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Alles echt? Tricksen für die Karriere

Eine Lüge, sagte Martin Luther, sei „wie ein Schneeball: je länger man ihn wälzt, desto größer wird er.“ Dadurch wird der Ball weiter gewälzt und wächst immer mehr an. Ein solches Lügengebäude zu verwalten ist sehr aufwändig und macht krank.

Studien verweisen darauf, dass es sich wohltuend auf die Gesundheit auswirkt, wenn dieser Ballast abgeworfen wird. Doch viele Menschen tun es nicht, denn die Chancen stehen immer gut für Blender, die überall gewinnen und zu unverdienter Ehre gelangen. Die Aufschneider der Gegenwart, die auch ohne Maske maskiert sind und deren Aussagen umso glaubwürdiger erscheinen, je öfter sie wiederholt werden, benötigen nur einige Zutaten wie Imageaufbau, Stilberatung und Positionierungsstrategien. Auch Social Media unterstützt sie darin, sich mit Täuschungen eine zweite Existenz aufzubauen.

Für den Philosophen Peter Sloterdijk sind die Zirkusleute in einer Welt des kollektiven Selbstbetrugs „die einzigen, die nicht schwindeln – wer auf dem Hochseil läuft, kann keinen Augenblick lang so tun als ob“. Wohin Lügen führen, zeigen viele aktuelle Beispiele aus Politik, Wirtschaft, Religion und Gesellschaft. Verschwörungstheorien, Machtmissbrauch oder Datenmanipulation machen es schwerer, Wahrheit von Lügen zu unterscheiden. Gleichzeitig wird mit der Digitalisierung und der damit einhergehenden Anonymisierung diese Unterscheidung schwieriger und wichtiger als je zuvor.

Karrieren, die auf Lügen aufbauen

Viele eloquente Selbstdarsteller können nichts richtig und bedienen sich der Leistung anderer, die sie als eigene ausgeben. Statussymbole und Titel stehen vor allem bei Politikern hoch im Kurs. Nicht zuletzt führten zahlreiche Skandale, die bei einigen zur Aberkennung des Titels führten, zum Vertrauensverlust, der in den vergangenen Jahren in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen stattgefunden hat. Wer „sich nicht geistig anstrengt, sondern nur fleißig stiehlt, der frisst sich selbst auf“, sagt der Publizist Wolf Lotter. Von redlicher wissenschaftlicher Arbeit sind sie weit entfernt, weil dies Zeit und Gründlichkeit erfordert. Sie wollen nur Abkürzungen und nicht die ganze Strecke gehen, die Ausdauer und Geduld erfordert. Genauso ist ihr Denken in Vereinfachungen und Abkürzungen, die das Gehirn vor komplexen Aufgaben „entlasten“.

Auch im Bereich Personalmanagement und Recruiting wird das kritisch gesehen. „Hier auf Abkürzungen aufzubauen wäre nicht nachhaltig“, sagt Personalexperte Werner Neumüller. Dass „Ehrlichkeit“ an erster Stelle steht, ist kein Zufall, denn gerade Personalabteilungen und Recruiter haben es häufig mit Täuschungen zu tun: In ihren digitalen Berufsnetzwerken versuchen viele Menschen, gezielt Schlagwörter unterzubringen, nach denen Recruiter suchen, auch soll eine Häufigung von Anglizismen Kompetenz zeigen. Zudem werden bei Bewerbungen Tätigkeiten und Projekte frei erfunden, Dokumente in Bewerbungen gefälscht, Beschäftigungszeiten zu lang angesetzt oder fachliche Kompetenzen, Berufserfahrungen, Sprachkenntnisse und die Höhe des vorherigen Gehalts vorgetäuscht. „Wenn sich Kandidat:innen besser darstellen, als sie eigentlich sind, zeigt sich das allerdings sehr schnell in Bewerbungsinterviews“, sagt Neumüller, der auch verstärkt auf die Persönlichkeit achtet. Bevorzugt werden vor allem Kandidat:innen, mit denen die eigenen Wertvorstellungen geteilt werden können.

Die kalkulierte Lüge ist für ihn nicht nur unanständig, sondern auch dumm, weil sie „kurze Beine“ hat

„Der Druck auf Unehrlichkeit steigt“, ist er überzeugt. Die neuen Medien geben Selbstdarstellern zwar eine Projektionsfläche, tragen aber auch dazu bei, dass sie schneller entlarvt werden. Um den Wahrheitsgehalt von Bewerbungen zu gewährleisten, finden zudem professionelle Background Checks immer häufiger Anwendung. Das Erkennen der Lügen ist nur möglich, weil es irgendwo einen Ort gibt, an dem die Wahrheit offenbar wird. Der „Ort der Wahrheit“ lag schon für die Griechen im Sein und nicht im Schein.

  • Hochstapelei im Spiegel der Gesellschaft

  • Nackte Wahrheit und schöner Schein: Ein biographischer Essay über Hans Christian Andersen

  • Personalmanagement als Führungsaufgabe: Wie Unternehmen heute die richtigen Mitarbeiter finden

  • Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.

  • Miriam Hoffmeyer: Hochgestapelt. In: Süddeutsche Zeitung (16./17.10.2022), S. 67.

  • Anett Kollmann: Mit fremden Federn. Eine kleine Geschichte der Hochstapelei. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2018.

  • Wolf Lotter: Strengt euch an! Warum sich Leistung wieder lohnen muss. Ecowin Verlag, Salzburg 2021.

  • Werner Neumüller: Ehrlich weiter: Auf der Suche nach den Menschen. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 145-158.

  • Werner Neumüller: Rekrutierungsunterstützung über Personaldienstleistung und Arbeitnehmerüberlassung. Am Beispiel der Neumüller Unternehmensgruppe. In: CSR und Digitalisierung. 2. Auflage Springer Verlag GmbH Deutschland 2021.

  • Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern. Über Anthropotechnik Frankfurt am Main 2009.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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