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Architektenboom: Bauen für eine bessere Welt

Mitten im syrischen Krieg setzte ein Junge aus Aleppo der Zerstörung etwas Nachhaltiges entgegen: Er bastelte sich seine Stadt so, wie er sie sich vorstellte.

2011 war Mohammad Quteish zehn Jahre alt. Als er die Trümmer des Krieges sah, wollte er sich damit nicht abfinden und entschied sich, bei sich zu Hause ein neues Aleppo aufzubauen mit Dingen, die er „handhabbar“ zur Verfügung hatte: Papier, Pappe, Tusche, Draht, Tücher, Wasserfarben, Watte. Er baute damit sein Mini-Aleppo auf einer Fläche, die so groß wie eine Tür war. Der zerstörten Welt setzte er seinen Entwurf der Ganzheit entgegen.

Einen Teil davon konnte der New Yorker Ausstellungsmacher Alex Kalman, der 2015 von dem Jungen erfuhr, in die USA retten. In diesem Jahr musste die Familie in den Keller ziehen oder bei Nachbarn Zuflucht suchen, weil die Angriffe besonders schlimm wurden. Während draußen die Sprengsätze explodierten, arbeitete der Junge, der inzwischen ein junger Mann ist, in seiner Werkstatt weiter und ließ sein besseres Aleppo weiterwachsen: In Folie wurde Wasser geschüttet, Häuser und Straßen erhielten sogar Licht. Am 27. Januar 2016 war der Tag der Flucht in die Türkei. Vor einigen Jahren hat Mohammad begonnen, hier ein neues Modell anzufangen, nachdem er Aleppo und sein erstes Modell zurücklassen musste. Er träumt davon, Architekt zu werden.

Sie zeigt, worauf es wirklich ankommt: die Welt besser zu machen durch eigenes „Hervorbringen“, ihr und dem eigenen Leben wieder Struktur zu geben. All dies reicht also weit über das reine Architekturthema hinaus, es beschreibt ein „Mehr“, das Bedeutung und Sinn verleiht und mit Nachhaltigkeit zu tun hat. „Ein guter Architekt weiß alle Interessensgruppen zu begeistern. Die Bewohner fühlen sich wohl und nehmen das Gebäude und die Funktionen an. Es passt sich in die Umgebung ein und nimmt deren Besonderheiten auf. Zudem geht ein guter Architekt auf zukünftige Herausforderungen ein“, sagt der Architekt Matthias Schäpers, der den Bereich Nachhaltigkeit und Wohngesundes Bauen der Krieger+Schramm Unternehmensgruppe leitet. Ein guter Architekt „nimmt vor allem die Lebensphase und Lebensdauer des Bauwerks in den Fokus denn in der Planungsphase werden die Weichen für den Energieverbrauch des zukünftigen Gebäudes gestellt. Auch entscheidet der Entwurf darüber, wie groß der Aufwand einer Umnutzung und wie langlebig das Bauwerk sein wird und damit ein effizienter Ressourcenverbrauch“, so Schäpers.

Den Bauherrn hiervon zu überzeugen ist eine weitere Stärke eines guten Architekten. Im deutschsprachigen Online-Forum für Architektinnen und Architekten „Baunetz“ sind etliche Jobangebote bei namhaften Architekturbüros ausgeschrieben. Gerhard Matzig spricht in der „Süddeutschen Zeitung“ sogar von einem „Architektenrausch“, was umso verblüffender ist, als noch vor anderthalb Jahrzehnten eine depressive Katerstimmung zu beobachten war und viele freiberuflich tätige Architekten am Abgrund ihrer Existenz standen. 2010 erschien sogar eine sarkastische Abrechnung mit diesem Berufsstand mit dem Titel „Ego des Architekten“, gefolgt vom Buch „Brauchen wir noch Architekten?“ (2012) und der Streitschrift „Verbietet das Bauen!“ (2015).

Das heutige Architekten-Dorado wird auf die boomende Bauwirtschaft zurückgeführt und die Gestalter (bis zu den Fliesenlegern und Trockenbauern), die diesem Zyklus folgen. Aber reicht das, um diesen Wandel zu erklären? Nein, sagt Matzig, der auch einen Blick auf die heutigen Studieninhalte wirft, die sich seit einiger Zeit auch in Richtung Nachhaltigkeit geändert haben. So werden neben Baurecht oder Immobilienökonomie auch ökologische Aspekte berücksichtigt, was dazu führt, dass das Architekturstudium wieder geerdet wird. Gerade in Krisenzeiten kommt das Bodenständige zurück, weil abgehoben und elitär keine Probleme gelöst werden können.

Architects for Future: Interview mit dem Nachhaltigkeitsexperten Matthias Schäpers

Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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