Etwa zwei Drittel der deutschen Beschäftigten schieben Dienst nach Vorschrift. - (Foto: johnny cohen on unsplash)

Wie Chefs die emotionale Bindung ihrer Mitarbeiter ans Unternehmen stärken – und so Kündigungen vorbeugen

Der Großteil der Deutschen schiebt Dienst nach Vorschrift. Seit Corona sind zudem viele auf dem Sprung. Vier Tipps, mit denen Managerinnen und Manager gute Mitarbeiter halten können.

Für Chefs hält der diesjährige „Engagement Index“ des Marktforschers Gallup eine gute und eine schlechte Nachricht bereit. Die gute: Die Zahl der Topmotivierten ist in Deutschland im zweiten Coronajahr stabil geblieben. 17 Prozent geben an, eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber zu haben. Der Topwert aus 2020 ließ sich somit auch 2021 halten.

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Die schlechte Nachricht jedoch lautet: Deutschlands Angestellte drohen ihren Arbeitgebern offenbar in großer Zahl untreu zu werden. Laut Gallup sind 14 Prozent aller Beschäftigten aktiv auf Jobsuche.

Mehr als ein Viertel sieht sich zumindest gelegentlich nach einer neuen Stelle um. Und jeder dritte Beschäftigte wurde in den vergangenen Monaten von Headhuntern angesprochen – eine Verdoppelung binnen zwei Jahren.

Der Engagement Index von Gallup ist eine der wichtigsten Arbeitnehmerbefragungen der Welt. Jahr für Jahr hält er Chefs aufs Neue den Spiegel vor. So schiebt laut Gallup der Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Dienst nach Vorschrift, nur ein kleiner Teil ist motiviert, in etwa genauso viele haben innerlich gekündigt.

„Angesichts dieser Werte glaube ich, dass die Zahl der Eigenkündigungen steigen wird“, sagt Marco Nink, Forschungsleiter bei Gallup in Deutschland. Zwar sieht der Experte für Deutschland keine Anzeichen für eine Massenkündigungswelle wie etwa in Amerika oder Großbritannien.

Dennoch müssten sich Chefs verstärkt darüber Gedanken machen, wie sie es schaffen können, ihren Mitarbeitern ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln – und so die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie dem Unternehmen erhalten bleiben. Nink: „Es hängt in erster Linie von der Führungskraft ab, wie stark sich ein Mitarbeiter emotional mit seinem Unternehmen verbunden fühlt.“

Die Liste der Maßnahmen, die viele Unternehmen zu diesem Zweck ergreifen, ist jetzt schon lang. Sie reicht von sogenannten Bleibegesprächen mit der Chefin oder dem Personaler über Mitarbeiterbeteiligungsprogramme bis hin zum schlichten Mittel der Gehaltserhöhung.

Vier Tipps für gute Chefs:

Ingrid Gerstbach, Wirtschaftspsychologin und Coachin aus Wien, mahnt jedoch: „Wenn Unternehmen eine motivierte Belegschaft wollen, ist Geld eindeutig nicht die Lösung“, sagt sie. Es gebe Studien, die zeigten: Der Zusammenhang zwischen Gehalt und Arbeitszufriedenheit sei schwach.

Nachhaltiger sei es:

  1. Ein Gefühl für gemeinsame Werte zu haben und zu vermitteln. Gerstbach: „Bei jeder Gelegenheit zu betonen, wie wichtig Wertschätzung ist, aber dann kaum Lob zu verteilen und schon bei kleinen Fehlern der Mitarbeiter mit erhobenem Zeigefinger zu reagieren – das rächt sich sehr schnell.“

  2. Eine Fehlerkultur zu etablieren. „Das Stichwort ist hier psychologische Sicherheit“, sagt Gerstbach. Heißt: Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, Fehler machen zu dürfen und anzusprechen, ohne Nachteile daraus fürchten zu müssen.

  3. Ehrlich zu sein und Ehrlichkeit einzufordern. Wenn Mitarbeiter das Gefühl hätten, sie könnten ihren Vorgesetzten gegenüber nicht zugeben, dass sie beispielsweise an ihre Kapazitätsgrenzen kommen, beschädige das Vertrauen – und mache unzufrieden, sagt Gerstbach.

  4. Regelmäßig Feedback zu geben – und zwar so konkret wie möglich. Beispiel: Hat eine Mitarbeiterin großen Spaß an HR-Themen oder einer bestimmten Software, sollten Führungskräfte genau dort eine spezielle Weiterbildung organisieren, statt die Angestellte mit einem langen Fortbildungskatalog allein zu lassen.

„Nur weil jemand ein erfolgreich abgeschlossenes BWL-Studium und viel Berufserfahrung hat, ist er noch kein guter Chef“, fasst Gerstbach zusammen. Dieser scheinbar banale Satz sei in vielen Chefetagen noch nicht angekommen.

„Neben Fachwissen braucht eine Führungskraft unbedingt Empathie und die Fähigkeiten, eigene Bedürfnisse hintenanzustellen und anderen aufmerksam zuzuhören“, sagt Gerstbach. Vielen Chefs fehlten diese Skills – ihrer Meinung nach ein strukturelles Problem. Kommenden März wird sich zeigen, was sich verändert hat. Dann erscheint der nächste Engagement Index.

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