Elisabeth - Skizze nach der letzten Fotografie im Sept. 1898 von Alfons Schweiggert (Ausschnitt) - Alfons Schweiggert

Ankunft und Abschied: Weihnachten mit „Sisi“

Alle Jahre wieder wird in der Weihnachtszeit der österreichische Historienfilm „Sissi“ ausgestrahlt. Viele Generationen sind mit Romy Schneider in der Hauptrolle als junge Elisabeth von Österreich aufgewachsen. Romy war für sie „Sissi“ – eine Kunstfigur, von der sie sich bald distanzierte. Dennoch prägt ihre Rolle das Bild der Kaiserin bis heute. Es passt zu allen Zeiten in das Gesamtbild einer heilen Welt, die sich viele Menschen wünschen. Doch keiner der bislang über Elisabeth gedrehten Filme „wird ihrem Wesen auch nur annähernd gerecht. Vor allem die Marischka-Trilogie führt bei der Beurteilung ihrer Person völlig in die Irre“, sagt der Autor Alfons Schweiggert. Mit seinen Biografien und Publikationen möchte er zum Kern ihres wahren Wesens vorzustoßen.

Am 24. Dezember 1837 um 22.43 Uhr kam sie im Palais ihres Vaters in der Ludwigstraße 13 in München zur Welt – an einem Sonntag. Dass sie mit einem Zahn im Mund („dens connatus“) geboren wurde, war (und ist) eine Seltenheit, die für ein glückliches Leben spricht. Sie und ihre Geschwister liebten das Weihnachtsfest und Christbäume. Sie freuten sich, wenn zum Weihnachtsfest jedes Familienmitglied seine Geschenke unter einem eigenen Baum fand. Der erste bayerische Christbaum ist Sisis Großmutter, der protestantischen Königin Karoline und zweiten Ehefrau von König Max I., zu verdanken. Sie nahm den Christbaum als Jugenderinnerung aus Baden mit nach Bayern und schmückte Weihnachten 1799 ihre Zimmer auf Schloss Nymphenburg mit Christbäumen. Im Dezember 1809 ließ sie im Hof der Residenz erstmals einen Baum aufstellen, König Max I. erlaubte dies, da er mit seiner protestantischen Drau im katholischen Bayern mehr Toleranz einführen wollte.

„Nachdem sie Kaiserin geworden war, standen ebenfalls mehrere Christbäume auf dem Gabentisch. Während in der Kindheit und Jugend Weihnachten für Sisi noch ein fröhliches Fest war, wurde ihr die Freude daran am Wiener Kaiserhof durch die protokollarischen Zwänge mehr und mehr vergällt. Mit zunehmendem Alter gestalteten sich der Heilige Abend und ihr Geburtstag fortwährend bedrückender“, sagt Schweiggert. Über das Weihnachtsfest 1886 notierte ihre Tochter Marie Valerie: „Oft denke ich mir, wie anderswo das heilige Christfest die Familien vereint in Liebe und Einverständnis – wie selig muss solch ein Kreis doch sein! Mir kommt die Zeit, da es auch bei uns noch so war, wie ein Traum vor.“ Über Elisabeths 50. Geburtstagsfest am 24. Dezember 1887 schreibt Valerie: „Mamas 50. Geburtstag, eher traurig. Steif und kühl geht man von Tisch zu Tisch, speist dann in peinlicher Ungemütlichkeit und ist froh, wenn man sich um ½ 7 Uhr trennen und den heiligen Christabend wie jeden anderen beschließen kann.“ Nur das Weihnachtsfest 1888 – Marie Valerie feierte damals ihre Verlobung – war noch einmal harmonisch: „Doch es sollte das letzte schöne Weihnachtsfest werden, denn Rudolf nahm sich einen Monat später das Leben.“

Elisabeth war seelisch gebrochen, verkaufte ihren Schmuck und trug nur noch schwarze Kleidung. Als Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) kam die Introvertierte der Welt immer mehr abhanden. Sie alterte stark und verbarg ihr Gesicht hinter Fächern und Regenschirmen, ließ sich nicht mehr fotografieren und ließ Aufnahmen stark retuschieren. Sie sagte, dass der Körper weiterlebt, „aber die Seele ist längst gestorben." Von nun an lehnte sie Glückwünsche an ihren Geburts- und Namenstagen ab. Es gab an Weihnachten auch keinen Christbaum mehr. Den Heiligen Abend und ihren Geburtstag verbrachte sie in den folgenden Jahren fern von ihrer Familie und kam immer seltener nach Wien. Stattdessen kreuzte mit ihrer Jacht durch das Mittelmeer.“ Rastlos reiste sie durch die ganze Welt. Ihre Spuren führen von Madeira bis Korfu, von Paris bis Amsterdam, vom Tegernsee bis Bad Ischl. „Draußen“ konnte sie ihren Kummer ablegen, den ihr vor allem das spanische Hofzeremoniell in Wien, die Auseinandersetzungen mit der Schwiegermutter bereitete oder Gerüchte, dass Franz Joseph ihr wieder einmal untreu gewesen sei. Auch fühlte sie sich als Gebärmaschine. Als mit dem dritten Kind der ersehnte männliche Thronfolger Rudolph geboren wurde, war das "katzeln" vorbei. Die Entfremdung von ihrem Mann nahm danach weiter zu. Sie notierte: "Für mich keine Liebe, für mich keinen Wein, das eine macht besoffen, das andere speien." Das Reisen wurde zu ihrer ihre Obsession. Deshalb gehörten zu ihren Sehnsuchtsorten vor allem Schiffe und Kajüten. Sie wollte immer unterwegs sein, vor allem auf dem Meer, wo sie auch bestattet werden wollte. War Elisabeth auf Reisen, suchte Erzherzogin Sophie für ein „harmonisches Zusammensein“ mit ihrem Sohn Franz Joseph und den Kindern Gisela und Rudolf. Detailliert beschrieben ist dies auch im Buch von Alfons Schweiggert „Elisabeth und ihr Gott“. All die bekannten Eigenarten und Widersprüche im Leben dieser Frau reizten ihn, immer tiefer zu graben, um eine Erklärung dafür zu finden, was die Grundlagen für ihre Wesenszüge sind. Dabei stieß ich immer wieder auf ihre Religiosität als wichtigen Baustein in ihrem Leben. In seinem Buch „Märchen der Kaiserin Elisabeth“ zeigte er bereits ihre Affinität zu Märchen und wunderlichen Märchengestalten. Vorgestellt wird sie auch als Erzählerin einiger Märchen. Sie wollte lieber Elfenkönigin sein und zog sich stets in ihre Fantasien, in Traum- und Märchenwelten zurück.

Er widmet sich hier ihrem Kinderglauben (schon als Kind verehrte sie ihren Schutzengel, und auch als Kaiserin vertraute sie auf diese himmlischern Geister., die ihr mehr bedeuteten als ihre Leibwächter), ihrer öffentlich und privat gelebten Frömmigkeit, ihrer Heiligenverehrung, der Vergötterung von Natur und Tieren, ihrer Reiselust als Flucht vor und zu Gott, ihrer Kritik an der Kirche und ihren Glaubenszweifeln. Sie war überzeugt, dass ihr die Zuwendung zu Gottes Schöpfung - vor allem zur Natur und der Tierwelt - eine Begegnung mit Gott ermöglicht würde. Auch glaubte sie an einen persönlichen Gott, für den sie wie Heinrich Heine den Namen „Jehova“ („Er lässt werden“) als Gott aller Menschen verwendete. In der Bibel kommt Jehova etwa 7000 Mal vor. Dass er aber auch ein „Gott der Rache“ - ein strafender Gott, dem der Mensch hilflos ausgeliefert ist - sein kann, erfuhr die Kaiserin mehrfach. Nach dem Tod Ludwig II. im Juni 1886 klagte sie: „Jehova, du bist groß! Du bist der Gott der Rache, du bist der Gott der Gnade, du bist der Gott der Weisheit!“ Ihre Tochter Marie Valerie schrieb am 15. Juni 1888 in ihr Tagebuch: „Mama glaubt mehr an den Gott der Rache, ich mehr an den Gott der Liebe.“ War Elisabeths Zorn erst einmal entflammt“, bemerkte ihre Nichte Marie Louise, „so vergab sie nie. Erklärungen und Reue waren gleich zwecklos. Die Kaiserin blieb absolut unversöhnlich, der Beleidiger war für sie tot.“

Der Zorn gehört zu den sogenannten „bösen Gefühlen“, die spontane Rachehandlungen bedingen und den Racheimpuls gleichsam reflexartig auslösen. Zorn will zerstören und rächen. Damit verbunden ist auch der Narzissmus, die sämtliche Wertschätzung für das eigene Ich benötigen und davon nichts an andere weitergeben. Ichsucht, Selbstliebe und Selbstbewunderung verband sie auch mit König Ludwig II. Die acht Jahre ältere Elisabeth war seine Tante, doch Ludwig nannte sie Cousine und sie ihn Cousin. Beide huldigten einem exzessiven Schönheitskult, liebten die Einsamkeit, waren menschenscheu und hatten einen Hang zur Weltflucht. Beide hatten eine Abneigung gegen das strenge Hofzeremoniell, gegen Audienzen und waren Meister im Ausweichen offizieller Termine. Beide lebten ohne Rücksicht auf andere ihre Neigungen aus. Als Elisabeth in der Mitte ihres Lebens ihre Schönheit schwinden sah, verweigerte sie sich der Öffentlichkeit, versteckte ihr faltiges Gesicht hinter Schleiern, Schirmen und Fächern. Auch Ludwig zog sich in den letzten Lebensjahren wegen seines extremen Zahnverfalls und seiner zunehmenden Leibesfülle zurück und wollte sich nicht mehr dem Volk zeigen. Gegen Ende ihrer Lebenszeit befiel beide Lebensüberdruss und Todesverlangen und beide erlitten auch ein tragisches Ende. In ihren Widersprüchen und Ängsten erscheint Elisabeth wie ein homo melancholicus, der zugleich Prototyp des modernen Menschen ist: Erstrebt wird Unendlichkeit in Raum und Zeit, ohne sie jemals erreichen zu können. Schon Blaise Pascal, der den Begriff der Langeweile wohl als erster in seiner philosophischen Bedeutung herausstellte, erkannte in der Angst vor dieser „Zeitkrankheit“ das Elend jenes Menschen ohne Gott, der dauernd, wenn auch immer nur kurzfristig mit Erfolg, nach Zerstreuung suchen müsse.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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