Chance oder Untergang: Agilität bring die Gesellschaft in Bewegung (und ist doch unvermeidlich)

Meine Mutter sagt(e) immer: „Mitdenken, mithandeln, mitverantworten.“

Vielleicht rührt meine Begeisterung für Agilität und die damit verbundene Art der Zusammenarbeit, das Mitdenken, das Mithandeln und das Mitverantworten aus dieser (früh)kindlichen Prägung.

In klassischen Strukturen taugt dieses Vorgehen allerdings erst, wenn man eine ausreichend hohe Karrierestufe erreicht hat. Noch jedenfalls.

Agilität kann und wird dies ändern, da veränderte Teamstrukturen und Entscheidungsprozesse in ihrem Kern genau diese drei Elemente erfordern.

Doch Agilität verändert nicht nur Karrieren, weshalb sich jeder, der noch mehr als fünf im Arbeitsleben stehen möchte, sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen sollte. Mit dem Aufbau von Agilität als prägendem Gestaltungsmuster in Unternehmen wird sich auch unser übriges Zusammenleben verändern. Wer Agilität weiter denkt, identifiziert schnell die Bereiche, die die nächsten Schritte anstoßen. Am Ende gestaltet Agilität, mit seinem mehr ans mitdenken, mithandeln und mitverantworten eben auch, wie wir Gesellschaft und damit Zukunft leben.

Ich möchte einige Beispiele geben, ohne damit Festlegungen zu treffen. Die Ausprägungen der Auswirkungen von Agilität sind, so wie es bei den alten Gestaltungsmustern, die unser Wirtschafts- und Sozialleben bis heute ausmachen der Fall war, weitaus vielfältiger und sicherlich auch komplexer.

Zum Beispiel entstehen im Überschneidungsbereich neuer Geschäftsmodelle und der Digitalisierung, zweier Transformationsthemen, die sich um das zentrale Thema Agilität herum ranken, Raum in dem Künstliche Intelligenz profitabel entwickelt und eingesetzt werden kann.

Entsprechend geht im Kontext neuer Geschäftsmodelle und der Weiterentwicklung der Managementmodelle, weg von steuerungsfokussieren Ansätzen hin zu wirkungsfokussierten, darum starke Nachhaltigkeit, in den Komponenten Sozial, Ökologisch, aber auch Ökonomisch, als Thema stärker in beidem zu verankern.

Im Bereich zwischen dem Managementmodell und der Schaffung neuer, adäquater Arbeitssituationen (aka „New Work“) finden sich schon heute vielfältige Konzepte und Gruppen, die sich dem Thema „Corporate Social Responsibility“, natürlich aus Unternehmenssicht nach innen und nach außen, widmen.

Spannend wird es, wenn neue Arbeitssituationen auf die, sich im Rahmen der sich weiter entwickelnden Digitalisierung, verändernden Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten stoßen. Dies verändert (weiterhin) die Gesellschaft, weil Mehr- und Minderheiten sich nicht mehr an der Lautstärke und Präsenz in der Gesamtheit der Medien unterscheiden lassen, weil es immer mehr darauf ankommt, sich durch die Vielfalt an Informationen und Reizen eine „unabhängige“ eigene Meinung zu bilden und weil genau das uns in den letzten Jahrzehnten gründlich aberzogen wurde. Wir sind als Gesellschaft noch nicht für diese neue Art des Austauschs, des Mitdenkens, des Mithandelns und des Mitverantwortens sozialisiert. Wir sind nicht vorbereitet. Wir sind daher (noch) überfordert diese neue Gesellschaft zu schaffen, dass alle davon profitieren können.

Doch ich möchte noch einen Schritt weiter gehen und die genannten Themen im nächsten Schritt wieder miteinander in Beziehung setzen.

Im Spannungsfeld von Künstlicher Intelligenz und einem stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit sehe ich die Notwendigkeit die Nutzung regenerativer und vor allem nicht regenerativer Ressourcen global als Thema anzunehmen und zu bearbeiten. Der Earth overshoot day (der in diesem Jahr global betrachtet bereits am 01. August stattfindet) und z.B. die zunehmende Menge an Plastikmüll geben erste Hinweise auf die zunehmende Schieflage. Künstliche Intelligenz kann uns vielleicht helfen Prozesse und Strukturen aufzubauen, die hier unser Überleben sichern können.

Auf dem Weg zwischen Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR) stoße ich auf die Notwendigkeit Wirtschaftsmodelle zu gestalten, die sowohl die sozialen, die ökologischen und die ökonomischen Rahmenbedingungen bieten, die uns allen ein sinnvolles Auskommen auf unserem Planeten ermöglichen. Was nicht bedeuten kann und wird, dass wir im uns in individuelle Kämpfe ums Überleben begeben werden, sondern, und daher auch hier Agilität als das Buzzword, dass die bestmögliche Nutzung unserer sozialen und kognitiven Kompetenzen ermöglicht, das gemeinsame wirtschaftliche Überleben sichern und dabei insbesondere wieder eine „gesunde Mittelschicht“ aufbauen, die die sich derzeit herausbildenden Extreme stärker zusammenführen kann.

Wenn eine neue Gesellschaft auf verstärktes CSR stößt, dann ist ein zielführenderer Umgang von uns miteinander, mit den menschlichen „Ressourcen“, wie wir sie oft noch nennen, der für mich wichtigste Aspekt. Hier ist das Zusammenspiel von Unternehmen und Gesellschaft gefordert, eben auch um den vorhin ins Feld geführten Wiederaufbau des Mittelstands voranzutreiben.

Die heute wohl am kritischsten betrachtete Schnittstelle ist die zwischen Künstlicher Intelligenz und einer neuen Gesellschaft. Wie weit werden Maschinen unser Zusammenleben prägen, inwieweit werden sie uns Arbeit abnehmen, inwieweit werden sie Arbeitsplätze vernichten und wie gehen wir damit um. Kann und wird der „Broterwerb“ dann noch zentrales Wertethema sein. Werden wir uns dann noch darüber definieren, welche Arbeit wir ausführen, oder werden wir vermehrt die Wirkung dieser Arbeit auf andere und unsere Umwelt in den Fokus rücken?

In jedem Fall sehe ich an dieser Schnittstelle eine umfassende Diskussion und Reflexion über unser (weltweites) gesellschaftliches Wertemodell entstehen, einem Modell, dass sich vom westlich geprägten Leistungsmodell (wahrscheinlich) unterscheidet.

Es sind viele Dinge in Bewegung. Zu viele, als dass jeder einzelne von uns umfassend daran arbeiten könnte. Wir müssen uns auf Teilbereiche fokussieren, um überhaupt weiter zu kommen. Viele Unternehmen haben sich in Bereichen wie vor allem der Digitalisierung und „New work“ bereits auf den Weg gemacht. Viele dieser wiederum erkennen auf dem Weg die besondere Relevanz von „Agilität“ als zentralem Element.

Gerade aus dieser Sicht ist es sinnvoll, sich auch mit diesem Thema fokussiert und auf der Managementebene auseinanderzusetzen. Nicht nur, weil es dann die Unternehmen im positiven Sinn verändert (wie wir unlängst im Rahmen einer weltweiten Studie gezeigt haben), sondern wie es einen gesellschaftlichen Wandel nach sich ziehen wird, der uns allen das (Über)Leben auf unserem Planeten sichern kann.

Ein Ziel, über das man zumindest einmal nachdenken sollte. Agilität jedenfalls – im Unternehmenskontext – ist unvermeidlich, wenn man die großen internen Transformationen angehen will.

Guido Bosbach schreibt über Management, Führung, Leadership, NextManagement

Guido Bosbach ist Organisationsberater mit einem Fokus auf Lösungen, die für eine systemisch fundierte, nachhaltige und menschenzentrierte Verbesserung der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Erfolgs abzielen. Er arbeitet dazu in Unternehmen mit deren Executive-Teams & Führungskräften.

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