Das Verschwinden der Bienen: Wie sich Unternehmen und Organisationen gegen das Artensterben einsetzen
„Wenn irgendwann die ganze Menschheit verschwinden sollte, würde sich die Natur regenerieren und wieder in jenen artenreichen Balancezustand gelangen, der noch vor 10 000 Jahren existierte. Würden jedoch die Insekten verschwinden, würde die Natur ins Chaos versinken.“ E. O. Wilson
Blühendes Engagement
Der Zustand der Natur hat sich dramatisch verschlechtert. Das zeigt der Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES, der am 29. April 2919 in Paris vorgestellt wurde. Mehr als 400 Wissenschaftler haben darin detailliert zusammengefasst, wie es um die Natur steht. Ihr Anspruch ist mit dem des Weltklimarats IPCC vergleichbar - und ihr Warnruf ähnlich alarmierend: Bis zu einer Million Arten sind vom Aussterben bedroht, Ökosysteme gelten als zunehmend geschädigt. In den vergangenen 50 Jahren hat sich das Artensterben bis zu einem nie da gewesenen Ausmaß beschleunigt. „Es wird immer deutlicher, dass ohne ein schnelles Umsteuern der Mensch die Lebensgrundlage, die uns die Natur bietet, von dieser Welt verdrängt wird“, sagt Tobias Miltenberger, Geschäftsführer von proBiene - Freies Institut für ökologische Bienenforschung.
Im Frühjahr finden Insekten wie Bienen und Hummeln in Deutschland immer weniger Nahrung, und alle Indikatoren deuten darauf hin, dass die Zahl der Insekten stetig abnimmt. Wenn Bienen und Hummeln fehlen, bleiben nur die weniger effektiven Fliegen als Bestäuber übrig. Dann helfen sich die Pflanzen selbst und praktizieren zusätzlich verstärkt Selbstbestäubung. Langfristig kann dies negative Folgen haben („genetische Inzucht“): Im Laufe der Zeit sinkt dadurch die genetische Variabilität einer Pflanzenpopulation und die Pflanzen werden krankheitsanfälliger und weniger widerstandsfähig gegenüber Umweltveränderungen (Quelle: Universität Zürich).
Zu den Gründen ihres Sterbens gehören nicht nur „moderne" Pflanzen im Garten, die den Insekten nicht als Nahrung dienen, sondern vor allem der hohe Pestizideinsatz auf den Feldern. Wissenschaftliche Untersuchungen haben die massive Schädigung von Bienen durch zugelassene Mittel wie Neonikotinoide und Glyphosat bewiesen. Initiativen wie Slow Food fordern deshalb eine Umkehr auf dem Acker und einen Ausstieg aus der konventionellen Landwirtschaft. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Aurelia Stiftung fordern umfassende Maßnahmen zum Schutz bestäubender Insekten. Eine Studie des UN-Umweltbeobachtungszentrums (UN-EP-WCMC) ergab, dass die Arbeit der Bestäuber jährlich bis zu 577 Milliarden Euro wert ist. Drei Viertel der Nahrungspflanzen sind von der Bestäubung durch Insekten abhängig. In China müssen Bäume und Pflanzen häufig bereits von Hand bestäubt werden, und in wenigen Jahren könnte es auch Deutschland treffen, denn aktuelle Forschungsergebnisse belegen, dass auch hier der Bestand von Wildbienen und anderen Insekten drastisch gesunken ist. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, sterben sie nach Expertenschätzungen in weniger als zehn Jahren aus. Die Folge wäre eine ökologische Katastrophe.
Es braucht deshalb Sofortmaßnahmen, um den drastischen Rückgang von Wildbienen und anderen Insekten zu stoppen. Nur durch schnelles Handeln zum Schutz der Insekten wie Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt in der Kulturlandschaft (Verbesserung des Blütenangebots, ein Langzeit-Monitoring von Insekten) kann der Artbestand gerettet werden. Dies hat sich das Netzwerk Blühende Landschaft (NBL) schon seit 2003 zur Aufgabe gemacht. Gemeinsam mit engagierten Partnern hat das NBL Handlungsempfehlungen zusammengestellt, um Insekten im Garten, in der Landwirtschaft, im öffentlichen Grün wieder Nahrung und Lebensräume zur Verfügung zu stellen.
Da vieles beachtet werden muss, um eine monotone Grünfläche in einen vielfältigen Lebensraum für Insekten umzuwandeln, wurde 2016 das Projekt „BienenBlütenReich“ gestartet. 150 Projektpartner haben 2018 über 1.000.000m² Blühflächen in ganz Deutschland angelegt. Durch begleitende Öffentlichkeitsarbeit konnten bei Führungen im vergangenen Jahr über 9.000 Interessierte erreicht werden, die nützliche Hinweise zur Anlage eigener Blühflächen erhielten. Wer keine eigene Fläche zu Verfügung hat, kann mit einer Blühpatenschaft die Landschaft zum Blühen bringen. Dieses Projekt erhielt 2017 die Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt. Aber auch der Topfgärtner kann Abhilfe schaffen, indem er bienenfreudige Blumen im Topf und im Beet setzt. Durch die Auswahl einfach blühender Sorten kommen vor allem Bienen viel leichter an den Nektar und die Pollen.
Innerhalb des Projektes „Blumiger Landkreis Osnabrück“ wurden seit 2017 in ca. 4500 ehrenamtlichen Stunden bis zum jetzigen Zeitpunkt 120 Blühwiesen, oft gemeinsam mit Schulklassen, angelegt. Beteiligt haben sich in Kooperation mit der gUG Umweltschutz und Lebenshilfe aus Melle viele Schulklassen, Firmen, Vereine, unterschiedliche Kommunen, Landwirte und viele Privatpersonen. Auch diverse Jägerschaften haben im Landkreis wertvolle Biotope für Insekten geschaffen. Die BUND-Kreisgruppe Osnabrück gehört ebenso zu den Förderern von Blühwiesen im südlichen Landkreis wie die „Naturfreunde Glandorf e.V.“. In der bundesweiten Blühwiesenliga in welcher Deutschlandweit viele Gemeinden, Städte und Akteure ihre Blühflächen zur Planung einer gezielten Vernetzung eintragen, befinden sich mit Melle, Bissendorf und Dissen am Teutoburger Wald insgesamt drei Städte/Kommunen aus dem Landkreis Osnabrück in den „Top Ten“.
Um den Hof von Kathrin Rohn in Rödinghausen gibt es genug Grün- und Ackerflächen. An der Waghorster Straße hat Karsten Wachsmuth vom Projekt „Blumiger Landkreis Osnabrück“ auf etwa 700 Quadratmetern eine Blühwieseangelegt, die zu einer bunt blühenden Oase für Insekten werden soll. Bislang waren er und der Initiator Kai Behncke aus Melle vor allem im südlichen Landkreis Osnabrück und der Stadt Osnabrück aktiv. Sie haben ehrenamtlich dort schon 120 Wiesen – mit einer Größe von insgesamt 230.000 Quadratmetern – angelegt. Kathrin Rohn hatte auf Facebook gesehen, dass noch Flächen für neue Blühwiesen gesucht würden. Auch sie wollte etwas zum Insektenschutz tun und nahm Kontakt zu den Umweltschützern auf, die an einer Vernetzung der Blühwiesen arbeiten, denn Bienen haben nur einen sehr kleinen Flugradius. Je dichter die Blühwiesen aneinander liegen, desto besser kann die genetische Vielfalt sichergestellt werden. Deshalb soll auch die zweite Wiese in Rödinghausen angelegt werden. Karsten Wachsmuth bearbeitet dann zuerst den Boden. Dann kommt die Aussaat auf einer 175 Meter langen und vier Meter breiten Fläche. Finanziert wurde das Saatgut vom Unternehmen Häcker Küchen. Bereits in den letzten Jahren konnte das Unternehmen sein nachhaltiges Engagement an den wesentlichen Stellen weiter ausbauen und systematisieren. Der Firmenstandort selbst liegt ebenfalls im Grünen. So spielt auch bei der Integration der gesamten Anlage der Erhalt der biologischen Vielfalt eine wichtige Rolle. Drei verschiedene Wildblumenmischungen wurden mit Unterstützung des Unternehmens gesät, damit es bald möglichst bunt wird. Weitere Blühwiesen sind für 2019 in Planung.
Am 6. Mai 2019 fand in Venne ein Großaktionstag gegen das Insektensterben und für eine höhere Artenvielfalt statt. Im Rahmen des ehrenamtlichen Projektes „Blumiger Landkreis Osnabrück, Artenvielfalt steigern, Insektensterben stoppen“ beteiligten sich viele Akteure an der Anlage insektenfreundlicher Blühwiesen. Mitgestalter waren Häcker Küchen GmbH & Co. KG (Lars Breder von der Kommunikations- und Nachhaltigkeitsabteilung hat den Insektenschutztag in Venne begleitet), der Heimat- und Wanderverein Venne, der Golfclub Varus e.V., die Walburgis Kirchengemeinde Venne, die Grundschule Venne, die Gemeinde Ostercappeln, die gUG Umweltschutz und Lebenshilfe aus Melle (Projektinitiator) und verschiedenen Privatpersonen. In Venne werden an insgesamt sechs Standorten Blühwiesen, basierend auf regionalem Saatgut, angelegt. Ein weiteres Ziel ist die Schaffung eines Blühwiesenkorridors von Hagen a.T.W. bis zur „Blühwiesenhauptstadt“ Melle sowie von Melle bis nach Ostercappeln. Zudem werden im Rahmen des Projektes verschiedene Landwirte bei der Schaffung artenreicher Blühwiesen finanziell unterstützt.
#Beedabei: Wie sich jeder für die Rechte der Bienen einsetzen kann
Die akut bedrohte Welt der Insekten kann mit Einzelmaßnahmen nicht gerettet werden, aber kleine Schritte sind die Antwort auf das große Ganze. Die Idee des Künstlers Peter Kalb hilft nicht nur den Bienen, sondern verschönert zusätzlich die Stadt Nürnberg und vielleicht in den nächsten Jahren auch weitere Städte. Er regt an, gelbe Blumenkästen mit blühenden Pflanzen zu bestücken, die für Bienen lebensnotwendig sind. Sie produzieren viel Nektar und können die Bienen bis in den Spätherbst hinein versorgen.
227 gelbe Blumenkästen möchte er mit dem #Beedabei-Schild versehen und auf dem Hauptmarkt in Nürnberg aufstellen. Dabei sind die Blumenkästen so aufzustellen, dass sie den Archetyp „Aufrichten“ und die Europasterne darstellen. Nachdem es die ersten Fotos des Kunstprojektes gibt, löst es sich langsam auf. Durch Fotos und Filme dokumentiert er das Aufbauen und langsame Auflösen seines Projekts. Die Passanten werden gebeten, sich einen der Blumenkästen kostenlos mitzunehmen und ihn bei sich aufzustellen. Die einzige Bedingung ist, ein Foto nach dem Aufstellen an die Webseite von #Beedabei zu senden. Auf diese Weise entstehen punktuelle Futterplätze für die Bienen - und die Stadt setzt ein weiteres Zeichen für biologische Vielfalt. Von Mai bis Juni 2019 findet auf dem Hauptmarkt das Kunstprojekt seine erste Aufstellung. Einmal im Jahr gibt es dann eine #Beedabei-Aktion - und das Vorbild Nürnbergs kann heranwachsen zum Vorbild Europas. Das Gesamtprojekt endet voraussichtlich im Jahre 2025.
Nürnberg ist mit #Beedabei die erste Stadt, die den Bienen zusätzliche Futterplätze bietet und damit ein Vorreiter für die Bienenhilfe ist. „#Beedabei ist ein nachhaltiges Projekt, da es in jeder Stadt praktizierbar ist. Jeder kann helfen und sich für die Bienen einsetzen, in jeder Stadt, jedem Dorf, jedem Land. Je bekannter es wird, desto eher kann es sich fortsetzen“, so Peter Kalb.
Am 20. Mai 2019 - am Weltbienentag, der von den Vereinten Nationen ausgerufen und wird seit 2018 an diesem Tag gefeiert wird - ist der Beginn mit 227 gekennzeichneten gelben Blumenkästen mit Bienenfutterpflanzen auf dem Hauptmarkt in Form des Archetyps „Aufrichten“ und der zwölf Europasterne aufgebaut, „denn was Bienen zuerst aufrichtet, ist eine vernünftige Ernährung. Danach löst sich das Kunstwerk auf, indem die Kästen an die Bürger weitergegeben werden, die sie dann bei sich zu Hause aufstellen“, so die Künstler. Dadurch entstehen überall in der Stadt punktuell Bienenfutterplätze, die klar erkennbar sind und zum Mitmachen einladen.
Die Zeit für Veränderungen wird immer knapper und die Zukunft immer düsterer – dennoch hat jeder Einzelne und jedes Unternehmen täglich die Möglichkeit, auf eigene Weise dazu beizutragen, das Leben um einiges besser zu machen, indem bewusste und nachhaltige Entscheidungen getroffen werden.
Weiterführende Informationen:
Wildbienen: Aktionstag in Ostercappeln-Venne
gUG Umweltschutz und Lebenshilfe
Warum Insekten unseren Respekt verdienen
#Beedabei: Bienen dabei – sei dabei. Gewinnerprojekt vom Open Call des Kulturhauptstadt Bewerbungsbüros Nürnberg 2025
proBiene - Freies Institut für ökologische Bienenhaltung hat das Ziel, das Wissen um die essentielle Bedeutung der Biene zu verankern und Methoden der biodynamischen Imkerei zu entwickeln. Die gemeinnützige Einrichtung wurde 2016 von Demeter-Berufsimkern gegründet.
Slow Food Deutschland e.V. ist eine internationale Bewegung, die sich dafür einsetzt, dass jeder Mensch Zugang zu Nahrung hat, die sein Wohlergehen sowie das der Produzenten und der Umwelt erhält. Die Slow Food Bewegung zählt in Deutschland rund 14.000 Mitglieder in rund 85 Convivien.
Bienenschutz Stuttgart e.V., engagiert sich seit 2013 für den Schutz von Wildbienen und die wesensgemäße Haltung von Honigbienen. Zudem ist der Verein Regionalgruppe des Netzwerks Blühende Landschaft, welches ein insektenfreundliches Blühangebot fördert.
Orren Fox: Imkern. Das Geheimnis glücklicher Honigbienen. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2018.
Dave Goulson: Wenn der Nagekäfer zweimal klopft. Das geheime Leben der Insekten. Aus dem Englischen von Sabine Hübner. Carl Hanser Verlag München 2016.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Gartenzeit: Wie wir Natur und Kultur wieder in Gleichklang bringen. Kindle Edition 2017.