Blühende Geschäfte: Blumen mit gutem Gewissen kaufen
Der Valentinstag ist neben Weihnachten und Muttertag einer der umsatzstärksten Tage für Blumenfachgeschäfte.
Floristen machen bis zu 100 Prozent mehr Umsatz als sonst. Für die Produzenten sind diese Tage wie ein Lottospiel. Bereits Monate zuvor schneiden sie alle Rosenstöcke zurück, um zum Valentinstag möglichst viele erntereife Rosen zu haben. „Das nennt man den Valentins Cut. Aber niemand garantiert, dass die Rosen auch so wachsen, wie geplant, und dass das Wetter mitspielt“, schreibt Silke Peters in ihrem Buch "Blühende Geschäfte. Der weltweite Handel mit der Blume". Sie war viele Jahre Geschäftsführerin des Flower Label-Programms, einer Schnittstelle zwischen Blumenanbau und -handel, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften. Ihre Tätigkeit führte sie auf Plantagen in Afrika, Europa und Lateinamerika. Heute arbeitet sie als Fachautorin und Expertin für Umwelt- und Sozialstandards. In ihrem Buch beschreibt sie Strukturen und Missstände, die sich auf die Massenproduktion von Blumen und Zierpflanzen beziehen. Massenmärkte bilden sich dort, wo durch globale Produktionsstrukturen viel Ware zu niedrigsten Preisen auf den Markt drängen kann. Im Mittelpunkt stehen deshalb folgende Fragen:
Wie entstehen Blumen?
Von wem stammen das Saatgut oder die Jungpflanzen? Durch wen kommen Blumen und Zierpflanzen zu uns?
Wer hat sie angebaut?
Welche Pflanzenschutzmittel wurden dabei eingesetzt?
Welche Ansätze gibt es, um die weltweite Produktion umweltfreundlicher und sozial verträglicher zu gestalten?
Was haben diese Konzepte bewirkt? Wie sind Blumen eigentlich wert?
Für die Floristen und Gärtner sind solche Fragen ein wichtiges Signal, weil viele davon ausgehen, dass Kunden nur der Preis interessiert. Silke Peters ist es ein wichtiges Anliegen, wieder zu einer Wertschätzung der Blumenprodukte zu gelangen und die Hintergründe in den Produktionsketten zu verstehen. Den Markt hinter den Blumen. Folglich sollte sich unser Handeln nicht nach dem Preis richten, sondern stets auch eine Botschaft signalisieren: Wir Konsumenten wissen Qualität und Produktionsaufwand zu schätzen. Damit verbunden ist die Erkenntnis, dass Discounter-Preise nicht den realen Aufwand der Produktion wiedergeben. Deshalb empfiehlt sie, Blumen beim Fachhandel zu kaufen, weil Fachhändler bei ihrem Einkauf anders differenzieren können als Supermärkte, bei denen es oft „das ganze Jahr“ blüht und die die Natur gewissermaßen „überlisten“ oder zumindest „managen“.
Fachgeschäfte sind zwar teurer, dennoch muss nicht zwangsläufig mehr Geld ausgegeben werden. Die Empfehlung der Autorin ist sinnvoll und nachhaltig: Warum nicht drei statt zwölf Stiele kaufen? „Oder zwei Balkonpflanzen statt einer Zehnerpalette. Das hat nichts mit moralischem Verzicht zu tun, sondern mit der Freude an Schönem und Gutem. Qualität misst sich nicht an Menge, sondern an Wertigkeit. Bei Blumen und Zierpflanzen sind wir diejenigen, die den Wert bestimmen.“ Gerade hier zeigt sich, dass wir den Bezug zu natürlichen Wachstumsprozessen verloren haben. Die Frage ist berechtigt: „Wissen wir überhaupt, wann welche Blume Saison hat? Offensichtlich nicht, denn wir sind es gewohnt, das zu bekommen, was wir wollen.“
Bei der äquatornahen Produktion, vor allem in Kenia und zunehmend auch in Äthiopien werden äußerst geringe Löhne gezahlt. Zugleich ist es risikoreiche Arbeit wegen des massiven Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. „Es sind deshalb oft die Frauen selbst, die beispielsweise keine Handschuhe tragen wollen, weil sie darin schwitzen und ohne schneller arbeiten können. Oder die die leeren Behälter der Pflanzenschutzmittel nutzen, um darin Wasser zu holen. Woher sollen sie auch eine Vorstellung davon haben, welchen Risiken sie sich aussetzen, wenn sie nicht entsprechend aufgeklärt werden? Mit dem Einsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel werden außerdem Krebserkrankungen, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten in Verbindung gebracht“, schreibt Peters. Das und die Monokulturen sind zugleich Umweltprobleme. Hinzu kommt der Transport: Langstielige Rosen kommen zum Beispiel oft aus Lateinamerika. Einige Studien belegen, dass zum Beispiel im Winter die Zucht von Blumen in Deutschland weniger nachhaltig wäre als die Produktion am Äquator samt Flug zu uns.
Es gibt viele Ansätze und Initiativen, die daran arbeiten, die Bedingungen der Produktion zu verbessern. Dazu gehört das Flower-Label-Programm (FLP) oder der Verein „Fairtrade Deutschland“. Konsumentensiegel wie FLP, Fair Flower Fair Plants (FFP) und Fairtrade versuchen eine Brücke zwischen jenen zu schlagen, die das Produkt herstellen, und jenen, die es kaufen. Gerade gegenüber dem blau-grünen Fairtrade-Siegel besteht ein nahezu blindes Vertrauen. Das ist nach Ansicht der Autorin Segen und Fluch zugleich: „Der Kunde ist so begeistert, dass er dem System mehr zutraut, als es zu leisten in der Lage ist. Berichten die Medien über Unvollkommenheiten, ist der Aufschrei entsprechend groß. Fairtrade ist ein Instrument, das in dem bestehenden System Gutes erreicht. Nicht mehr und nicht weniger. Global ändern sich die Verhältnisse nicht – oder nur minimal. Denn Veränderungen brauchen Zeit – und Einsicht.“
Blumen und Zierpflanzen gibt es auch mit Bioland-Siegel. „Ich bin von hier!“, heißt das Label, das die Vereinigung Deutscher Blumengroßmärkte im Jahr 2013 eingeführt hat. Es kennzeichnet Ware, die im Umkreis von 100 Kilometern, in Ausnahmefällen 150 Kilometern, um den jeweiligen Blumengroßmarkt angebaut wurde.
Eine besondere Stärke des Buches ist, dass es auch Geschichten des Gelingens zeigt, die nicht von Helden ausgehen, sondern von Menschen, die Handlungsoptionen haben und nutzen. Erzählt wird beispielsweise die Geschichte eines biozertifizierten Schnittblumenbetriebs: der Bioland-Gärtnerei Schöwerling in Halle in Ostwestfalen. Für die Brüder Dieter und Thomas Schöwerling ist die Arbeit mit Blumen und Pflanzen eine Lebensaufgabe. Von Mai bis Oktober wachsen auf den Feldern des Blumenhofs einjährige Sommerblumen, Stauden und Sonnenblumen. Auf jeglichen Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Düngern wird verzichtet. Die Unkrautbekämpfung wird per Hand und mit dem Trecker erledigt. Das Beispiel zeigt, dass es heute auch um die Vielfalt von Geschichten geht, denn sie sind es, „die dem Markt fehlen und die dem Kunden helfen, wieder ein Verhältnis zur Blume oder zur Zierpflanze zu entwickeln“ (Silke Peters).
Weiterführende Informationen:
Silke Peters: Blühende Geschäfte. Der weltweite Handel mit der Blume. oekom verlag München 2015.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Gut zu wissen... wie es grüner geht: Die wichtigsten Tipps für ein bewusstes Leben. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.