Anne M. Schüller

Anne M. Schüller

für Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Andersmachen 13/2020: Mit der Wasserloch-Strategie neue Kunden gewinnen

(shutterstock)

Bis zu 95 Prozent aller Kaufvorentscheidungen fallen heute im Web. Nicht Werbung, sondern passender Content, der mithilfe automatisierter Prozesse ausgespielt wird, bereitet den Kunden sowohl auf den Erst- als auch auf den Wiederkauf vor. Zum bestmöglichen Zeitpunkt übernehmen dann die Vertriebsmitarbeiter, um ein telefonisches oder persönliches Verkaufsgespräch einzuleiten. Ein Customer Touchpoint Manager koordiniert crossfunktional den Prozess.

Im klassischen Sales & Marketing, auch Outbound-Marketing genannt, gehen die Anbieter von sich aus auf die Kunden zu. Dies ist schon allein aus Datenschutzgründen schwierig geworden. Potentielle Käufer wehren sich zunehmend heftig, wenn sie ungefragt vom Vertrieb belästigt oder mit Werbung überfallen werden. Und das mit Recht! Inbound-Marketing und ein Leadmanagement, das nach dem Pull- statt dem Push-Prinzip funktioniert, sind zur Gewinnung von Interessentenadressen heute das Mittel der Wahl.

Dabei folgt man nicht länger dem selbstzentrierten alten Marketing, das fragt nämlich so: „Was bieten wir dem Markt und den Kunden wann, wie und wo an, damit wir noch erfolgreicher werden?“ Die alte Push-Kommunikation dreht sich dabei vor allem um Selbstdarstellung und Eigenlob. Deren Kernfrage lautet: „Was wollen wir wann, wo und wie kommunizieren?“

Das neue Marketing hingegen fragt so: „Was will/braucht/begehrt der Kunde von heute und morgen, und wie können wir helfen, seine Lebensqualität respektive seinen beruflichen und/oder geschäftlichen Erfolg zu erhöhen?“ Die neue Pull-Kommunikation dreht sich folglich um hilfreiche Informationen und Problemlösungsaspekte. Die Kernfrage dabei lautet: „Was wollen die Kunden wissen?“ Ein crossfunktional agierender Customer Touchpoint Manager ist bestens geeignet, diesen Blickwinkelwechsel anzustoßen, zu koorinieren und mit Leben zu füllen.

Inbound-Marketing: Anziehungskraft statt Nachlauferei

Inbound-Marketing basiert darauf, sich von potenziellen Käufern finden zu lassen. Leadmanagement-Spezialist Norbert Schuster beschreibt diese Strategie so: „Die Inbound-Marketing-Methode nutzt das Internet, um potenziellen Kunden interessante Inhalte, sprich Content, anzubieten, sie auf die eigene Webseite beziehungsweise eine Landingpage zu ziehen und sie dort zu konvertieren.“ Er vergleicht diese Methode mit einem Wasserloch, das man in der Savanne baut, um den Tieren, die man als Foto einfangen will, nicht hinterherrennen zu müssen.

Man bedrängt seine Kunden also nicht länger mit Bannerterror, Ego-Geschrei und Dicktuerei, wovor sich nur jeder versteckt, nein, man baut ein Content-Wasserloch, um sich von „durstigen“ Interessenten finden zu lassen. Dazu wird qualitativ hochwertiger und für die User nützlicher Content sowohl auf den eigenen Onlinepräsenzen als auch auf Fremdplattformen platziert und in die sozialen Netzwerke eingestellt. So kann dieser heruntergeladen oder beim Anbieter angefordert und zudem geteilt werden, um Dritte auf interessante Angebote aufmerksam zu machen.

Magnet statt Megaphon: Bei weitem die bessere Strategie

Bei der Wasserloch-Strategie präsentiert sich ein Unternehmen als Ratgeber für seine Clientèle. Es geht also nicht um Getöse, sondern um Unwiderstehlichkeit. „Magnet statt Megaphon“ kann man auch sagen. Das Unternehmen ist zwar präsent, tritt aber nur dezent als Urheber auf. Content soll Interesse wecken, Expertise vermitteln, Vertrauen aufbauen und die anvisierten Zielpersonen an den Anbieter und seine Produkte heranführen.

Content will außerdem Bestandskunden loyalisieren, eine Themenwelt besetzen, für Gesprächsstoff sorgen und Wettbewerbsvorteile erringen. Denn Menschen suchen selten nach einem konkreten Produkt. Sie haben vielmehr Infobedarf oder ein akutes Problem. So beginnen sie mit einer Recherche, ohne dass ein Anbieter davon überhaupt etwas mitbekommt. Dazu geben sie spezifische Fragestellungen oder Schlagworte in eine Suchmaschine ein. Über Ihren Content werden sie nun die passenden Antworten finden.

Bei solchem Content, idealerweise im Storytelling-Stil aufbereitet, handelt es sich um Fachartikel, E-Books, Checklisten, Anwenderberichte, Infografiken, Webinare, Erklärvideos und so weiter. Zudem können Sie auch fremden Content, also Interviews, Gastbeiträge, Studienergebnisse, Umfragen, neueste Branchenmeldungen und so weiter präsentieren.

Über diese Mehrwert-Strategie werden Sie zu einem Kompetenzzentrum Ihrer Branche. Dies verbessert nicht nur das Google-Ranking, es bringt auch mehr Traffic. Auf den Trefferlisten tauchen Sie weit vorne auf, weil Suchmaschinen hochwertigen Content den minderwertigen Inhalten (Thin Content) vorziehen. Und: Wer sich auf Ihrer Seite aufhält, weil er dort viele nützliche Dinge findet, der kauft dann auch dort. Oder er initiiert einen ersten direkten Kontakt.

Die Wasserloch-Strategie: Mit brauchbaren Inhalten locken

Im Zuge einer Wasserloch-Strategie werden Interessenten von brauchbaren Inhalten angelockt, fordern diese nun an und erteilen via Double-Opt-in eine datenschutzrechtlich einwandfreie Erlaubnis, weitere Informationen an sie zu senden. Mithilfe von Marketing-Automation entfaltet der entwickelte Content dann seine ganz gewaltige Kraft.

Sodann wird in einer vordefinierten mehrstufigen Abfolge der Interessent zwecks „Reifung“ zunächst „genurtured“, das heißt, individuell und situativ mit passenden Informationen versorgt und dann bis zum Abschluss geführt. Indem der Interessent jeweils zeigt, wofür er sich ganz genau interessiert, qualifiziert er sich quasi selbst.

Wird der Vertrieb in die Bearbeitung der Leads involviert, muss gemeinsam festgelegt werden, bei welchem Reifegrad diese übergeben werden und wie die weiteren Schritte aussehen sollen. Werden nämlich die Leads zu früh überführt, weil der Interessent „sich erst nur mal umschauen“ wollte, ist der Erfolg marginal. Werden sie hingegen zu spät übergeben, ist das anfängliche Interesse vielleicht schon wieder erloschen.

Neue Kunden holen, inaktive und verlorene zurückgewinnen

Eine gut gemachte Lead-Klassifizierung hilft, die Prioritäten richtig zu setzen. Statt mühsamer Kaltakquise mit vagem Adressmaterial kümmert sich das Vertriebsteam hiernach fast nur noch um „heiße“ Interessenten, die realistische Abschlusschancen bieten. So arbeitet es viel effizienter und zugleich motivierter. In einem meiner Bücher, das zusammen mit Norbert Schuster entstanden ist, Marketing-Automation für Bestandskunden, wird alles ausführlich beschrieben.

Diese Vorgehensweise funktioniert sowohl bei Neu-Interessenten als auch bei bestehenden Kunden, die ja quasi vor jedem Wiederkauf erneut zu Interessenten werden. Durch immer neue Content-Angebote sorgt man für ein kontinuierliches Mehrbestellen und bei bislang inaktiven oder abgewanderten Kunden für‘s Wiederkommen.

Zudem verbreitet sich gut gemachter Content derart viral, dass ständig neue Kunden vorbeischauen und kaufen. Ergänzt wird dies durch eine Content-Distribution mithilfe bezahlter Formate. Content kann zudem über professionelle Influencer und andere Weiterverbreiter einen Markt tiefer durchdringen und hierdurch Kanäle bedienen, die man selbst gar nicht erreicht.

PS: Die nächste Ausbildung zum zertifizierten Customer Touchpoint Manager findet vom 10. - 12. Feb. 2022 in München statt.

Über die Autorin: Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Veranstaltungen und Fachkongressen. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Zudem wurde sie mit dem BestBusinessBook Award 2019 ausgezeichnet. www.anneschueller.de

Wer schreibt hier?

Anne M. Schüller
Anne M. Schüller

Keynote Speaker, Business Coach, Anne Schüller Management Consulting

für Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft.
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