Wer hat Vorrang beim Weihnachtsurlaub? Zwei Anwälte erklären, was rechtlich gilt
In vielen Betrieben muss ein Teil der Belegschaft auch an den Feiertagen arbeiten. Welche Rechte und Pflichten Beschäftigte haben, erklären zwei Arbeitsrechtler.
Die Weihnachtsfeiertage entspannt mit der Familie verbringen? Das können nicht alle Arbeitnehmer. Ob in der Notaufnahme, bei einer Airline, im Callcenter oder im Restaurant: Es gibt viele Betriebe, in denen ein Teil der Belegschaft auch an gesetzlichen Feiertagen ranmuss.
Was aber gilt bei Feiertagsarbeit? Und darf der Arbeitgeber jemanden, der schon zu Ostern und an anderen Feiertagen gearbeitet hat, noch mal für Weihnachten verpflichten? Gibt es Kollegen, die Vorrang beim Weihnachtsurlaub haben? Und wie sieht die Entlohnung aus?
Diese und weitere Fragen hat das Handelsblatt zwei Arbeitsrechtsanwälten gestellt: Pascal Croset, Inhaber der Berliner Kanzlei Croset, und Fiona Schönbohm, Anwältin bei der Hamburger Kanzlei Rose & Partner. Ihre Antworten lesen Sie hier.
Unter welchen Voraussetzungen darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter verpflichten, an Weihnachten zu arbeiten?
Die schlechte Nachricht zuerst: Weder Heiligabend (24.12.) noch Silvester (31.12.) sind gesetzliche Feiertage. Das heißt, an diesem Tag muss jeder arbeiten, sofern im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist. „Manchmal ordnen Arbeitgeber Betriebsferien an oder berechnen für den Heiligabend nur einen halben Arbeitstag“, sagt Arbeitsrechtsexpertin Fiona Schönbohm.
Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag (25. und 26.12.) ist das Arbeiten dagegen generell untersagt. „Es gilt die Feiertagsruhe“, erklärt Arbeitsrechtsexperte Pascal Croset. Weil die Menschen aber auch an Feiertagen unter Umständen ins Krankenhaus oder mit dem Bus fahren müssen, gibt es diverse Ausnahmen. So müssen unter anderem Mitarbeiter im Gesundheitswesen, in Gaststätten, Bäckereien oder Hotels immer wieder auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten.
Kann sich ein Mitarbeiter weigern zu arbeiten, wenn er im Jahr zuvor schon Dienst hatte?
„Grundsätzlich nicht“, sagt Fiona Schönbohm. Zwar sei der Arbeitgeber verpflichtet, die gegensätzlichen Interessen seiner Mitarbeiter und die betrieblichen Belange gegeneinander abzuwägen und eine verhältnismäßige Entscheidung zu treffen. Das heiße aber nicht pauschal, dass man jedes zweite Jahr frei hat.
Schönbohm: „Es kann Situationen geben, in denen Arbeiten an Weihnachten mehrere Jahre hintereinander gerechtfertigt sein kann.“ Etwas anderes gelte nur, wenn es im Arbeitsvertrag klare Vereinbarungen dazu gibt.
Arbeitsrechtsexperte Croset rät ebenfalls davon ab, sich zu weigern, wenn der Arbeitgeber Feiertagsarbeit anordnet – auch wenn jemand schon das Jahr zuvor ranmusste. „Das ist immer heikel“, sagt er. Denn gegebenenfalls verletzt der Arbeitnehmer damit seinen Arbeitsvertrag, was eine Abmahnung oder Kündigung zur Folge haben kann.
Gibt es Arbeitnehmer, die rechtlichen Vorrang haben, an den Feiertagen freizunehmen?
Grundsätzlich müssen Arbeitgeber die Wünsche ihrer Angestellten berücksichtigen, solange keine betrieblichen Gründe dagegensprechen oder mehrere Kollegen gleichzeitig freihaben wollen. Gerade an Feiertagen oder in Ferienzeiten ist das aber oft der Fall. Dann könnten Eltern von minderjährigen Kindern im Einzelfall bevorzugt werden, sagt Schönbohm.
Allerdings nicht immer und pauschal. „Irgendwann müssen auch kinderlose Mitarbeiter mal an der Reihe sein und im Gegenzug für das häufige Hintanstehen den Vorrang bekommen“, erklärt die Rechtsexpertin. Pflegebedürftige Eltern oder ein angeschlagener Gesundheitszustand könnten ebenfalls Faktoren sein, die in einer solchen Abwägung zu berücksichtigen sind.
Kann ein Arbeitgeber seine Angestellten an beiden Weihnachtsfeiertagen und an Neujahr zum Dienst verpflichten – oder gibt es eine Grenze?
Im Einzelfall kann der Arbeitgeber durchaus auch mal Arbeit an allen drei Feiertagen anordnen. Gerade im Gesundheitswesen seien solche Fälle vorstellbar, sagt Arbeitsrechtsexpertin Schönbohm. Etwa wenn viele Kollegen krank sind oder Kinder haben, die sie beaufsichtigen müssen. Läuft ein Betrieb an Weihnachten unter Volllast, wie etwa in der Gastronomie, könne der Arbeitgeber auch seine komplette Belegschaft an allen Feiertagen antreten lassen, ergänzt Croset.
Solange es im Unternehmen allerdings möglich ist, die Feiertagsarbeit auf mehrere Angestellte aufzuteilen, muss der Chef das auch berücksichtigen, wenn er die Dienste plant.
Darauf verlassen sollte man sich allerdings nicht. „Wem das wirklich wichtig ist, mindestens einen der Tage freizuhaben, der sollte eine solche Regelung in seinem Arbeitsvertrag festhalten lassen“, sagt Schönbohm.
Haben Arbeitnehmer ein Anrecht auf einen Zuschlag?
„Einen gesetzlichen Anspruch auf Feiertagszuschlag gibt es nicht, das hat das Bundesarbeitsgericht schon 2006 entschieden“, sagt Schönbohm. Allerdings würden viele Arbeits- oder Tarifverträge einen solchen vorsehen. Zudem könne sich ein Zuschlag auch aus einer sogenannten betrieblichen Übung ergeben – nämlich dann, wenn ein Zuschlag wiederholt gezahlt wird und der Arbeitnehmer deshalb darauf vertrauen kann.
Was zudem gilt: Wenn jemand an einem Feiertag arbeitet, der auf einen Werktag fällt, muss das Unternehmen ihm binnen acht Wochen einen Ersatzruhetag gewähren. „Ähnliche Regelungen gibt es auch für Sonntagsarbeit“, sagt Schönbohm.
Kann der Arbeitgeber Urlaub zwischen den Jahren verbieten?
„Im Grunde muss das Unternehmen den Urlaub so gewähren wie vom Arbeitnehmer beantragt“, sagt Croset, „es sei denn, betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer stehen dem entgegen.“ Hat ein Unternehmen zwischen den Jahren gerade „Hochsaison“, dann dürfe der Arbeitgeber das verhängen, was umgangssprachlich als „Urlaubssperre“ bezeichnet wird.
Ist es dagegen möglich, dass ein Teil der Belegschaft Urlaub nimmt, müsse der Arbeitgeber abwägen, wen er freistellen kann. Hier gilt laut Croset das Gleiche wie an den Feiertagen: Der Arbeitgeber muss die Situation seiner Angestellten berücksichtigen – insbesondere auch, ob jemand bereits in den Vorjahren Urlaub erhalten hat oder nicht.
