor allem speziell für Amerikaner angefertigte Produkte hergestellt werden. Und die sind in der Regel deutlich größer.
„Amerikaner haben größere Häuser als Europäer. 500 bis 1000 Quadratmeter sind hier keine Seltenheit“, weiß Heck. Die Küchen sind da oft dreimal so groß, und auch die Herde, Öfen und Kühlschränke sind viel größer. Eine Kühlschranktür muss in den USA nicht nur eine Eismaschine haben, sondern auch Vier-Liter-Kanister Orangensaft fassen. Auch der Ofen muss XL sein. „In unseren 30-Zoll-Backofen passt auch der Thanksgiving-Truthahn“, erklärt Heck stolz.
US-Bürger besitzen nicht nur größere Geräte, sondern auch gerne mehr. Zwei Waschmaschinen und Trockner, der zweite oder dritte Kühlschrank sind in größeren Häusern fast schon Standard, berichtet Heck. Und wenn einer von Miele kommt, dann gilt das oft auch für die anderen.
Stihl: Deutsche Ingenieurskunst made in America
Auch Stihl hat in den USA eine treue Fangemeinde für seine Kettensägen und Gartengeräte. Seit fast 50 Jahren sind die Deutschen auf dem US-Markt und produzieren dort heute mit 3000 Mitarbeitenden. Außerdem bauen sie ihre Fabrik mit Investitionen in Höhe von 50 Millionen Dollar aus.
„Wir haben ein deutsches Erbe und deutsche Ingenieurskunst, aber wir sind eine amerikanische Marke“, betont Terry Horan, der CEO von Stihl in den USA. Für das Unternehmen aus Baden-Württemberg sind die USA der größte Markt überhaupt.
Dabei müssen die Deutschen in den USA gegen Wettbewerber wie Black & Decker konkurrieren, die größtenteils in Asien produzieren. „In unserer Werbung setzen wir vor allem auf unser ,Made in America‘“ erklärt Horan. „Bei den Händlern dagegen betonen wir natürlich die deutsche Herkunft.“
„Deutsche Marken garantieren heute zum Teil das ‚Made in USA‘, das die amerikanischen Marken heute nicht mehr bieten“, stellt auch Oliver-Wyman-Berater Schulte fest. Er ist überzeugt, dass deutsche Marken an sich als positiv wahrgenommen werden: „als Marken, die einen nicht übers Ohr hauen, anders als vielleicht einige asiatische Marken“.
Auch Martin Ihrig, Wirtschafts-Professor an der New York University (NYU), glaubt, dass es sicher nicht schadet, wenn US-Verbraucher wissen, dass eine Marke deutsch ist. „Aber letztlich überzeugen die Produkte mit Qualität, nicht weil sie aus Deutschland kommen“, meint Ihrig.
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Birkenstock: Mit Qualität zum Promi-Schuh
So erklärt sich auch der Erfolg von Birkenstock. Dort seien keine Ingenieure am Werk, sagt Schulte: „ Aber die Marke steht für Langlebigkeit und Qualität.“ Es sei beeindruckend, „wie die aus Kalifornien heraus den US-Markt erobert haben und heute einen Kultstatus als Modeprodukt haben“.
Tatsächlich tragen immer mehr Hollywood-Stars und Promis wie Kristen Stewart oder Kendall Jenner die Korksandalen. Bessere Werbung, als von einer Modeikone mit fast 300 Millionen Followern auf Instagram in Szene gesetzt zu werden, ist eigentlich kaum denkbar. Es sei denn, die Schuhe werden prominent in einem Hollywood-Blockbuster platziert – so geschehen nun im erfolgreichen Barbie-Film.
Birkenstock schafft es durch geschicktes Marketing, Trends voll auszunutzen, und hat sein positives Image stark selbst aufgebaut. Der Mittelständler betreibt heute Läden in angesagten Orten wie Venice Beach in Los Angeles, Soho in Manhattan und ab Dezember auch in Miami Beach. Und bereitet sich, getragen vom Markenhype, auf einen Börsengang in den USA vor. Ansiedlungspläne sind für Nordamerika bisher aber nicht bekannt.
Bei einer Marktforschung ist derweil herausgekommen, dass viele US-Kunden glauben, Birkenstock sei eine amerikanische oder sogar australische Marke, berichtet ein Sprecher. „Aber alle schätzen die Qualität“, erklärt er. „Und wir sind überzeugt, dass wir diese Qualität nur mit einer deutschen Produktion bieten können.“ Die bieten vier Standorte in Deutschland, ein fünfter ist in Planung.
Ritter Sport und Haribo: Schokolade und Gummibärchen zu Premiumpreisen
In den vergangenen Jahren verbreiteten sich auch die Süßigkeiten von Ritter Sport und Haribo immer mehr in den USA. „Das sind inhabergeführte Unternehmen, die einen langen Atem und das Kapital haben, was man für den US-Markt braucht“, beobachtet Berater Schulte.
Dabei können die beiden ihre Schokolade und Gummibärchen in den USA zu Premiumpreisen verkaufen – anders als im von Schnäppchen geprägten deutschen Markt. Damit haben sie ein willkommenes zweites Standbein, wenn der Preisdruck in Deutschland zu hoch wird.
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