Wie gehst du mit deinen Überstunden richtig um?
Es gibt viel zu tun. In der Coronakrise vor allem für Arbeitnehmende im Detailhandel oder im Gesundheitswesen. Die Arbeitgeber ordnen deshalb Überstunden an. Doch dürfen diese das tun und welche Rechte haben Sie als Angestellte? Ein Überblick zu Kompensation, Abgeltung und Zumutbarkeit.
Alles, was Überstunden betrifft, ist im OR Art. 321c geregelt. Demnach ist der Arbeitgeber zu Überstundenarbeit verpflichtet, sofern diese notwendig und zumutbar ist. Bei Überstundenarbeit steht dem Arbeitnehmer eine Kompensation oder Abgeltung zu. Was heisst das alles in der Praxis?
1. Unterschied zwischen Überstunden und Überzeit
Zunächst einmal gilt es, zwei ähnliche Begriffe voneinander zu unterscheiden. Von Überstunden ist die Rede, wenn Sie mehr arbeiten als vertraglich festgelegt ist. Von Überzeit spricht man, wenn die Überstunden die gesetzliche Höchstarbeitszeit übersteigen.
Ein Beispiel: Anita arbeitet bei einem Schweizer Grossverteiler und ist unter anderem dafür zuständig, dass die Regale immer gut aufgefüllt sind. In Zeiten von Corona und Hamstereinkäufen leeren sich die Regale oft schneller, als Anita diese auffüllen kann. Anita hat eine Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche, fängt im Moment aber oft schon etwas früher an am Morgen und leistet Überstunden.
Die gesetzliche wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt für sie 45 Stunden, aktuell arbeitet sie über die Woche verteilt insgesamt 52 Stunden. In ihrem Fall bedeutet das, dass sie 7 Stunden Überzeit und 5 Überstunden leistet.
Dies ist ein wichtiger Unterschied, der sich auf die Entschädigung auswirkt.
2. Kompensation von Überstunden
Wie mit Überstunden umgegangen wird und wie diese kompensiert werden, ist im Normalfall im Arbeitsvertrag oder in einem Überstunden-Reglement festgehalten. Denn es braucht das Einverständnis des Arbeitnehmers – insbesondere bei Abweichung vom OR.
Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Kompensation durch Freizeit von gleicher Dauer hat. Ist keine Kompensation möglich, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Abgeltung zum Normallohn plus einem Zuschlag von 25 Prozent (Art. 321c, 3).
2.1. Mögliche abweichende Abmachungen
Es ist zulässig, anders lautende Abmachungen vertraglich festzuhalten. Solche Abmachungen können zum Beispiel sein:
Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass Überstunden kompensiert oder ausbezahlt werden.
Überstunden sind bereits Bestandteil des Lohns.
Eine gewisse Anzahl Überstunden in einem Monat sind ohne Kompensation und Abgeltung zu leisten.
Überstunden können nur kompensiert werden, aber nicht ausbezahlt.
Überstunden sind zu kompensieren. Ist dies nicht möglich, erfolgt eine Barauszahlung ohne Zuschlag.
3. Kompensation von Überzeit
Von diesen Abweichungen ausgeschlossen ist aber die Kompensation von Überzeit. Das heisst, in unserem Beispiel hat Anita selbst bei anders lautender Vereinbarung einen Anspruch darauf, die geleistete Überzeit mit Freizeit zu kompensieren oder eine Auszahlung plus Zuschlag zu erhalten.
Gemäss Art. 13 Abs. 1 ArG gilt dies aber nur, wenn die Überzeitarbeit mehr als 60 Stunden pro Jahr ausmacht.
4. Wann ist ein Arbeitnehmer zu Überstunden verpflichtet und wo gibt es Grenzen?
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer nur dazu verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu verrichten. Unter bestimmten Voraussetzungen gemäss Art. 321c Abs. 1 OR sind sie jedoch verpflichtet, Überstunden zu leisten.
1. Notwendigkeit: Wenn viel oder dringende Arbeit anfällt, besteht eine Notwendigkeit. Diese ist aber nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber einen Engpass verhindern könnte, indem er vorhandene Hilfskräfte einbezieht oder die Auslastung besser organisiert.
2. Keine Überforderung: Die geleisteten Überstunden dürfen den Arbeitnehmer nicht überfordern oder seine physische oder psychische Gesundheit belasten.
3. Zumutbarkeit: Überstunden müssen dem Arbeitnehmer zugemutet werden können. Eine Mutter, die Teilzeit arbeitet, hat zum Beispiel andere Verpflichtungen, denen sie nachkommen muss.
4. Einhaltung der Regelungen über Arbeits- und Ruhezeiten: Selbst bei Überstunden müssen die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes (Art. 9 ff. ArG sowie Art. 13 ff. ArGV 1) über die Ruhe- und Arbeitszeiten eingehalten werden.
Ein paar Extra-Tipps zum Schluss
Bei Teilzeitangestellten ist von Überstunden die Rede, sobald Sie mehr arbeiten als Sie vertraglich festgehalten haben.
Vorsicht bei Gleitzeit: Wenn in Ihrem Betrieb Gleitzeit gilt, liegt die Zeitsouveränität beim Arbeitnehmer. Es handelt sich somit nicht um angeordnete Überstunden, wenn Sie mehr arbeiten, was somit nicht automatisch zu einem Recht auf Kompensation führt.
Lassen Sie Überstunden nicht zum Ende eines Arbeitsverhältnisses zum Streitfall werden: Gehen Sie eine Kompensation oder Auszahlung von Überstunden regelmässig an und halten Sie angeordnete Überstunden nach Möglichkeit fest.