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Prof. Dr. Franz-Michael Binninger

Der Handel im Spannungsfeld zwischen Tradition, Evolution und Disruption: Interview mit Prof. Franz-Michael Binninger

Prof. Dr. Franz-Michael Binninger leitet das Institut für Handelsmanagement an der Hochschule für angewandtes Management (HAM) und ist seit 09/2016 Präsident der DHGS Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport GmbH. Er hat an der Universität Passau Betriebswirtschaftslehre studiert und promovierte im Bereich Absatzwirtschaft und Handel. Nach Führungspositionen in mittelständischen Unternehmen war er seit 1999 als Managementberater tätig. Franz-Michael Binninger ist ausgewiesener Experte in den Fachgebieten Handelsmanagement sowie Marktforschung & Statistik und lehrt in diesen Gebieten seit 2007 an der HAM und anderen Hochschulen im deutschsprachigen Raum. Er hat das Studienprogramm „Handelsmanagement und E-Commerce“ zu einem der erfolgreichsten Studienangebote an der Hochschule für angewandtes Management entwickelt.

Herr Professor Binninger, wenn man sich die Handelslandschaft so ansieht, dann hat man den Eindruck, als befände sich der Handel in einer permanenten Umbruchssituation. Ist das mittlerweile ein Dauerzustand geworden?

In der Tat ist dieser Eindruck nicht falsch. Der Handel ist ja geprägt von einer ständigen Dynamik, besorgniserregend ist jedoch die enorme Geschwindigkeit dieses Wandels, gerade in den letzten 20 Jahren. Der Handel bewegt sich mittlerweile in einem Spannungsfeld zwischen Tradition, Evolution und Disruption: Während der Onlinehandel boomt, greift vor allen in kleineren Städten und wenig attraktiven Lagen von Großstädten das Ladensterben um sich. In aktuellen Studien beklagen über 80 % der Befragten die zunehmende Verödung von Einkaufsstraßen. Gleichzeitig fassen sich die Kunden aber auch an die eigene Nase und führen dies mit großer Mehrheit auf das eigene Einkaufsverhalten zurück.

Wie können gerade kleine und mittelständische Händler auf diesen permanenten Wandel reagieren?

Bei vielen kleinen und mittelständischen Händlern kommt vielfach ein weiteres Problem hinzu: Der Generationswechsel. Da stellt sich dann die Frage nach Antworten auf dieses Spannungsfeld sehr real und ganz konkret: Lässt sich ein Handelsunternehmen in seiner traditionsreichen Geschichte fortführen, muss das Geschäftsmodell erneuert werden, wie kann man sich in einer digitalen Welt weiterentwickeln, oder steht man sogar vor der Geschäftsaufgabe?

Das Thema betrifft aber nicht nur einzelnen Händler, sondern auch den ganzen innerstädtischen Handel.

Richtig. Um die Gunst der Kunden buhlt längst nicht mehr nur die Konkurrenz nebenan. Amazon und andere Online-Shops machen Ladenbesitzern das Leben schwer, und Stadtverwaltungen müssen sich neuen Herausforderungen stellen, die Attraktivität der Innenstadt zu erhalten und den Handel vor Ort zu unterstützen. Noch komplexer stellt sich dieser Sachverhalt in ländlichen Regionen dar. Der lokale Einzelhandel lässt sich nicht per Knopfdruck digitalisieren. Um auf den Strukturwandel in Stadt, Region und Handel zu reagieren, braucht es andere Lösungen, sei es durch digital-gestützte Loyality-Programme, Online-Sichtbarkeitsmodelle oder vertriebsorientierte lokale Online-Marktplätze.

Welche anderen traditionsreichen Betriebsformen sind betroffen?

Mit am stärksten betroffen ist eine Betriebsform, von der man es am wenigsten vermuten würde, weil sie durch ihren Charakter als Distanzhandel dem Onlinehandel - oberflächlich betrachtet - sehr nahekommt: Der Versandhandel. Hier bricht Innovation im E-Commerce mit der Tradition des Kataloggeschäfts. Erst bei genauerer Betrachtung stellen nicht nur kleine Versandhändler schmerzhaft fest, dass sich die bisherigen Geschäftsmodelle nicht einfach übertragen lassen. Aber auch hier gibt es Beispiele für Unternehmen, die diesen Wandel erfolgreich gemeistert haben.

Bietet der digitale Wandel für kleine und mittelständische Händler nur diese negativen Aspekte, oder gibt es auch positive Perspektiven?

Es ist richtig, dass neue digitale Technologien in immer kürzeren Abständen entstehen. Viele Händler fühlen sich mittlerweile davon überfordert, kapitulieren oder ignorieren schlichtweg diese Technologien und die damit verbundenen Veränderungen. Aber gerade hier liegt auch ein unglaubliches Erfolgspotential: Wer sich mit den digitalen Technologien beschäftigt, erkennt auch sehr schnell deren Möglichkeiten: das Internet of Things, digitale Sprachassistenten, künstliche Intelligenz zur kundenfreundlichen Begleitung von Kaufprozessen

Das hört sich insgesamt sehr spannend an. Wo kann man mehr über die neuesten Entwicklungen im Handel erfahren?

Genau zu diesem Themenumfeld veranstaltet das IHM Institut für Handelsmanagement an der Hochschule für angewandtes Management das mittlerweile 8. Handelsforum am 19. September 2019 im Bürgerhaus in Unterföhring.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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