Das berühmte und romantisch verbrämte «Ja ich will» hat ausgedient!
Aktuell wird wieder einmal politisch und gesellschaftlich die Forderung von «mehr Frauen in Führungspositionen» in den Fokus gerückt. Gleichzeitig fragen wir uns erneut, warum trotz der Erkenntnis, dass gemischte Teams erfolgreicher sind, sich auf den oberen Führungsebenen nicht wirklich eine merkbare Veränderung abzeichnet.
Neben den gängigen Themen wie Lohngleichheit oder familienfreundliche Arbeitszeiten gibt es aber noch einen anderen Aspekt, der meines Erachtens grossen Einfluss hat, hingegen nicht oder nur wenig diskutiert wird.
«Ja ich will» – diese Aussage wird in unserer Gesellschaft damit verbunden, dass die Frau «Ja» sagt zu einer Form der Partnerschaft, die in unseren Köpfen noch mit der traditionellen Form des Zusammenlebens verbunden wird. «Ja ich will» bedeutet: der Mann hat gefragt, und die Frau wird nun «seine» Frau. Dass es auch anders herum ablaufen kann, ist nicht in unseren Köpfen präsent; kaum ein Mann wird danach gefragt, ob seine Frau ihm die Frage zum Schritt in die gemeinsame Zukunft gestellt hat.
Inzwischen hat die Ehe ihre Funktion auf lebenslange finanzielle Absicherung eingebüsst. Wir kennen die Scheidungsraten und wissen, dass die Ehe ist kein Garant mehr für Frauen ist, dass sie im Alter versorgt sind.
Trotzdem hält sich noch immer das Klischee vom «schönsten Tag einer Frau», wenn sie die Ehe eingeht, sei es auf dem Standesamt oder in der Kirche. Selbst junge eigenständige Berufsfrauen wünschen sich nichts mehr, als am «schönsten Tag» ihres Lebens eine Prinzessin in Tüll und Spitze zu sein und von allen bestaunt zu werden. Besonders in Verbindung mit der kirchlichen Trauung wird die Realität des Lebens gerne verdrängt und man meint, aktuelle Statistiken beträfen alle anderen, nur nicht einen selbst.
Diese emotional starke Empfindung – von «ich werde seine Frau» und «wir sind durch die Trauung vor Gott und Gesetz ein Leben lang miteinander verbunden» – verhindert, dass junge Frauen ihre beruflichen Wünsche und Vorstellungen von Weiterbildungen thematisieren.
Und dies bereits vor dem Ja-Wort! Nach der Eheschliessung ist es oft zu spät, denn auch Männer sind noch in der traditionellen gesellschaftlichen Rolle verhaftet und glauben, die Verantwortung als Ernährer einnehmen zu müssen. Die Prinzessin vor dem Traualtar unterstützt ihn in diesem Gefühl der ritterlichen Pflicht.
Führen bedeutet in erster Linie: sich selbst führen zu können, eigene Ziele und Wünsche zu formulieren und auf deren Erreichung hin zu arbeiten. Wenn eine Frau ihre eigenen Ziele immer unterordnet, um dem gesellschaftlichen Bild einer guten Ehefrau und Mutter zu entsprechen, kann sie sich nicht wirklich auf eine zukünftige Führungsposition fokussieren.
Deshalb wird es Zeit, dass das «Ja ich will» für Frauen eine andere Bedeutung bekommt.
Zuerst muss das «Ja» zur eigenen Zukunft laut ausgesprochen werden, unabhängig von einer eventuellen Partnerschaft. Wenn ich weiss, was ich von meinem Leben erwarte, kommuniziere ich das auch frühzeitig und kann entsprechend besser die Entscheidung treffen, ob die Person, der gegenüber ich vor dem Standesamt oder in der Kirche Ja sagen soll, die richtige ist.
Wir leben in einer Zeit, in der die verschiedensten Familienmodelle akzeptiert werden. Oft wird das aber erst nach einer gescheiterten Beziehung in einer zweiten Partnerschaft für sich selber erkannt. Dann ist die Chance für eine eigne Karriere bei vielen Frauen in der Regel bereits vertan.
Sagen Sie unbedingt «Ja ich will» – aber zu allererst zu Ihrem Traumjob und zu Ihrem Lebensmodell. Sagen Sie nicht «Ja ich will» zu einem vermeintlichen Ernährer, wie es früher der Fall war, denn es gibt ihn so nicht mehr.
Es wird Zeit, dass ein Fest mit Prinzessinnenkleid gefeiert werden kann, ohne die eigenen Träume in den Hintergrund zu stellen. Feiern Sie, wie es Ihrem Geschmack entspricht – eine Gala-Party mit Abendkleid, eine Strandparty im romantischen Spitzenkleid –, aber feiern Sie keine Trauung, die Sie ein Leben lang abhängig macht.
Wenn der Akt der Eheschliessung generell für Sie eine tiefe Bedeutung hat, ist er auch heute noch gerechtfertigt. Je weniger Sie sich dafür aufgeben, umso wertvoller ist dieser Schritt.
Ihre Petra Rohner