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Das Praktikum als Entscheidungshilfe bei der späteren Berufswahl

Ohne anpackende Menschen, die klug und pragmatisch die Welt gestalten, kann sich eine Gesellschaft nicht nachhaltig entwickeln und innovativ sein. Ihr Handeln ist eine wesentliche Voraussetzung und Prüfstein, Neues zu entdecken und für Zusammenhänge, Wirkungen und Konsequenzen sensibilisiert zu werden. Deshalb wird es künftig darauf ankommen, die Macherqualitäten zu stärken, bisherige Denkmodelle zu ändern und die Trennung zwischen Theorie und Praxis aufzuheben. Das gelingt allerdings nur, wenn das Praktikum heute einen anderen Stellenwert erhält.

Häufig fühlen sich junge Menschen nicht wertgeschätzt und ausgenutzt.

Der Generation Y wird häufig vorgeworfen, dass sie Ansprüche stellt, ohne etwas leisten zu wollen, dass sie in ihren Erwartungshaltungen zu naiv ist („Null-Bock-Generation“). Anfang der 2000er-Jahre erfanden Journalisten dann den Begriff „Generation Praktikum“. Trotz bester Zertifikate muss sie sich oft für wenig oder kein Geld verdingen, um irgendwann einmal ein entsprechendes Angebot zu erhalten. Dass es auch anders geht, zeigen die folgenden Beispiele:

Hannah Schmitt wählte für ein zweiwöchiges Praktikum einen der größten regionalen Personaldienstleister in Franken aus: die NEUMÜLLER Unternehmensgruppe, zu der unter anderem die NEUMÜLLER Ingenieurbüro GmbH und die NEUMÜLLER Personalberatung Regina Neumüller e.K. gehören. Das inhabergeführtes Familienunternehmen auf die Rekrutierung von Fachkräften für Unternehmen unterstützt seit mehr als 16 Jahren Großkunden aus der Industrie, aber auch mittelständische Firmen. Aktuell sind hier rund 300 Mitarbeiter beschäftigt – davon etwa 200 Ingenieure und Naturwissenschaftler.

Zum Unternehmen gekommen ist sie durch ihren Vater, der hier selbst vor einigen Jahren gearbeitet hat: „Da ich nicht wusste, welchen Beruf ich später ausüben möchte, habe ich mich um einen Praktikumsplatz beworben“, schreibt sie im Unternehmensblog. Zu ihren Aufgaben gehörte beispielsweise die Beschäftigung mit neu eingelaufenen Bewerbungen (Sortierung in verschiedene Kategorien). Sie lernte dabei, worauf zu achten ist bei der Sichtung von Bewerbungen und wie ein Arbeitsvertrag aufgebaut sein muss. Besonders interessant war für sie auch, zu einer Stellenanzeige potenzielle Bewerber zu suchen und Profile zu erstellen. Außerdem hatte sie die Gelegenheit, bei einem Telefoninterview von einem der Bewerber, die den sie herausgesucht hatte, zuzuhören. In der Buchhaltung wurden ihr der Arbeitsvertrag und die Arbeitnehmerüberlassung nähergebracht. Außerdem lernte sie den Arbeitsalltag eines Consultants kennen und erhielt Einblick in den Bereich Marketing.

Für Geschäftsführer Werner Neumüller ist es selbstverständlich, dass auch den Praktikanten von Anfang an viel Verantwortung übertragen wird.

Denn es kommt auf die Einstellung an, und für die ist jeder selbst verantwortlich. Dabei denkt er auch an seinen eigenen Karriereweg zurück: Nach Schule, Berufsausbildung und Fachabitur studierte er Maschinenbau an der Fachhochschule Regensburg. Studienbegleitend war er Werkstudent bei der Siemens AG und machte ein Auslandspraktikum in Hong Kong bei der Mannesmann AG, das für ihn prägend war. Nach einer ersten Anstellung bei der Jungheinrich AG Hamburg wechselte er nach fünf Jahren zur Herberg Ingenieurbüro GmbH in die Personaldienstleistung. Nach weiteren fünf Jahren erfolgte die Gründung der ersten Unternehmungen der heutigen Neumüller-Gruppe in Nürnberg.

Ann-Sophie Czech, Jahrgang 1993, erhielt eine Praktikumsstelle in Asien bei der Otto Group in Hong Kong. Hier konnte sie sich nicht nur über ihre Ziele klar werden, sondern auch einen Weg ausarbeiten, wie sie diese erreichen wollte. „Fasziniert von den leuchtenden Werbereklamen und dem Stellenwert der digitalen Kommunikation in Asien, erkannte ich die Wirkungskraft gezielt platzierter Botschaften und entschied mich dazu, PR- und Kommunikationsmanagement zu studieren. Noch heute verspüre ich zu Hong Kong eine enge Verbundenheit, da ich innerlich das Gefühl habe, dass meine Bestimmung genau an diesem Ort seinen Lauf genommen hat.“

In Hong Kong hatte sie das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, „eine tragende Rolle in der Gesellschaft spielen zu können, mit angeeignetem Wissen in der Zukunft vielleicht sogar Veränderungen bewirken zu können – kurz gesagt erwachsen zu werden.“ Angetrieben durch ihr halbjähriges Praktikum bei der Otto Group in Hong Kong begann sie ihr Studium an der Macromedia München im Fach PR & Kommunikationsmanagement. Nach einem knappen Jahr als Social Media Managerin in einem Münchner Start-up ergänzte sie ihr Studium mit einem Master im Fach Marketing an der University of St Andrews in Schottland. Nach erfolgreich abgeschlossenem Masterstudium arbeitet sie seit Frühling 2019 als Junior Consultant unter anderem mit Schwerpunkt CSR für verschiedene Consumer-Kunden in der PR-Agentur MSL Group, die Teil der Publicis Gruppe ist, in Frankfurt.

Als Entscheidungshilfe bei der späteren Berufswahl soll auch das Schüler-Praktikum bei der Mader GmbH & Co. KG mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart dienen.

Mit aktuell 80 Mitarbeitern gehört Mader zu den erfolgreichen mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg. Deutschlandweit deckt es mit seinem Leistungsspektrum die gesamte „Druckluftstrecke“ ab - von der Erzeugung der Druckluft im Kompressor über deren Aufbereitung und Verteilung bis zur Druckluftanwendung. Praktika können hier auch als Vorbereitung für eine anschließende Ausbildung als Fachlagerist oder Fachkraft für Lagerlogistik genutzt werden. Im Fachbereich Logistik haben interessierte Schüler die Möglichkeit, innerhalb eines einwöchigen Praktikums erste Erfahrungen im Berufsleben zu sammeln. Im Zuge eines BOGY-Praktikums lernen die Praktikanten den Tagesablauf und alle Aufgaben der Logistik-Mitarbeiter kennen. Das Auswahlverfahren beginnt ein Jahr vor Ausbildungsstart. Die Bewerber müssen sich vorab einem kleinen Test sowie einem Vorstellungsgespräch mit der Ausbildungsleitung stellen. Viele nutzen die Möglichkeit, in einem kurzen Praktikum das Unternehmen kennenzulernen.

Neben Lebenslauf und Schulzeugnissen legen Unternehmen heute – neben der charakterlichen Eignung - immer mehr Wert auf Praktikumsnachweise und Zertifikate. Je mehr sie über den Bewerber und seine Fähigkeiten erfahren, umso kompetenter und fairer können seine Unterlagen bewertet werden.

Weiterführende Informationen:

Talentmanagement: Wie mittelständische Unternehmen junge Menschen an sich binden

Ulrike Böhm: Die Macht der kleinen Schritte. Wie man als mittelständisches Unternehmen zum Klimaretter wird. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlicheit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Springer Gabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020, S. 145-155.

Stefanie Kästle und Werner Landhäußer: Druckluft 4.0 goes green: Herausforderungen, Chancen und innovative Lösungen am Beispiel der Mader GmbH & Co. KG. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg 2020.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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