Zahlreiche Genossenschaftsbanken heben die Maximalsumme bei Geschäftsanteilen an – teils auf 50.000 Euro. - Foto: imago/Ralph Peters
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Wie Volksbanken verstärkt um neue Mitglieder werben

Bei zahlreichen Genossenschaftsbanken können Kunden für viel mehr Geld Anteile kaufen als bisher. Mit dem Schritt stemmen sich die Geldhäuser auch gegen den Mitgliederschwund.

Frankfurt. Immer mehr Volks- und Raiffeisenbanken wollen frisches Kapital einsammeln. Sie erhöhen die Maximalsumme, die ein Anteilseigner zeichnen kann – teils gleich um mehrere Tausend Euro. Dabei geht es den Banken darum, Kunden, die zugleich Eigentümer werden können, enger an sich zu binden. Zudem werden die gezeichneten Anteile zum für Geldhäuser wichtigen harten Kernkapital gezählt.

Laut einer Auswertung des Verbraucherportals Biallo, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, haben mindestens 144 Genossenschaftsbanken den Maximalbetrag für die Zeichnung von Anteilen gegenüber 2021 erhöht. Wahrscheinlich ist die Zahl noch höher.

Biallo hatte mehr als 700 Genossenschaftsbanken angefragt. Antworten gingen von 198 Geldhäusern ein, gut 70 Prozent davon haben also die Maximalsummen erhöht, meist indem Mitglieder – so werden die Eigentümer genannt – mehr Anteile als zuvor kaufen können. Acht Banken senkten die Beträge. Bei mindestens zehn genossenschaftlichen Banken können Mitglieder sich mit rund 50.000 Euro und mehr beteiligen.

Die Höhe des Eigenkapitals ist eine wichtige Kennzahl für Kreditinstitute. Je mehr Eigenkapital eine Bank hat, desto mehr Kredite kann sie vergeben und desto besser ist sie gegen Krisen und Fehlinvestments gewappnet.

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Nach der Finanzkrise 2008 sind die Eigenkapitalvorgaben zudem zusehends verschärft worden. Gründer Horst Biallo weist darauf hin, dass einige Banken inzwischen auch Nichtkunden erlauben, Anteile zu zeichnen.

Zahl der Mitglieder sinkt seit 2019 wieder

Dass Kunden Eigentümer der Bank sind und über Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat abstimmen, ist im umkämpften deutschen Bankenmarkt ein Alleinstellungsmerkmal der genossenschaftlichen Geldhäuser. Marktführer im Geschäft mit privaten Kunden sind die Sparkassen, die wie die Genossenschaftsbanken regional stark vertreten sind.

Fast alle Genossenschaftsbanken haben das Problem der Überalterung.
Horst Biallo, Gründer des gleichnamigen Verbraucherportals

Über Jahre hinweg überzeugte das immer mehr Menschen. Zudem kamen die Genossenschaftsbanken in der Finanzkrise ohne staatliche Hilfe aus. Die Zahl der Mitglieder stieg 2018 bis auf 18,6 Millionen. Seitdem aber sinkt sie – per Ende 2022 auf unter 18 Millionen, vor allem weil Mitglieder sterben und nicht viele neue hinzukommen.

„Fast alle Genossenschaftsbanken haben das Problem der Überalterung“, erklärt Biallo. Wenn Kunden sterben, wird deren Mitgliedschaft zwar zunächst auf den Erben übertragen, endet aber automatisch mit Ende des jeweiligen Geschäftsjahres.

Das Ende der Negativzinsphase lässt die Dividenden der Volksbanken allerdings längst nicht mehr so attraktiv erscheinen wie zuvor. In den Jahren 2017 bis 2022 schütteten die Geldhäuser durchschnittlich 2,6 bis 4,2 Prozent aus, während es auf Einlagen bei deutschen Banken und Sparkassen gar keine Verzinsung gab oder bei höheren Vermögen sogar Strafzinsen fällig wurden.

Zuletzt betrug der Durchschnittssatz knapp drei Prozent. So viel und mehr bekommen Verbraucher heute bei mehreren Banken für zwölfmonatiges Festgeld.

Erhöhung von elf auf 11.000 Euro

Die Volksbank Rheingau ist die Bank, die laut der Biallo-Umfrage den Höchstbetrag am stärksten angehoben hat – in mehreren Schritten bis auf 52.500 Euro. Noch 2017 konnten Kunden nur 150 Euro zeichnen. Ein Sprecher der Bank nennt als einen Grund für die Entscheidung, dass die Bank aufgrund des Kreditwachstums mehr Eigenkapital benötige. Das Interesse der Kunden ist hoch. Mittlerweile gehe ein Drittel des Eigenkapitals auf Geschäftsanteile zurück. Im Branchenschnitt sind es 13 Prozent.

Die PSD Bank Nord gehört ebenfalls zu den Geldhäusern, die die Maximalsumme stark erhöht haben, und zwar von elf Euro – also eher ein symbolischer Betrag – auf nun 11.000 Euro. Das Geldhaus begründet den Schritt damit, dass es für die geplanten Eigenkapitalanforderungen der Aufsicht in den kommenden Jahren gerüstet sein wolle. „Wir stellen hierfür bereits jetzt die Weichen.“

Die Volksbank Feldatal aus Mittelhessen erhöhte die Maximalsumme von 6000 auf 30.000 Euro. Sie verweist auf den Wunsch von Kunden: „Unsere Kunden wollten ihre heimische Volksbank stärken und haben verstärkt nach Geschäftsanteilen nachgefragt.“ Ähnlich argumentiert die VR-Bank Niederbayern Oberpfalz, bei der man Anteile für bis zu 50.000 Euro kaufen kann.

Branche betrachtet Anteile nicht als Geldanlage

Als Geldanlage will der Genossenschaftssektor das Zeichnen von Anteilen nicht verstanden wissen. Der Branchenverband BVR betrachtet eine Beteiligung vielmehr „als Aufkapitalisierung der Genossenschaft“, damit diese in der Lage ist, ihren Förderzweck gut zu erfüllen. Gemeint damit ist, dass die Banken per Satzung meist die „wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder“ als Unternehmenszweck festlegen.

Aus Sicht von Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg spricht nichts dagegen, Anteile an einer Volksbank zu erwerben, wenn man auch Kunde ist. Aber die Dividenden seien meist nicht höher als die Zinsen auf vielen Festgeldkonten bei Direktbanken, die wegen der Einlagensicherung sicher seien.

Bis 100.000 Euro sind Einlagen bei deutschen Banken gesetzlich geschützt. Volksbanken und Sparkassen versprechen sogar, dass alle Einlagen durch die Institutssicherung abgesichert sind: Der generelle Schutz funktioniert, indem Bankinsolvenzen verhindert werden. Im Notfall erhält eine Bank, die in Schwierigkeiten steckt, Hilfen durch das Sicherungssystem, sodass sie alle Verpflichtungen erfüllen kann.

Zeichnung neuerdings auch per Onlinebanking

Die Nachschusspflicht, die sich früher in den Satzungen der Banken fand, haben fast alle Banken nach BVR-Einschätzung inzwischen gestrichen. Der Verband verweist darauf, dass die Nachschusspflicht aufsichtsrechtlich ohnehin nicht mehr als sogenanntes Ergänzungskapital anerkannt werde. Zudem spiele die Nachschusspflicht angesichts der Institutssicherung in Praxis ohnehin keine Rolle, argumentiert der BVR.

Die Banken schrauben nicht nur die Maximalbeträge nach oben, sie versuchen auch, den Kauf von Anteilen zu erleichtern. Bislang war es nur möglich, auf dem Postweg Mitglied zu werden, weil man den Vertrag meist klassisch unterschreibt. Neuerdings arbeitet ein Teil der genossenschaftlichen Banken mit einer komplett oder weitgehend digitalen Beitrittserklärung.

Bei 133 Banken lässt sich der Prozess rein digital abschließen, wie ihr IT-Dienstleister Atruvia mitteilt. Die nötige Unterschrift wird durch eine digitale Signatur ersetzt: Dabei bestätigt man die Transaktion durch eine Sicherheitsnummer (TAN) im Onlinebanking. Bei ähnlich vielen Banken kann man die Mitgliedschaft im Onlinebanking anstoßen, muss aber noch eine Unterschrift auf Papier abschicken.

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