Burnout-Gefahr! Oft trifft es Alleinerziehende und berufstätige Mütter
Berufstätige Mütter und Alleinerziehende erkranken häufig an Erschöpfungsdepressionen. Der ehemalige Skispringer und Olympiasieger Sven Hannawald weiß aus eigener Erfahrung, wie man dem Teufelskreis entkommen kann.
Ich kenne den Erfolgsdruck, den Medienrummel und die beeindruckende Atmosphäre in vollen Stadien an den Skisprungschanzen und auf Bühnen zahlreicher Firmenveranstaltungen. Beides war und bin ich gewohnt, ich weiß was mich erwartet(e). Für die großen Momente meiner Sportkarriere habe ich immer alles gegeben, im Nachhinein auch etwas zu viel.
Erst nach einer langen Therapie, jahrelanger Reha und großem Abstand vom Leistungssport fand ich zurück in ein normales Leben mit neuen beruflichen Zielen. Ich weiß, was es heißt, sich zu verlieren in einer Aufgabe, was es mit einem macht, wenn man über einen zu langen Zeitraum über die eigenen Grenzen geht und die Bedürfnisse von Körper und Seele ignoriert.
Mit meiner neuen Familie, meiner Frau Melissa und unseren beiden Kindern Glen (2 Jahre) und der neu geborenen Liv habe ich nun eine weitere große Aufgabe angenommen. Bei dem, was ich schon immer wollte, eine eigene Familie, lerne ich nun ganz neue Herausforderungen kennen. Mit all seinen Seiten!
Allein ist der Alltag doppelt anstrengend
Eltern sein ist anstrengend, eine herausfordernde Phase, in denen uns als Paar auch die Grenzen aufgezeigt werden. Das wird natürlich auch wieder anders. Wir haben ja bewusst Kinder bekommen und wussten, was auf uns zukommt. Und wir machen das im Team. Ich kann mir aber ungefähr vorstellen, wie das Arbeitspensum von alleinerziehenden Müttern ist. Auch in unserem Freundeskreis gibt es Frauen ohne Partner und ihr Alltag ist häufig mehr als doppelt so anstrengend. Tag und Nacht für die Kinder „wach“ sein, im Beruf am Ball bleiben, den Haushalt allein managen und auch noch Zeit für sich und andere finden, das ist nicht leicht. Wie meistern die Frauen das eigentlich?
Viele unter allergrößten Anstrengungen und häufig zahlen sie einen hohen gesundheitlichen Preis. Das Gefühl, immer funktionieren zu müssen, weil sonst das ganze System zusammenbricht, geht mit der Angst einher, es irgendwann nicht mehr schaffen zu können, im schlimmsten Fall sogar den Arbeitsplatz zu verlieren. Ohne einen guten Umgang mit sich selbst und der Situation führt das irgendwann in die Abwärtsspirale.
Auch US-Millionärin Sheryl Sandberg, COO von Facebook, war nach dem Tod ihres Mannes verzweifelt: „Ich habe nicht wirklich kapiert, wie hart es ist, im Job erfolgreich zu sein, wenn du Zuhause überwältigt wirst“, postete sie damals. Und: „Mir war nicht klar, wie oft ich in die weinenden Gesichter meiner Tochter oder meines Sohnes blicken würde und nicht wissen würde, wie ich ihre Tränen stoppen kann.“
Burnout – im Grunde nichts anderes als eine Vorform der Erschöpfungsdepression - ist nicht nur eine Krankheit von Managern und Leistungssportlern, sie betraf und betrifft auch immer mehr andere Berufe und soziale Gruppen. Frauen und besonders alleinerziehende Mütter sind laut Studien davon überproportional betroffen. Auf ihnen lasten neben alleiniger Verantwortung, ständiger Erreichbarkeit und dem „schlechten Gewissen“, dem Kind nicht gerecht zu werden, auch spürbarer gesellschaftlicher Druck im Alltag, sei es bei der Job- oder Wohnungssuche. Hinzu kommen Existenzängste.
Positive Verstärker fehlen
Zudem fehlen vielen Frauen in dieser Situation die positiven Verstärker. Positive Verstärker haben direkten Einfluss auf unsere Stimmung und damit auf unser Wohlbefinden. Bleiben sie über einen längeren Zeitraum aus, reagiert unsere Psyche negativ. Niedergeschlagenheit, das Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit sowie Minderwertigkeitsgefühle treten auf. Positive Verstärker wie Lob, Anerkennung (auch in Form von Gehalt), praktische Unterstützung im Alltag, Geborgenheit, Freundschaften geraten bei vielen Alleinerziehenden ins Hintertreffen. Die Gefahr, in einen Teufelskreislauf aus nicht endender Verantwortung und Überlastung ohne Licht am Horizont zu landen, ist groß.
Aber wie erkennet man frühzeitig die Gefahr von permanenter psychischer Überlastung? Was sind die Symptome und Zeichen des Körpers, an denen man sich orientieren kann? Wie kann man sich schützen vor dem „zu viel“, um nicht schleichend in einer schweren Depression zu landen, wo dann oft gar nichts mehr geht?
Sollten mehrere der folgenden Punkte über einen längeren Zeitraum auftreten, ist es ratsam, sich professionell helfen zu lassen:
Anzeichen für ein Burnout
Ein- und Durchschlafstörungen
Ständiges Grübeln, Gedankenkreisen
Rückzug von Freunden
Verändertes Essverhalten
Niedergeschlagenheit, das Gefühl innerer Leere
Antriebslosigkeit, Müdigkeit, keine Energie. Jede Tätigkeit fällt dir schwer. Aufstehen, dein Kind fertig machen, Essen vorbereiten, mit dem Kind spielen.
Konzentrationsschwierigkeiten
Zukunftsängste
Körperliche Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Verstopfungen etc.
Es geht lange gut, doch dann kommt der Zusammenbruch
Bei mir waren meine Perfektion und der Traum vom „perfekten Sprung“ gepaart mit einer Rastlosigkeit zwei wesentliche Ursachen für mein Ungleichgewicht. Selbst nach großen Erfolgen konnte ich mir nix gönnen, wollte nicht abschalten und dachte jede Pause wäre verschwendete Zeit, die ich besser für das Training nutzen sollte. Ich konnte mich zwar gut auf den Wettkampf und die entscheidenden Sprünge fokussieren, war aber nicht in der Lage, meinem Körper und Geist die nötige Regeneration und Erholung zurückzugeben. Das geht jahrelang auch gut, bis das Pendel plötzlich umschwingt. Dann ist es zu spät und es dauert umso länger zurück ins Leben.
Wir stellen uns als Eltern oft die Frage, welchen Sport unsere Kinder wohl mal als Hobby oder gar professionell treiben werden. Als ehemalige Leistungssportler (meine Frau war Profifußballerin beim VfL Wolfsburg) wüssten wir, wovon wir mit unseren Kindern über sportliche Ziele und Karriere reden. Wenn ich als Jugendlicher gewusst hätte, dass übertriebenes Leistungsdenken im Burnout enden könnte, hätte ich viel mehr auf mich geachtet. Mir viel mehr Pausen gegönnt. Wenn ich damals erschöpft war, hatte ich keine Erklärung dafür. Auch meine Eltern, Trainer und Freunde nicht. Heute ist das Thema Stress und Burnout öffentlicher, auch dank der neuen Medien mit vielem Wissenswerten online und sozialen Netzwerke mit persönlichen Empfehlungen und Ansprechpartnern.
Gerade alleinerziehende Mütter, die täglich arbeiten müssen, finden nur schwer Freiräume, um auf sich und ihre Bedürfnisse achten zu können. Viele wissen gar nicht mehr, wie das geht. Umso wichtiger, dass sie sich helfen lassen.
Hier finde ich Hilfe:
Der Chef oder Kollegen: Oft ist ein offenes Gespräch mit Vorgesetzten oder Kollegen ein guter erster, entlastender Schritt. Schildern Sie ihre Situation. Oft finden sich so Lösungen, an die sie gar nicht gedacht haben. Es ist menschlich und für die Entwicklung durchaus wichtig, auch mal schwierige Phasen zu haben. Das kennen und verstehen gerade heutzutage mehr Menschen, als man denkt.
Angebote des Arbeitgebers: Prüfen sie, ob ihr Arbeitgeber mit Instituten wie beispielsweise dem Fürstenberg Institut oder ähnlichen Institutionen zusammenarbeitet, die darauf ausgerichtet sind, zu helfen.
Hausarzt: Dieser kennt in der Regel Therapeuten und kann bei Bedarf auch an einen Psychiater überweisen.
Fachkliniken: Hier können Sie sich über eine mögliche stationäre oder teilstationäre Behandlung beraten lassen, auch über die administrativen Abläufe bezüglich Kosten, Planung und Durchführung (z.B. bei meinem Gesundheitspartner der Gezeiten Haus Gruppe).
Krankenkasse: Krankenkassen haben Interesse daran, dass ihre Mitglieder gesund bleiben. Viele bieten Präventionsangebote an und helfen mit Experten.
Beratungsstellen: Dazu zählen u.a. der Kinderschutzbund, Erziehungsberatungsstellen, Elternschulen und kirchliche Träger (Diakonie, Caritas).
Im Notfall: Die Telefonseelsorge hilft im akuten Krisenfall weiter
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Am 10. Oktober ist der World Mental Health Day – die XING News Redaktion wird das Thema intensiv begleiten. Wir wollen Angst vor dem vermeintlichen Tabu-Thema Depression nehmen und informieren, wie man sich davor schützen und behandeln lassen kann. Mentale Gesundheit geht uns alle an, weltweit leiden rund 350 Millionen Menschen unter Depressionen, die Zahl der Krankschreibungen auf Grund psychischer Probleme hat sich in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland verdreifacht. Jede und jeder kann gezielt vorbeugen, vor allem Stress bei der Arbeit kann ein Auslöser für seelische Krankheiten sein und sollte darum bewusst hinterfragt werden. Hier finden Sie alle Insider Beiträge, Talks und Klartexte zum Thema mentale Gesundheit.
Sie brauchen Hilfe?
Die Deutsche Depressionshilfe hat eine gute Übersicht für lang- und kurzfristige Hilfsangebote in Deutschland zusammengestellt. Betroffene aus der Schweiz finden hier Anlaufstellen, Österreicher hier.