Anne M. Schüller

Anne M. Schüller

für Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Customer Experience: Schluss mit der Silodenke! Wie man sich crossfunktional organisiert

(shutterstock)

Während sich draußen alles vernetzt, agieren klassische Organisationen noch immer in „Silos“. Aufgaben werden entlang von internen Berichtslinien organisiert. Zukunftsunternehmen hingegen strukturieren sich entlang der Kundenaufgaben. Aus Kundensicht müssen Prozesse crossfunktional funktionieren und sich reibungslos miteinander verzahnen.

Die meisten Probleme, die Kunden bekommen, haben mit der längst überholten Silodenke zu tun. Hierdurch entstehen Kommunikations- und Koordinationsprobleme: Informationen fließen nicht, Abstimmungsprozesse finden nicht statt, Missverständnisse entstehen. Zudem kommen zwischenmenschliche Konflikte ins Spiel: Kompetenzgerangel, Animositäten, Egoismen, Eitelkeiten, Antipathien. Alles auf dem Rücken des Kunden.

Der wird von A nach B geschickt, muss sein Anliegen immer wieder neu erklären und ist in einem Wust aus Verfahrensvorgaben und Nichtzuständigkeiten gefangen. Noch schlimmer als ein lustloser ist aus Kundensicht aber ein machtloser Ansprechpartner. So scheitern ambitionierte Verkäufer oft gar nicht am Kunden, sondern an den internen Strukturen.

Jede Aufgaben-Fragmentierung ist aus Kundensicht katastrophal: Vieles wird doppelt, manches gar nicht und das meiste in unterschiedlicher Qualität produziert. Wenn es aber irgendwo stockt oder ein Mitarbeiter was verbockt, kann das sofort das Aus bedeuten. Schon ein einziges schlechtes Ereignis kann alle vorherigen guten Erfahrungen komplett zunichtemachen.

Der Kundenadvokat und seine Kernaufgaben

Der Ausweg aus diesem unkoordinierten Dilemma? Es braucht einen Vertreter der Kundeninteressen, der entlang der Customer Journey die jeweils involvierten Bereiche und Prozessketten miteinander verknüpft. Er ist das Bindeglied zwischen drinnen und draußen. Als Koordinator bringt er die Kundenerlebnisse an den einzelnen Touchpoints zu einem perfekten Zusammenspiel.

Er verbindet Fachbereiche und Einzelprojekte miteinander, damit für die Kunden alles reibungslos klappt. Mancherorts spricht man dabei vom Customer Experience Manager oder vom Customer Journey Manager. Ich nenne dieses Bindeglied, diesen Brückenbauer, diesen Kundenadvokaten im Unternehmen den Customer Touchpoint Manager.

Seine Kernaufgabe ist es, an den externen Touchpoints des Unternehmens, also den Berührungspunkten zwischen Produkten, Services, Lösungen, Marken, Mitarbeitern, Plattformen und Kunden, eine hundertprozentige Kundenfokussierung zu erreichen. Seine Rolle ist crossfunktional. Sie hat sowohl strategische als auch operative Komponenten. Sein Ziel ist die Transformation des gesamten Unternehmens hin zu einer vernetzen, kundenzentrierten Organisation.

In alle Business Units hinein wird er als Stimme des Kunden Vorschläge machen und wichtige Impulse setzen, um die Leistungen des Unternehmens laufend zu optimieren und an die sich ständig wandelnden Anforderungen der Kunden anzupassen. Zu diesem Zweck entwickelt er einen Methodenbaukasten und implementiert passende Instrumente.

Als neutrale dritte Person und ohne jedes Abteilungsinteresse wird er chronologisch erkunden, wie die Kunden tatsächlich kaufen – und wie nicht. Eingehend wird er die „Moments that matter“, also die aus Kundensicht besonderen Momente über- oder unterdurchschnittlicher Kundenzufriedenheit sondieren. Dabei nimmt auch er diejenigen Touchpoints detailliert ins Visier, bei denen es um gewonnene oder verlorene Aufträge geht.

Mithilfe geeigneterer Befragungsmethoden als die der klassischen Marktforschung gelangt er an die wahren Gründe für das Kommen und Gehen der Kunden heran. So ist der scheinbare Hauptgrund für einen Kundenverlust fast immer der Preis. Eine Tiefenanalyse der kritischen Ereignisse jedoch offenbart: Mängel in der Ablauforganisation spielen bei Kundenabwanderungen oft eine erhebliche Rolle.

Kunden-Interessenvertreter über Abteilungsgrenzen hinweg

Ein Customer Touchpoint Manager soll in Sachen Kunde der erste und oberste Anlaufpunkt sein. Er ist quasi der Reisebegleiter auf der "Reise" des Kunden durch die Unternehmenslandschaft. Er kümmert sich darum, dass an den einzelnen Haltepunkten alles wie aus einem Guss funktioniert und der Kunde ein rundum gutes Wohlgefühl hat. Seine wichtigsten Fragen:

  • „Wie sieht das aus Kundensicht aus?“
  • „Was würden die Kunden dazu sagen?“
  • „Haben wir die Kunden dazu befragt?“

Er nimmt immer die Kundensicht ein, und das wird so akzeptiert, auch wenn es schon mal unbequem ist. Geht es um kundenbetreffende Entscheidungen, hat er das erste und das letzte Wort. Und er hat ein Vetorecht. Er setzt sich mit Herzblut für die Kunden ein, verteidigt ihre Interessen und koordiniert deren Belange.

Der ganze unkoordinierte kundenbezogene Wildwuchs, der sich im Unternehmen breitgemacht hat, muss von einer neutralen internen Person – bloß nicht von externen Beratern – komplett gesichtet und dann gemeinsam beseitigt werden. Auch das Kreieren von Personas und das Konzipieren von Customer Journeys beziehungsweise Buyer Journeys wird am besten über den Touchpoint Manager initiiert und moderiert.

Zum Start ist ein erstes aussichtsreiches Pilotprojekt überaus hilfreich. Dessen Erfolg sollte als Geschichte erzählt und als Video dokumentiert bis in die letzte Ecke des Unternehmens getragen werden. Erfahrungsgemäß inspiriert dies weitere Bereiche und ihre Verantwortlichen, die notwendigen Themen nun auch gezielt anzupacken.

Stellung und Profil eines Customer Touchpoint-Managers

Der Touchpoint-Manager ist Generalist. Er verbindet eine ausgereifte Persönlichkeit mit hohem Erfahrungswissen. Gleichzeitig ist er verbindlich und empathisch, aber auch analytisch und strukturierend. Schon allein deshalb ist dies keine „Junior“-Stelle. Der Stelleninhaber sollte vielmehr interdisziplinär arbeiten können und sich sowohl im Kundenbeziehungsmanagement als auch in Digitalisierungsdingen gut auskennen.

Keinesfalls darf er ein Machtmensch sei, der seine persönlichen Ansichten unbedingt durchboxen will. Nach innen ist er Moderator, Netzwerker, Kommunikator und Diplomat. Und manchmal ist er auch Mediator, der Konflikte entschärft und für alle gangbare Trittsteine legt. Er braucht Biss, Mut und Durchhaltevermögen, um nicht nur neue, sondern auch unbequeme Wege gehen zu können. Er muss leidenschaftlich vom Nutzen seiner Funktion überzeugt sein, um überzeugen zu können.

Da jede Abteilung unabhängig von ihrer Kernaufgabe direkt oder indirekt auch mit Kundenthemen zu tun hat, arbeitet ein Customer Touchpoint Manager mit allen Bereichen gleichberechtigt zusammen. Hierzu muss er zunächst das mittlere Management für das Bewältigen seiner Aufgabe gewinnen. Denn wenn dieses aus welchen Gründen auch immer blockiert, laufen selbst die notwendigsten Maßnahmen ins Leere.

Interdisziplinär agiert er unmittelbar mit all den Kollegen, die das „Ohr“ nah am Kunden haben. So können speziell die vielen kleinen Unzulänglichkeiten, die fast überall existieren, unkompliziert und schnell aus der Welt geschafft werden. Weil die Mitarbeiter gehört werden und als Ideenbringer direkt mitwirken können, steigen unternehmensweit sowohl Sensibilität als auch Engagement für das Kundenwohl.

Insgesamt benötigt ein Customer Touchpoint Manager die absolute Rückendeckung der Geschäftsleitung, da sein Weg holprig ist und er sich nicht immer nur Freunde macht. Wer als Interessenvertreter des Kunden agiert, deckt zwangsläufig Missstände auf. In Bezug auf die Daueroptimierung der Kundenzentrierung ist er der wichtigste Vertraute der obersten Führungsebene und sichert unverfälscht deren Zugang zum Markt.

(Die nächste Ausbildung zertifizierter Customer Touchpoint Manager findet vom 30. 8. – 1. 9. in München statt. Sie richtet sich vor allem an ambitionierte Mitarbeiter aus den Bereichen Marketing und Kundenservice, die im Kontext unserer neuen Businesswelt und mithilfe dieser Zusatzqualifikation die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Arbeitgeber sichern wollen. Zu weiteren Informationen und zur Anmeldung geht’s hier.)

Wer schreibt hier?

Anne M. Schüller
Anne M. Schüller

Keynote Speaker, Business Coach, Anne Schüller Management Consulting

für Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft.
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