Circular Economy und IKT: Wie sich Unternehmen in einem ökologischen Wettbewerb erfolgreich positionieren können
Den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) wird heute als Werkzeug und Medium große Bedeutung zugemessen, denn diese ermöglichen das freie Konstruieren fast beliebiger virtueller Artefakte und stellenweise auch deren Verknüpfung mit der materiellen Welt.
Die weltweit zunehmende Nutzung der IKT führt dazu, „dass die Bestände an personen- wie sachbezogenen Daten in exponentieller Weise wachsen“ (Nikola Langreiter und Klara Löffler). Das gesellschaftliche und wirtschaftliche Potenzial dieser Entwicklung, aber auch die damit verbundenen Herausforderungen sind enorm. So gehen IKT-Geräte immer schneller kaputt, und ständig kommen neue Modelle auf den Markt, für deren Herstellung viel Energie und wertvolle Ressourcen aufgewendet werden müssen. Allein in Deutschland werden 1,7 Millionen Tonnen neue Elektrogeräte und mehr als 24 Millionen Smartphones verkauft. Mit einem Anteil von 250.000 Tonnen jährlich ist die IKT mitverantwortlich für immer kürzere Nutzungszyklen, Berge von Elektroschrott sowie steigende Ressourcenverbräuche.
In ihrer Studie „Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen in der Informations- und Kommunikationstechnik“ hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) 25 Gerätehersteller, Telefonie- und Internetanbieter am Beispiel von Smartphones, Festnetztelefonen und Routern untersucht. Aus den Ergebnissen werden konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie sich Unternehmen in einem ökologischen Wettbewerb erfolgreich positionieren können, worauf Verbraucher beim Kauf und der Nutzung der Geräte achten sollten und wie die Politik dem zunehmenden Ressourcenverbrauch entgegenwirken kann.
Beispielsweise sollte sie Dienstleistungen im Vergleich zum Ressourcenverbrauch steuerlich begünstigen und umweltfreundliche Produkte durch finanzielle Anreize fördern. Zudem seien höhere gesetzliche Mindeststandards beim Ökodesign dringend geboten. Auch die niedrige Sammelquote und der sehr geringe Anteil von wiederaufbereiteten Geräten sollte durch weitergehende rechtliche Anforderungen, etwa im Elektro- und Elektronikgerätegesetz, angehoben werden. Ein Beispiel für ein nachhaltiges Geschäftsmodell ist die aktive Rücknahme mit Wiederaufbereitung und Vermarktung der gesammelten Geräte, wie sie einzelne Unternehmen (z.B. memo AG oder VAUDE) bereits für einige Gerätearten durchführen. Auch bei untersuchten Umweltaspekten wie „Umweltzeichen“, „Zubehör“, oder „Umweltdatenblätter“, „Haltbarkeit“ und „Reparierbarkeit“ konnten besonders vielversprechende Ansätze festgestellt werden.
Die in der Studie vorgestellten Empfehlungen und Best-Practice-Beispiele zeigen auf, wie Unternehmen ihre Umweltauswirkungen verringern und gleichzeitig ihre Marktposition halten oder verbessern können.
Das sollten Unternehmen tun:
Ökodesign verbessern (u.a. bei Haltbarkeit, Reparierbarkeit und dem Einsatz von Recyclingmaterialien)
Geschäftsmodelle auf Dienstleistungen statt Ressourcen fokussieren
gebrauchte Geräte anbieten
Ersatzteile und Updates bereitstellen
alte Geräte zurücknehmen und für eine zweite Nutzung aufbereiten
Umweltaspekte ins Marketing aufnehmen
bei Telefon- und Internetverträgen Anreize für neue Geräte vermeiden und auf Leasingmodelle setzen („Nutzen statt Besitzen“).
Für den Schutz von Umwelt und Ressourcen empfiehlt die DUH Verbrauchern, beim Kauf gebrauchte Geräte zu bevorzugen, vorhandene Geräte möglichst lange nutzen und im Schadensfall wenn möglich eine Reparatur durchführen. Seriöse Umweltzeichen wie der „Blaue Engel“ bieten eine Möglichkeit ohne größere Vorkenntnisse vergleichsweise umweltschonende Geräte auszuwählen. Auch Produktbewertungen neutraler Prüforganisationen (z.B. Stiftung Warentest, Öko-Test, Ifixit) stellen eine Möglichkeit zur Meinungsbildung dar.
Besser Teillösungen umsetzen als gar nichts
Einige Positivbeispiele zeigen, dass nachhaltige Geschäftsmodelle bereits jetzt möglich sind. Dazu gehört auch die Idee von Fairphone. Die gemeinnützige Organisation Waag Society in Amsterdam rief 2010 auf Initiative ihres damaligen geschäftsführenden Vorstands Bas van Abel Fairphone als Kampagne ins Leben. 2013 gründete er mit Unterstützung der Waag Society Fairphone als soziales Unternehmen. Ziel war es, ein Smartphone aus konfliktfreien Materialien unter fairen Arbeitsbedingungen herzustellen. Via Crowdfunding wurden 5000 Menschen gesucht, die das Gerät für 325 Euro kaufen wollten. Schließlich wurden es 25.000. Ende 2018 sammelte Fairphone sieben Millionen Euro Kapital ein und erhielt Kredite in Höhe von 13 Millionen Euro.
Die erste Auslieferung erfolgte von Dezember 2013 bis Januar 2014. Das erste Fairphone zielte darauf ab, die Wirtschaft von innen zu verändern und Verbraucher auf die durch die Gewinnung von Elektromaterialien finanzierten Kriege im Kongo aufmerksam zu machen. Auch wenn es damals viel Verbesserungspotenzial und Kritik gab (z.B. für ein wirklich faires Gerät müsse man die ganze Welt verändern), so lieferte Fairphone zumindest wichtige Denkanstöße: „Anstatt die Idee überhaupt nicht umzusetzen“, wurden und werden Teillösungen gesucht, „bis eine bessere Alternative vorhanden ist“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Thorsten Reiter.
Die Fairphone B.V. ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach niederländischem Recht mit eingetragenem Sitz in Amsterdam, die sich dafür einsetzt, dass so viele Bauteile wie möglich aus fair gehandelten Rohstoffen und dem Recycling (Urban Mining) gewonnen werden. Darüber hinaus wird versucht, konfliktfreie Materialien zu beziehen, deren Kauf keine Bürgerkriege finanziert. Es ist keine Lobby-Organisation und keine NGO, was der Gesellschaft in der EU Stärke verschafft, aber anderen gegenüber auch schwach macht. So war es beispielsweise in Indonesien schwer, weil sie von NGOs (als Hersteller eines kommerziellen Produkts) und Unternehmen mit Skepsis betrachtet wurde.
Fairphone achtet nicht nur auf umweltfreundliche Materialien bei der Produktion, sondern unterstützt auch soziale Projekte (z. B. ein Recycling-Projekt in Ghana) und setzt sich für faire Arbeitsbedingungen ein. Auch Apple gibt seinen Zulieferern klare Regeln vor, doch entsprechen sie „nicht mehr als internationalen Mindeststandards“ (Frank Wiebe). Im Mai 2011 berichtete „Spiegel Online“ über zahlreiche Selbstmorde in der in Taiwan gegründeten Firma Foxconn, die viele Fabriken auf dem chinesischen Festland unterhält. Hier werden nicht nur iPods zusammengeschraubt, sondern es wird auch im Auftrag anderer großer Elektronikfirmen produziert. Die Medien berichteten von unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Überstunden weit über dem gesetzlichen Limit.
Eva Gouwens, seit September 2017 Managing Director bei Fairphone, verweist in einem Interview mit dem wirtschaftsmagazin brand eins darauf, dass der Bau eines Smartphones viele Zulieferer braucht, die wiederum Zulieferer haben – eine hochkomplexe und teilweise unüberschaubare Lieferkette. Eine faire Smartphone-Produktion aufzubauen ist deshalb eine anspruchsvolle Aufgabe, die sehr lange dauert. Die Kunden müssen erkennen, was Ziel und was Realität ist. So musste die Ersatzteilproduktion für das Fairphone 1 gestoppt werden – es war der „härteste Moment“ der Firmengeschichte. Der Zulieferer entschied plötzlich, die Teile nicht mehr herzustellen. Für ein schnelles Re-Design, mit dem die alten Komponenten hätten ausgetauscht werden können, fehlte das Geld. Heute hilft das Unternehmen bei Reparaturen und bietet ein Onlineforum an, wo ausrangierte Modelle zum Ausschlachten getauscht werden können. Mithilfe der neuen Finanzierung kann ein größerer Vorrat an Ersatzteilen gekauft werden, denn deren Verfügbarkeit ist der Schlüssel, um die Smartphones länger zu nutzen.
Vom ersten zum zweiten Fairphone, das im November 2015 auf den Markt kam, gab es zahlreiche Verbesserungen. Dennoch war das Fairphone 2 nicht perfekt. Allerdings gibt es derzeit auch nichts, „was besser wäre“, sagte damals Johanna Sydow, Referentin für Ressourcenpolitik und IT-Branche bei germanwatch.org. Die Kunden sind nicht enttäuscht, weil sie wissen, was sie kaufen. Die Nachhaltigkeitsexpertin Claudia Silber verweist darauf, dass der ökologische Versandhändler, bei dem sie als Leiterin der Unternehmenskommunikation arbeitet, durchaus auch kleine technische Defizite dafür in Kauf nimmt, dass er ein nachhaltiges und fair produziertes Smartphone erhält.
Die beiden Fairphone-Modelle wurden 150.000 mail verkauft. Nun wurde das „Fairphoine 3“ vorgestellt. Auch hier sind konfliktfrei gehandeltes Zinn und Wolfram, Kunststoff, recyceltes Kupfer und Fairtrade-Gold verbaut. Die Nutzer können es selbst warten und reparieren. Das ist auch beim Shiftphone dank Steckverbindungen möglich. Das Unternehmen aus dem hessischen Falkenberg ist ebenfalls ein Nischenanbieter, der auf die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit seines Produktes setzt.
Diese Ansätze tragen dazu bei, Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Prozesse breiten Bevölkerungsschichten näherzubringen. Denn alles ist transparent und (be)greifbar - im Gegensatz zum Ansatz einiger Unternehmen, die noch immer auf die Devise setzen: „Je weniger der Kunde weiß, desto besser.“ Hier hat der Murks dann meistens Methode, weil Produkte absichtlich mit Sollbruchstellen so konstruiert werden, dass ihre Lebensdauer auf einen kurzen Erstnutzerzyklus reduziert ist.
Weiterführende Informationen:
„Alle sollen sehen: Es geht“. Interview mit Eva Gouwens. In: brand eins 2 (2019), S. 98-99.
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2017.
Mirjam Hauck: Kaputt ist nicht das Ende. In: Süddeutsche Zeitung (29.8.2019), S. 16.
Thorsten Reiter: Revolution dank Innovation. Mit Corporate Entrepreneurship zurück an die Spitze! Campus Verlag GmbH, Frankfurt a. M. 2016.
Felix Sühlmann-Faul, Stephan Rammler (Hrsg.): Der blinde Fleck der Digitalisierung. Wie sich Nachhaltigkeit und digitale Transformation in Einklang bringen lassen. Oekom Verlag, München 2018.
Frank Wiebe: Wie fair sind Apple & Co. Orell Füssli Verlag, Zürich 2013.