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Weltgrößter Solarkonzern plant erstes chinesisches Werk in Deutschland

Die Rückkehr der Solarindustrie in Europa verläuft schleppend. Die Ankündigung des Weltmarktführers könnte das ändern. Doch ein großes Hindernis bleibt.

Düsseldorf. Der weltgrößte Photovoltaik-Konzern Longi will ein erstes Werk in Europa bauen – und zwar hierzulande. „Wir sind schon sehr intensiv in den Vorbereitungen, um eine Fabrik in Deutschland zu bauen“, kündigt Longi-Gründer und Präsident Zhenguo Li im Gespräch mit dem Handelsblatt an. Schon in sechs Monaten soll die endgültige Entscheidung fallen.

Es wäre die erste Fabrik eines chinesischen Solarkonzerns in Europa. Für die Chinesen ist das ein logischer Schritt – immerhin beherrschen sie die globale Solarindustrie inzwischen nahezu vollständig. Auch in Deutschland, dem Geburtsland der Sonnenenergie, wird kaum mehr ein Modul verbaut, das nicht in Fernost produziert wurde.

Das Lieferkettenchaos der vergangenen zwei Jahre hat den Nutzen einer eigenen Solarproduktion in Europa allerdings mehr als deutlich gemacht. Die Preise für Module sind um 15 bis 20 Prozent nach oben geschossen und unzählige Projekte wurden verschoben, weil wichtige Teile aus China fehlten. Es bestehe eine Abhängigkeit, „die deutlich größer als die Abhängigkeit beim Thema Gas von Russland“ sei, heißt es immer wieder aus der deutschen Solarbranche.

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Longi: Europas Solarindustrie ist abhängig von China

Aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts zufolge stammen knapp 90 Prozent der nach Deutschland importierten Photovoltaikanlagen (PV) mittlerweile aus China. Für Europa ist die Zahl ähnlich hoch. „Wir brauchen eine Solarindustrie hier vor Ort“, betont deswegen Andreas Bett, Chef des Fraunhofer-Instituts Solare Energiesysteme (ISE). Ganz ohne chinesische Branchenspezialisten ginge das heute nicht. Aber auch bei europäischen Unternehmen sei gerade viel in Bewegung, so der Experte.

Erst vor einem Monat hatte Holosolis angekündigt, die bislang größte Solarfabrik Europas aufzubauen. Holosolis ist ein Gemeinschaftsunternehmen der nachhaltigen Investmentgruppe EIT Innoenergy, des französischen Immobilienunternehmens IDEC-Gruppe und des Solarsystemanbieters TSE.

In Nordfrankreich soll eine Modulproduktion mit fünf Gigawatt Kapazität entstehen – und zwar schon bis 2025. Auch der Solarkonzern Meyer Burger will seine Zellfertigung im Osten Deutschlands bis zum nächsten Jahr auf drei Gigawatt ausbauen. Die Wiederansiedlung der Solarindustrie gehört auch zu den Prioritäten der EU. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat das Ziel ausgegeben, dass bis 2030 mindestens 40 Prozent der in Europa neu verbauten Photovoltaik-Anlagen aus europäischen Werken kommen.

„Bei der Modul- und Zellproduktion sind wir gut aufgestellt, was Maschinenbauer, das Ökosystem und Know-how angeht. Bei der Waferherstellung brauchen wir chinesisches Equipment und alles drumherum aber definitiv“, erklärt Fraunhofer-Experte Bett. Vor allem wenn die europäische Solarindustrie in absehbarer Zeit wirklich eine relevante Größenordnung erreichen soll. Zum Vergleich: Weltweit wurden im vergangenen Jahr fast 270 Gigawatt in Solarmodulen produziert. Nur acht Gigawatt davon stammen aus Europa.

Zentrale von Longi
Zentrale von Longi

Im Prinzip besteht die Produktion eines Solarmoduls aus fünf wesentlichen Schritten: Die Herstellung und Verarbeitung von Silizium zu Polysilizium, dem wichtigsten Rohstoff jeder Solaranlage, das Polysilizium wird dann in Blöcke gegossen (Ingots) und in hauchfeine Scheiben zerschnitten. Das Ergebnis dieses Prozesses sind sogenannte Wafer. Aus den Wafern werden Solarzellen hergestellt, die am Ende in einem Modul verarbeitet werden.

Deutsche Solarindustrie begrüßt Longi-Fabrik

In der deutschen Solarbranche stieße die Ansiedlung eines chinesischen Weltmarktführers deswegen auf Unterstützung. Wie Brancheninsider berichten, ist Longi außerdem nicht der einzige chinesische Solarkonzern, der sich konkret mit Plänen für eine erste Fabrik in Europa umtreibt.

Auch andere asiatische Wettbewerber wie Jinko, Trina Solar oder Daiqo beraten laut Handelsblatt-Informationen derzeit über Pläne für Produktionsstätten in Europa. Sie alle seien im Moment jedoch in Abwartehaltung, um zu sehen, welche Subventionsprogramme Brüssel und Berlin auflegen, heißt es von Brancheninsidern. Longi ist nur der erste Wettbewerber, der seine Pläne öffentlich macht.

Chinesische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren ihre Investitionsstrategie verändert. Statt in europäische Firmen einzusteigen, sind sie dazu übergegangen, eigene Fabriken aufzubauen. Dazu würden auch die Pläne von Longi passen.

Das in Xiʼan ansässige Unternehmen ist nicht nur der größte Solarkonzern der Welt – im vergangenen Jahr verkaufte Longi Solarmodule mit insgesamt 47 Gigawatt weltweit (Platz zwei belegte sein chinesischer Wettbewerber Trina Solar mit 43 Gigawatt in verkauften Modulen). Longi ist auch einer der größten Waferproduzenten. Davon verkaufte das Unternehmen sogar deutlich mehr als von seinen Modulen und Zellen: ganze 110 Gigawatt.

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Chinesische Führung hat Weltmarktführer Longi aufgebaut

Europa ist für den chinesischen Milliardenkonzern einer seiner wichtigsten Märkte. Zwar macht Longi knapp die Hälfte seines Umsatzes in China selbst. Der europäische Markt kommt mit 20 Prozent des weltweiten Geschäfts jedoch gleich auf Platz zwei. Während im Heimatland der Solarenergie die Fördersätze gekappt wurden und der Markt zusammengebrochen ist, haben sich chinesische Unternehmen den Weltmarkt inklusive Europa gesichert.

Geschafft haben das Unternehmen wie Longi auch dank großzügiger Investitionen vom Staat. Über 50 Milliarden US-Dollar hat die Regierung in Peking bislang in neue Photovoltaik-Lieferkapazitäten investiert – zehnmal mehr als Europa, schreibt die Internationale Energieagentur (IEA) in einer aktuellen Analyse.

Während die damals schwarz-gelbe Regierung in Deutschland die Fördersätze drastisch kürzte, baute die chinesische Führung ihre neuen Weltmarktführer auf. Deutsche Solarkonzerne, die diesen Titel vormals innehatten, gingen der Reihe nach unter – Longi, Jinko Solar und Co. nahmen ihren Platz ein.

Longi in Deutschland: Subventionen müssen stimmen

Wenn es nun in Europa wieder eine funktionierende Wertschöpfungskette für die Solarindustrie geben soll, müsse es auch den von Habeck angekündigten Industriestrompreis geben, heißt es aus der Branche. Habeck hatte erst vor wenigen Wochen vorgeschlagen, für die betroffenen Unternehmen einen festgelegten Preis von sechs Cent je Kilowattstunde einzuführen. Der subventionierte Strompreis solle bis 2030 gelten.

Die richtigen Rahmenbedingungen macht auch Longi-Chef Li zur Voraussetzung für den Bau einer Fabrik in Deutschland. Die Kosten für eine Produktion in Europa seien definitiv höher als in China. „Die Produktion eines Solarmoduls und all seiner Komponenten ist sehr energieintensiv. Hier braucht es in Deutschland und Europa vor allem die richtigen Rahmenbedingungen“, sagt der Manager.

Doch nicht nur die Koalitionspartner SPD und FDP melden Bedenken bei Habecks Projekt an, auch in Brüssel ist man von den Plänen des Grünen-Ministers bislang wenig begeistert.

Unternehmen wie Meyer Burger machen kein Geheimnis daraus, dass sie überlegen, neue Produktionen in die USA zu verlegen – aufgrund der attraktiven Investitionslandschaft rund um das milliardenschwere Subventionsprogramm IRA (Inflation Reduction Act ). Longi-Chef Li weist ebenfalls auf die Kostenunterschiede zwischen den Ländern hin. Schließlich müsse sich die Entscheidung für eine Produktion in Europa lohnen.

„Die Regulatorik lässt gerade keinen Industriestrompreis zu, das ist aber, was man braucht, um wettbewerbsfähig zu sein auf dem Weltmarkt. Das machen die USA und andere ja auch“, gibt auch Solarexperte Bett zu Bedenken. Solange sich das nicht ändere, könne er sich kaum vorstellen, dass sich eine Produktion für chinesische Weltmarktführer in Europa rentiere.

Longi: Partnerschaft mit Siemens Energy möglich?

Ein deutsches Partnerunternehmen könnte Abhilfe schaffen. Denn ob Longi die Fabrik alleine oder mit einem zweiten Unternehmen zusammen baut, habe man noch nicht entschieden, so Li. Ein möglicher Partner für die Chinesen wäre Siemens Energy. Der Dax-Konzern setzt stark auf erneuerbare Energien, ist bislang aber nur in der Windkraft aktiv.

Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ergebe ein Solar-Engagement aber auch für CEO Christan Bruch keinen Sinn, heißt es in Industriekreisen. Wenn sich diese ändern sollten und die Politik das Thema in Europa stärker fördere, könne sich das ändern.

Falls das Thema Solar für Siemens Energy relevant werde, ergebe dies wohl nur mit einem chinesischen Partner Sinn, der bereits Expertise habe. Longi sei dann ein möglicher Gesprächspartner, in der Vergangenheit habe es bereits lockere Kontakte gegeben.

Siemens Energy selbst wollte die Spekulationen nicht kommentieren. Vor der Aufspaltung hatte Siemens versucht, mit der Übernahme der israelischen Solel in den Solarmarkt einzusteigen. Allerdings erwies es sich als kostspieliger Fehler, auf Solarthermie zu setzen, ein Verfahren, bei dem Wärme aus Sonnenenergie gewonnen wird. Siemens setzte etwa eine Milliarde Euro in den Sand und musste die Sparte nach vergeblicher Käufersuche vor zehn Jahren schließen.

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