Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Denkfallen und Gefühle: Wie entscheiden wir richtig?

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„Das Gefühl liefert uns Kenntnisse über das Leben im Körper und macht dieses Wissen bewusst, ohne dass etwas davon verloren geht.“ (Antonio Damasio)

Gefühle leisten einen wichtigen Beitrag zur Schaffung eines „mentalen Prozesses, der durch den Zustand des Organismus beseelt wird“, schreibt der US-Neurowissenschaftler Antonio Damasio in seinem aktuellen Buch „Wie wir denken, wie wir fühlen“, in dem er Ursprünge und Natur unseres Bewusstseins ergründet. Für dessen Entstehung sind neben dem Verstand auch Gefühle notwendig. Bei der Entscheidungsfindung sei darauf zu achten, ob sich etwas richtig anfühlt denn dies erleichtert den Entscheidungsprozess, indem der Fokus auf die besseren Optionen (die aber nicht mit Sicherheit ein gutes Ergebnis bringen) gelenkt wird. Damasio betrachtet Gefühle als die im Stammhirn lokalisierte Basis höherer geistiger Funktionen bis hin zum Bewusstsein. In seinen Studien fand er heraus, dass der Verstand ohne Emotionen völlig hilflos ist. Aktuelle Entwicklungen in der Führungsforschung belegen, dass Vulnerable Leadership - das bewusste Zeigen von Verletzlichkeit, Gefühlen und Authentizität - im Unternehmensalltag eine wichtige Rolle spielt.

Allerdings sollten Emotionen kritisches Denken und wissenschaftliche Evidenz nicht ersetzen. Das erörtert Steve Pinker in seinem Buch „Mehr Rationalität“, während Damasio versucht, der modernen Gehirnforschung ein philosophisches Fundament zu geben. Pinker ist der Meinung, dass wir uns der „objektiven Wahrheit“ am besten durch rationales Verstehen nähern können. Wer nur auf Emotionen und Bauchgefühl setzt, liegt zu 50 Prozent richtig und zu 50 Prozent falsch, sagt der Schweizer Autor Rolf Dobelli. Unser Bauchgefühl ist nur in jenen Themengebieten verlässlich, wo wir uns gut auskennen. Wenn es aber um neue und wichtige Entscheidungen geht, braucht es Zeit zum Nachzudenken. Dabei sollten auch Denkfallen durchgegangen werden.

Denkfallen, die richtige Entscheidungen verhindern:

  • Es werden nicht alle Aspekte einer Entscheidung gegeneinander abgewogen.
  • Korrelationen werden mit Kausalitäten verwechselt.
  • Einzelfälle erhalten eine zu starke Gewichtung.
  • Aufgenommen werden nur jene Informationen, die zum Gedachten passen (Bestätigung des eigenen Weltbildes). Das Gehirn filtert alles heraus, was nicht zur eigenen Denkstruktur passt.
  • Es wird davon ausgegangen, dass es immer besser ist, etwas zu tun als nichts zu tun.
  • Zufallskomponenten werden ausgeblendet.

Wer solche Entscheidungsfehler rechtzeitig erkennt, tappt weniger leichtfertig in Denkfallen. Auch im Management- und Führungskontext ist es unerlässlich, um die eigene Intuition zu wissen und mit dem Intellekt zu verknüpfen, um die eigene Entscheidungsfähigkeit zu verbessern. Eine gute Führungskraft zeichnet sich aus, Entscheidungen aus einer Kombination aus Bauch und Kopf zu fällen.

Am Beispiel Personalauswahl lässt sich sehr gut zeigen, welche Chancen KI bietet.

„Etwa ein Drittel aller Personalentscheidungen sind falsch“, bestätigen Helen Landhäußer und Florian Feltes in ihrem Buchbeitrag „Wie viel Gefühl steckt in künstlicher Intelligenz?“ Ein Grund dafür ist, dass die Fähigkeit, das Gegenüber richtig zu analysieren, überschätzt und die Auswirkungen der eigenen Fehlentscheidung unterschätzt wird. „Gerade wenn es um Persönlichkeitseigenschaften geht, die korrosiv wirken können, sind die meisten klassischen Auswahlverfahren blind. So zeigt sich, dass besonders narzisstische Persönlichkeiten in Toppositionen landen.“ Mit Unterstützung von KI ist es möglich, in einer ganz anderen Qualität analysieren und Transparenz zu gewährleisten. Aber wie viel Gefühl steckt in KI? Können sie viele Entscheidungen genauso „intuitiv“ treffen, wenn sie dafür trainiert wurden? Die grundsätzliche Frage, die sich für Helen Landhäußer hierbei stellt, ist, ob Algorithmen mit moralischen Ansprüchen entwickelt werden können: „Wenn wir Menschen auf unser Bauchgefühl und unsere Intuition vertrauen, dann bildet sich auch hier ein Schema ab. Unser Bauchgefühl gleicht mit Erfahrungswerten ab und kann sich entwickeln – ist dies nicht auf Maschinen und Algorithmen übertragbar?“ Damit sind wir im Bereich des Affective Computing, einem experimentellen Bereich der KI, in dem dem Computer lernen sollen, menschliche Emotionen richtig einzuschätzen und anschließend zu imitieren.

Das Einschätzen der Emotionen und Gefühlszustände mittels Sprach-, Text- und Bildanalyse ist schon recht fortgeschritten.

„Emotionen werden über Mimik und die Tonalität, Frequenz von Sprache wahrgenommen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, dass wir Maschinen ein gewisses Verständnis ermöglichen, was die emotionalen Reiz-Reaktions-Ketten nachbilden lässt. Als Folge erscheinen uns die Maschinen menschlicher, ihr Verhalten wird als natürlich empfunden“, schreibt Feltes. Es gibt also Möglichkeiten gibt, KI mit Gefühl anzureichern und diese menschlicher wirken zu lassen. Entscheidend dabei ist, ob KI komplett selbstlernend ist oder aber von Menschen geleitet wird. Dann besteht allerdings die Gefahr, „dass negatives Feedback nicht berücksichtigt wird, die KI von Menschen trainiert wird, die, bewusst oder unbewusst ihre Denkmuster, Haltungen und Meinungen auf die künstliche Intelligenz übertragen; so können allerdings auch Voreingenommenheit oder für verschiedene Gruppe nachteilige, gar verletzende Inhalte trainiert werden“, so Feltes. Das kann dazu führen, dass sich KI durch das Anreichern dieser Informationen durch menschliches Leiten in eine nicht gewollte Richtung entwickelt (z. B. Tay – ein von Microsoft entwickelter weiblicher Chatbot). Bei Zortify wird von „Artificial Intelligence for Human Decision Making“ gesprochen - das bedeutet, „wir wollen Menschen nicht ersetzen, wir wollen ihnen vielmehr ermöglichen, die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen“ (Florian Feltes). Bei der Personalauswahl kann KI nach Ansicht der Autoren eine Vorauswahl treffen von Bewerbern treffen, die definierte Voraussetzungen erfüllen. Die Frage ist jedoch: Ist jemand, nur weil er gewisse Voraussetzungen erfüllt, auch wirklich der richtige Kandidat, der ins Team passt, und einen ähnlichen Kompass der Moral in sich trägt wie die anderen Teammitglieder?

Diese Frage beschäftigt auch den Unternehmer und Personalexperten Werner Neumüller. Gute Personalauswahl bedeutet für ihn, jene Bewerber zu identifizieren, die die Anforderungen an eine Stelle erfüllen und die Werte der Organisation teilen sowie gut ins Team und zur Unternehmenskultur passen. Er setzt dabei vor allem auf das persönliche Gespräch: Der ‚Fit‘ muss hier „durch kompetente Personalberater, die sich durch besondere Menschenkenntnis und Beurteilungsfähigkeit auszeichnen, erspürt werden.“ Leider, so seine Kritik, überprüfen nicht alle Unternehmen den Cultural Fit bei der Personalgewinnung und messen ihn nicht systematisch. Dabei wiederum kann KI Unterstützung bieten.

Weiterführende Informationen:

  • Entwicklung von KI: Warum der gesunde Menschenverstand eine Herausforderung ist 
  • Warum das Bauchgefühl in der Corona-Krise an Bedeutung gewinnt 
  • Intuition und Entscheidungsfindung: Worauf es ankommt 
  • Macht und Grenzen der Rationalität 
  • Antonio Damasio: Wie wir denken, wie wir fühlen. Die Ursprünge unseres Bewusstseins. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Carl Hanser Verlag, München 2021.
  • Steven Pinker: Mehr Rationalität. Eine Anleitung zum bessern Gebrauch des Verstandes. Aus dem Englischen von Martina Wiese S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021.
  • Helen Landhäußer und Florian Feltes: Wie viel Gefühl steckt in künstlicher Intelligenz? In: Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.
  • Werner Neumüller: Die Grenzen der Rationalität. In: Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.
  • CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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