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Bloggen für eine bessere Welt

Sich für eine bessere Welt einzusetzen, wird von vielen Menschen allerdings auch skeptisch gesehen: Wenn nicht einmal ein Prominenter die Welt retten kann, dann bleibt sie eh ungerettet. An Erich Kästners viel zitierten Satz „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“ denken solche Kritiker kaum. Als ich im Dezember 2013 mit dem Bloggen begann, wurde mir immer wieder die Frage gestellt, warum ich dies tue – und dazu noch kostenlos (zuerst bei der Huffington Post, danach als XING Insider). Es treibt mich nicht der Wunsch, die Qualität meiner Beiträge über Likes zu definieren. Es geht mir viel darum, mit diesem Blog Öffentlichkeit und ein großes gesellschaftliches Gespräch zu schaffen. Ein Alltagsspruch lautet: „Was nichts kostet, ist nichts wert." So wären die Inhalte des Blogs also wertlos. Ich bin anderer Meinung: Die Grundregel des Erfolges ist doch, erst einmal zu geben. Damit vergrößert sich nämlich auch das Tauschpotenzial. Wer immer wieder gibt, wird auch etwas zurückerhalten.

Arianna Huffington zitiert in ihrem Buch „Die Neuerfindung des Erfolgs" den Autor und Unternehmer Seth Godin, für den die Ironie des „Gebens, um etwas zu bekommen" darin liegt, dass es längst nicht so gut funktioniert wie reines Geben: „Blogger, die für jedes investierte Wort den Profit messen, Twitterer, die die Plattform als Werbemedium für sich selbst nutzen, statt sie als Mittel sehen, um anderen zu helfen, und solche, die für Wikipedia und ähnliche Projekte keine Beiträge schreiben, weil dabei nichts für sie rausspringt... solche Leute begreifen nicht, worum es geht... Es ist nicht schwer zu erkennen, wer aus den richtigen Gründen zur Internet-Gemeinde gehört. Wir sehen es daran, was du schreibst und wie du handelst. Und das sind die Leute, auf die wir hören und denen wir vertrauen. Was paradoxerweise auch wieder bedeutet, dass es die Leute sind, mit denen wir Geschäfte machen." Ich sehe es genauso. Und ich möchte meinen Blog auch dafür nutzen, Menschen vorzustellen, die sich in keinen bezahlten Sonderbeilagen namhafter Printmedien finden. Das können sich nämlich nur Konzerne mit Nachhaltigkeitsabteilungen und PR-Budgets leisten. Und das sieht man den Texten in der Regel auch an - ja, sie tragen sogar letztlich dazu bei, dass Nachhaltigkeitsthemen nicht gern gelesen werden, weil sie der Bezahl- und Werbesprache entsprechen. Dann doch lieber ehrlich und kostenlos. Und mit echten Geschichten, die etwas bewegen, Themen verständlich und lebensnah vermitteln.

Vor allem wird gezeigt, dass richtig ausgeführte Arbeit immer mit Verantwortung zu tun hat: Es ist nicht gleichgültig, was man tut und wie etwas produziert wird. Gute Arbeit beruht nicht auf der Geschwindigkeit, mit der sie verrichtet wird, sondern auf der Hingabe an die Aufgabe. Wenn wir also gute Arbeit machen wollen, dann müssen wir uns erst mit den wesentlichen Fragen des Zwecks, des Kontextes und der Abläufe beschäftigen. Alle Beiträge eint der unbedingte Wille, die Erde zu bewahren und Geschichten zu erzählen, die Menschen berühren, weil sie nicht mit nüchternen Informationen und nackten Zahlen daherkommen. Sie unterstützen uns darin, an etwas glauben, das größer ist als wir selbst. Das Bloggen soll auch maßgeblich dazu beitragen, mit Freude ein nachhaltigeres Leben zu gestalten oder es zumindest zu versuchen. Gute Taten sollen gestärkt und vervielfacht werden, bis die kritische Masse erreicht ist. Ich teile auch die Überzeugung von Arianna Huffington, dass es in der Verantwortung der Medien liegt, die Arbeit von Sozialunternehmern und gemeinnützigen Organisationen herauszustellen, damit wir funktionierende Modelle ausweiten und vervielfachen können.

Nachhaltigkeit findet in den Köpfen leidenschaftlicher Macher statt, für die das Thema kein Projekt ist, sondern ein lebendiger Prozess und ein Lebensprozess. Leider fehlen in vielen Unternehmen und Organisationen dafür zuweilen starke Lotsen, die die komplexe Route beherrschen und nicht erst auf Krisensituationen warten, um sich zu verändern. Im Blog wird immer wieder darauf verwiesen, dass ein Nachhaltigkeits- oder CSR-Kommunikator niemand sein darf, der gerade Zeit hat. Denn dann ist er der Falsche. Es braucht in diesem Bereich geerdete, authentische, über den Tellerrand hinausschauende Menschen mit der Fähigkeit zur Empathie und dem Mut, auch gegen die Normen zu denken. Gebraucht werden kluge Köpfe, die imstande sind, prozesshafte Übersetzungsarbeit zu leisten und das Thema kritisch zu reflektieren. Denn je kürzer und allgemeiner die Information ist, desto mehr standardisiert sie sich und langweilt, so dass niemand mehr zuhört. Folglich sinkt die Geduld, die ein Thema wie Nachhaltigkeit braucht und damit auch die Bereitschaft, sich tiefer damit auseinanderzusetzen.

Zentrale Grundregeln heißen deshalb: Verstehbarkeit, Gestaltbarkeit und Sinnhaftigkeit. „Eine eindeutige Philosophie, klar formulierte Ziele und Maßnahmen sowie eine konstante Richtung (die durchaus ab und zu korrigiert werden sollte) führen zum Erfolg", sagt Claudia Silber, Leiterin Unternehmenskommunikation bei der memo AG. Ehrlichkeit, Verbindlichkeit und Offenheit sind für sie zentrale Kommunikationswerte. „Entscheidungen sind nicht immer bequem und gefallen auch nicht immer allen. Die Gründe, weshalb sie so getroffen werden, müssen daher fundiert sowie sachlich und fachlich korrekt sein." Sie verweist in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf Maßnahmen, die viel Geld kosten, aber dennoch sinnvoll für ein Unternehmen sind. Dann stehen nicht immer alle Beteiligten dahinter. „Doch wer den klaren Nutzen und die Vorteile kommuniziert, kann sich der Rückendeckung aller Mitarbeiter (bzw. aller Stakeholder) sicher sein", so die Kommunikationsexpertin. Die Philosophie und Strategie eines Unternehmens muss von „oben nach unten" gelebt werden. Gerade im Bereich Nachhaltigkeit macht es nach Ansicht von Claudia Silber keinen Sinn, „den Mitarbeitern gegenüber die Bedeutung dieses Themas zu betonen und dann nicht in diesem Sinn zu handeln". Durch Tun verändern wir die Welt. Es geht darum, sich als eine Gemeinschaft und nachhaltige Bewegung zu begreifen: Sich mit anderen auszutauschen, sich gegenseitig zu unterstützen und sich gemeinsam in Bewegung zu setzen.

Das freut auch Matthias Schäpers – und zwar nicht erst, seitdem er als Sustainability Manager Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen weiterentwickelt hat: „Gerade in den Industrieländern leben wir schon lange über unsere Verhältnisse und nutzen viel mehr Ressourcen als uns eigentlich zur Verfügung stehen. Würden die Menschen beispielsweise überall so leben wie in Deutschland, bräuchten wir drei Planeten Erde um alle ausreichend zu versorgen. Deshalb ist es gut und richtig, dass junge Menschen protestieren, denn wenn wir so weiter machen, hat dies negative Auswirkungen auf ihre zukünftigen Lebensbedingungen.“ Auch wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften setzen muss, sind Unternehmen sehr wichtige Akteure, „denn sie haben es ja in der Hand, ob sie beispielsweise effizient mit Ressourcen umgehen, viel recyclen und ihren CO2-Fußabdruck minimieren, indem sie erneuerbare Energien nutzen.“ Viele haben das auch erkannt und ein professionelles Nachhaltigkeitsmanagement aufgebaut. Was ihn allerdings ärgert, sind Unternehmen, die nur so tun, als ob sie nachhaltig wären. Sie sehen Nachhaltigkeit lediglich als PR-Faktor und stellen sich nach außen grüner dar, als sie wirklich sind. Der Laien muss deshalb genau hinsehen. Doch worauf ist besonders zu achten? „Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit eng mit der Strategie des Unternehmens verzahnt ist und sowohl alle Bereiche des Unternehmens als auch der gesamten Lieferkette umfasst.

Ihre wichtigsten Nachhaltigkeitsfaktoren, -ziele und Fortschritte sollten Unternehmen regelmäßig transparent berichten und dabei auch kritische Themen nicht verschweigen. Wirklich glaubwürdig ist dieses Reporting nur, wenn dabei nicht nur die Rosinen herausgepickt werden“, so Schäpers. Deshalb berichten wirklich nachhaltige Unternehmen nach international anerkannten Standards wie der Global Reporting Initiative (GRI). Bei Produkten können zusätzlich international einheitliche Ecodesign Standards und Labels mit hohen Anforderungen Orientierung schaffen. Kennzahlen verkörpern für ihn den Kern dessen, „was ein Unternehmen erst nachhaltig macht: die Balance zwischen ökonomischen, ökologischen und sozial gesellschaftlichen Aspekten.“ Es ist wichtig zu kommunizieren, zu welchem Grad Unternehmen ihre Ziele erreichen und wie sie mit den Auswertungen umgehen. Seit 1. Mai 2021 ist Matthias Schäpers Leiter für Nachhaltigkeit und Wohngesundes Bauen der Krieger + Schramm Unternehmensgruppe. Zuvor arbeitete er fast 13 Jahr bei der SMA Solar Technology AG. Sein Engagement für Nachhaltigkeit geht aber weit über seinen Beruf hinaus: Seit 2018 ist er ehrenamtlicher Klimaschutzbotschafter des hessischen Umweltministeriums für die Stadt Kassel und Vorstand des Umwelthauses Kassel.

In einer Studie hat das UNEP/Wuppertal Institute Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) bereits im Jahr 2010 die mögliche Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die Massenmedien untersucht. Das Ergebnis: Die Nutzer von Massenmedien stammen in der Regel aus mittleren bis niedrigen sozio-ökonomischen Schichten und erwarten, Informationen auf emotionale und affektive Weise übermittelt zu bekommen. Sie wünschen sich außerdem Berichte, die auf ihre persönliche Lebenssituation Bezug nehmen und alltagstauglich sind. Nachhaltigkeit kann nur begriffen werden, wenn das Thema als gesellschaftlicher Prozess für den Einzelnen fassbar wird, mit dem Bewusstsein der Eigenverantwortung einhergeht, und generell mit einer Änderung des eigenen Verhaltens verbunden ist. Ein „Stups“ reicht manchmal aus, um eine Entscheidung in die richtige Richtung zu führen. Im Englischen heißt diese Strategie „nudging“ („Anstupsen“), die zu Verhaltensänderungen ohne Druck führen soll. Bekannt wurde sie durch das gleichnamige Buch „Nudge“ (2008) des Ökonomen Richard Thaler von der Universität Chicago und der Harvard-Jurist Cass Sustein. Nachhaltigkeitsthemen brauchen in vielen Bereichen Übersetzungsarbeit und Stupser, weil es häufig an emotionalen Zugängen fehlt. Um Menschen auf glaubwürdige Weise zu erreichen, braucht es allerdings Stupser UND überzeugende Argumente, warum ein bestimmtes Verhalten richtig und erstrebenswert ist, um selbst urteilsfähig zu sein und Entscheidungen treffen zu können.

Wir brauchen, um ein komplexes Thema wie Nachhaltigkeit zu verstehen eine Verlebendigung durch Interviews, Essays und gute Geschichten, die Sinn stiften, denn sie sind eine werthaltige Gestaltungskraft. Der Blog soll zusammenführen, was getrennt ist, aber doch innerlich zusammengehört. So bleiben Wirtschaftsthemen blutlos, wenn sie nicht mit ähnlichen Scherpunkten aus anderen Bereichen verbunden werden. Dabei geht es vor allem darum, vorhandenes Wissen besser zu nutzen, nicht „schlau“ zu werden (wie es heute oft suggeriert wird), sondern klug.

Nachhaltigkeit – mehr als ein grüner Anstrich: Interview mit Matthias Schäpers

Arianna Huffington: Die Neuerfindung des Erfolgs. Weisheit, Staunen, Großzügigkeit – Was uns wirklich weiterbringt. Riemann Verlag, München 2014.

Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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