Das ist der Nachteil eines erfolgreichen Chefs
Menschen mit einer besonders guten Chefin oder einem ausgezeichneten Chef haben ein Problem: Je erfolgreicher die Führungskraft ist, unter der man selbst Karriere gemacht hat, desto schwerer ist es, seinen eigenen Führungsstil zu entwickeln. Klar, wenn wir sehen, wie diejenige oder derjenige Verhandlungen meistert, Menschen motiviert, Ergebnisse durchsetzt und auch noch beliebt ist, glauben wir: Genau so müssen wir auch führen. Aber stimmt das? Vielleicht klingt es für Sie auch nach einem Luxusproblem, aber einen eigenen Führungsstil zu entwickeln ist wichtig, denn wie zahlreiche Untersuchungen belegen, suchen Mitarbeiter vor allem nach einer verlässlichen Führung.
Daher gehört die Arbeit am Führungsstil auch zu den – in meinen Augen – 24 wichtigsten Führungsthemen. Und mit dieser Ansicht bin ich offensichtlich nicht alleine. Mein Buch „Herausforderungen im Führungsalltag“ wurde gerade in Kooperation mit brand eins mit dem Publikumspreis des getAbstract International Book Awards 2021 ausgezeichnet, worüber ich mich unglaublich freue. In der Laudatio heißt es, ich stelle „den Dienst am Leser in den Vordergrund“, daher möchte ich auch hier noch einmal meine Erfahrungen zum Thema Führungsstil teilen.
Ein eigener Führungsstil schafft Beständigkeit und Vertrauen
Unter Führungsstil fasse ich die Art und Weise zusammen, wie eine Führungskraft ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Ergebnissen führt. Also wie sie informiert, instruiert, plant, entscheidet, kontrolliert und motiviert. Einen eigenen Führungsstil zu finden verlangt mehr als das Kopieren erfolgreicher Strategien des Vorgesetzten, den Besuch von Führungstrainings und den Einsatz der dort erlernten Instrumente. Es bedeutet auch, eine eigene Position und Meinung, eine eigene Überzeugung zu haben. Es geht also um einen Führungsstil, der auf der eigenen Persönlichkeit gründet. Und so sehr wir oft die Durchsetzungskraft bei jemand anderem bewundern, so häufig haben wir eine ganz andere Herangehensweise, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen.
So erging es zum Beispiel der Abteilungsleiterin in einem Softwareunternehmen. Sie hatte einen Vorgesetzten, der selbst Informatiker und damit fachlich unschlagbar gut war; er führte autoritär und war mit seinem Führungsstil erfolgreich. Die Abteilungsleiterin hatte seit 20 Jahren mit diesem Chef zusammengearbeitet und mit ihm Karriere gemacht, sprich: Er hatte sie bei seinen Stellenwechseln immer mitgenommen.
Wenn das Vorbild zur Falle wird
Etwas unvermittelt erhielt sie dann eine Führungsposition in einem anderen Unternehmensbereich, sodass der Kontakt zu ihrem langjährigen Chef verloren ging. Nunmehr auf sich allein gestellt tat sie sich sehr schwer. In Gedanken sah sie ihren früheren Chef vor sich, verfügte aber selbst weder über dessen fachliche Kompetenz noch dessen Ausstrahlung. Anders als ihm fiel es ihr auch ungemein schwer, Anweisungen zu geben. Kurzum: Sie hatte das Gefühl, ihrer Führungsaufgabe nicht gewachsen zu sein. Obwohl sie sich darum bemühte, bekam sie von ihrem neuen Chef kein Feedback.
Sie war der Meinung, dass der alte Chef, der ja so fachkompetent war, genau deshalb erfolgreich war. Da sie selbst nicht über diese Fachkompetenz verfügte, glaubte sie – in ihrer Logik – dass sie gar nicht erfolgreich sein könne. In dieser Situation suchte sie Hilfe bei einem externen Coach. Meine Klientin wollte – wie sie es bei ihrem Chef gesehen hatte – autoritär führen, obwohl dieser Stil ihrem Wesen nicht entsprach. Die Folge davon war, dass die Mitarbeiter verunsichert waren und Klarheit einforderten. „Wollen Sie denn wirklich so führen wie ihr früherer Chef?“, fragte ich sie deshalb – und es dauerte eine Weile, bis sie feststellte: „Eigentlich nicht, denn ich sehe meine Rolle als Führungskraft anders. Das Know-how liegt bei den Mitarbeitern und nicht bei mir. Ich sehe meine Rolle eher als Moderatorin, die die Intelligenz der Mitarbeiter wie in einem Orchester dirigiert.“ Mit dieser Erkenntnis änderte meine Klientin erstmals die Perspektive: weg vom großen Vorbild, hin zu sich selbst.
Die eigenen Stärken beim Führen einsetzen
Nun endlich erkannte sie, dass es darauf ankam, einen eigenen Führungsstil zu finden. „Was haben Sie denn für ein Führungsverständnis?“, fragte ich sie. „Welche Rolle möchten Sie beim Führen übernehmen? Wie möchten Sie gesehen werden? Was wünschen sich wohl Ihre Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzten von Ihnen als Führungskraft?“ Es fiel ihr gar nicht schwer, ihre Vorstellungen zu beschreiben. Schnell war klar, dass sie nicht per Anweisung führen wollte, sondern gern im Team entscheidet – und dass sie die Mitarbeiter mit ihren Stärken gern zusammenführen und gemeinsam mit ihnen die Ergebnisse erzielen möchte.
Seit sich die Abteilungsleiterin traut, zu ihrem eigenen Führungsstil zu stehen (und damit auch ihre Stärken zur Geltung bringt), ist sie erfolgreich. Da sie selbst keine IT-Expertin ist, achtet sie darauf, dass Entscheidungen vom gesamten Team getragen werden. Mit ihrem Führungsstil, die Mitarbeiter einzubeziehen, sichert sie damit zugleich die Qualität ihrer Ergebnisse. Dies hat ihr bald auch den Respekt ihres Vorgesetzten eingebracht, der sehr fachkompetent und erfahren ist, selbst aber einen ganz anderen, sehr autoritären Führungsstil praktiziert. Nur einmal angenommen: Würde dieser Chef plötzlich den Führungsstil der Abteilungsleiterin übernehmen – seine Mitarbeiter würden vermutlich grinsen und ihn für verrückt erklären. Bei der Abteilungsleiterin hingegen wird dieser Stil ernst genommen, weil er ihr entspricht.
Persönlichkeit und Führungsstil müssen zusammenpassen
Die meisten Führungskräfte, die mit dem Problem des richtigen Führungsstils kämpfen, haben einen Vorgesetzten, der komplett anders führt, als sie selbst es tun würden. Sie haben das Gefühl, es wäre falsch, nun ebenso zu führen. Diese Erkenntnis weist bereits den Weg zum eigenen Führungsstil. Nun kommt es darauf an, von den eigenen Stärken auszugehen und sich dann zu fragen:
- Wie sehe ich meine Rolle als Führungskraft? Wie möchte ich meine Mitarbeiter zum Erfolg führen?
- Wie gehe ich bislang vor? Was funktioniert gut? Was weniger gut? Welche Beispiele gibt es, bei denen ich erfolgreich geführt habe?
Wer noch mehr zum Thema Führungsstil wissen möchte, kann sich jetzt – zur Feier des Buchpreises – das gesamte sechste Kapitel dazu aus meinem Buch „Herausforderungen im Führungsalltag“ herunterladen:
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