Pixabay

Allein und trotzdem erfolgreich: Was Kleinunternehmer anders machen

Warum wir den Sprung in der Schüssel brauchen!

Das Kleinunternehmertum erhält im Zeitalter des digitalen Wandels eine neue Dimension, weil sich die organisatorischen und kulturellen Rahmenbedingungen in einem grundlegenden Transformationsprozess befinden. Kein Unternehmen kann sich heute mehr leisten, selbstgefällig und fett zu werden, weil es dann seine Innovationskraft verlieren würde, was schnell das Aus bedeuten kann. Schlanke Organisationseinheiten in kleinen Teams führen dazu, dass besser und erfolgreicher an großen, wichtigen Projekten gearbeitet werden kann. Junge, kreative Menschen werden von diesen Unternehmen angezogen. Hier finden sie das Individuelle, das in vielen deutschen Konzernen gar nicht erst gedeihen kann: „Schauen Sie sich doch mal die Vorstände der deutschen Großunternehmen an. Da haben Sie doch manchmal das Gefühl, das sind geklonte Menschen“, bemerkt Heidi Stopper, Unternehmerin und ehemalige Vorständin Human ResourcesProSiebenSat.1. Ihr Lieblingsspruch lautet deshalb: „Ein Sprung in der Schüssel lässt das Licht herein.“

Viele erfolgreiche Unternehmen brechen konsequent mit dem Vergangenen und zerlegen sich selbst. Parallel zu dieser Entwicklung boomen die Ein-Personen-Unternehmen (auch Ein-Mann-Unternehmen), die meistens zur „kreativen Klasse“ gehören. Dazu zählen nicht nur schreibende und künstlerischen Berufe (Freelancer), sondern zunehmend auch Vertreter der Internetökonomie, die vielfach eine Fachexpertise haben, die am Arbeitsmarkt sehr gefragt ist. Zu ihnen gehört beispielsweise der Technik-Nerd, Schauspieler und Digitalnomade Antoine Monot, Jr.: „Ich bin ein Ein-Mann-Unternehmen und die Technik hilft mir jeden Tag enorm dabei, mein Pensum bewältigen zu können. Ob das mein Handy ist – das sozusagen mein Büro ist – oder all die Apps und Programme. Ich bin ja nicht nur Schauspieler, sondern auch mein eigener Geschäftsführer, Marketing- und Finanz-Vorstand, ich leite meine Personalabteilung und bin eben auch mein technischer Chef.“

Die Stärken des Alleinseins zu erkennen und zu nutzen ist eine wichtige Voraussetzung für die eigene Selbstständigkeit. So rät der Psychologe und Schlafforscher Jürgen Zulley dazu, sich dem Alleinsein auszusetzen, um sich als eigenständige Person zu begreifen. Als Gestalter ihres eigenen Lebens schöpfen Kleinunternehmer vor allem aus sich selbst. Bei vielen von ihnen deutete sich dies schon in der Kindheit an. So wurde der Publizist Roger Willemsen, dessen „Territorium“ immer das geschriebene Wort war, von seinen Eltern „Klokasten“ genannt: „Früher gab es doch unter der Decke diese Wasserkästen, die wieder vollliefen, wenn man an der Strippe gezogen hatte. Meine Eltern meinten, so sei das, wenn man mir eine Frage stelle.“ Wie für viele andere Kreative war Einsamkeit für ihn der „Aggregatzustand“, in dem er sich am besten auskannte: „Ich bin sehr gern allein, lebe allein, es ist nicht nötig, jemanden einzulassen.“

Das erinnert auch an Karl Lagerfeld, der sich selbst als Modemacher, Zeichner, Verleger, Buchsammler und Fotograf bezeichnete und nur so „viel“ gestalten konnte, weil er gut mit sich allein lebte und genügend Zeit für sich selbst brauchte – sonst wäre er nicht das geworden, was er war: „Ich kümmere mich um nichts. Das ist zwar sehr egoistisch, aber mein Egoismus produziert etwas, wovon viele Leute leben. Denn der Umsatz von Chanel, der in der Mode größer ist als im Parfum, ernährt viele, viele Leute.“ Er hatte alles in seinem Kopf. „Das ist natürlich viel besser, weil man da alles überall hin mitnehmen kann.“ Er nahm von der Welt immer, wie sie kam und versuchte, „eine Nische für sich darin zu finden.“ Schon als Kind war er ein Einzelgänger und wollte nie so sein wie seine Kameraden in der Schule. Unverständlich waren ihm die Klagen einiger Designer über ihre Arbeit: "Wenn man denkt, es ist zu viel, dann sollte man die Finger von solchen Verträgen lassen.“ Seine Arbeit empfand er als ganz normal.

Dass aus vielen Ein-Personen-Unternehmen oft auch Großunternehmen werden, zeigt das Beispiel von Helmut Schlotterer, der das Modehaus Marc Cain gründete. „Das Ein-Mann-Unternehmen Marc Cain startete, mit einer Italienerin und einem Kanadier fuhr Schlotterer auf Messen, erlebte Höhen, Tiefen und Geldnot, lernte die Banken hassen, die ihm kein Geld leihen wollten - und arbeitete bis zur Erschöpfung. Ohne das, was er 'Selbstausbeutung pur' nennt, wäre aber das eigenständige und kreative Leben eines Unternehmers nicht möglich geworden.“ Der Weg zum Erfolg von Marc Cain mit den Sub-Labels Marc Cain Collections und Marc Cain Sports wurde nach Schlotterer durch klare Leitlinien bestimmt: „Sinn für Ästhetik und Kunst, verbunden mit Lässigkeit und Natürlichkeit, innovatives Denken und Exklusivität. Mode, die immer ein bisschen anders ist und doch immer sie selbst.“

  • Sie tragen das Risiko der Selbstständigkeit, schätzen dafür aber ein hohes Maß an Selbstbestimmtheit und vertrauen dem gesunden Menschenverstand.

  • Sie begreifen sich nicht als Erleider ihrer Existenz, sondern als Gestalter.

  • Sie sind gern mit sich allein, weil sie aus der Einsamkeit Inspiration für ihre Arbeit schöpfen.

  • Sie haben ein scharfes Persönlichkeitsprofil und sind kein Mitläufertyp.

  • Sie haben unerschütterliches Selbstvertrauen.

  • Sie tragen die Konsequenzen für ihre Entscheidungen.

  • Sie sind sich ihrer einzigartigen Qualitäten bewusst und in der Lage, sie effektiv zu bündeln.

  • Sie widmen sich dem Detail mit der gleichen Aufmerksamkeit wie dem Ganzen.

  • Sie bleiben ein Leben lang neugierig und lieben Überraschungen.

  • Sie können sich gut auf Veränderungen und Unsicherheiten einstellen und bewegen sich zwischen Angst und Mut – im Bewusstsein, dass sie sich nie gegen alle Risiken absichern können.

  • Sie sind niemals (selbst)zufrieden und werde deshalb auch nicht träge.

  • Sie verändern selbst die Dinge, die sie verbessern wollen.

  • Sie setzen gute Ideen auch gegen Konventionen durch.

  • Sie stellen sich auch in Erfolgszeiten immer wieder die Sinnfrage und erneuern sich ständig selbst.

Alle wirklich „Großen“ haben den Kleinunternehmer in sich niemals „abgelegt“, weil sie zugleich Lebenskünstler sind, die ständig üben und dem Versprechen von Steve Jobs gerecht werden: „Echte Künstler können liefern.“

Weiterführende Literatur:

  • Kai Anderson, Jane Uhlig: Das agile Unternehmen. Wie Organisationen sich neu erfinden. Campus Verlag Frankfurt a. M. 2015.

  • Insa Wilke (Hg.): Der leidenschaftliche Zeitgenosse. Zum Werk von Roger Willemsen. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2015.

  • Ilona Koglin: „Mein Handy ist mein Büro“, in: t3n Magazin Nr. 42 (2015), S. 63.

  • Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen