Deutschland, ein Paradies für Geldwäsche?

Die Bedeutung von Geldwäschebekämpfung für Finanzinstitute wächst stetig, unter anderem forciert durch Terroranschläge oder auch Enthüllungen wie den Panama-Papers. Obwohl 2017 der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble eine neue Spezialeinheit vorstellte, die Geldwäsche "noch besser und schlagfertiger" bekämpfen sollte, gilt Deutschland im internationalen Vergleich als Geldwäsche-Paradies.

Zudem befürchten viele Banken, dass sich das Risiko für Geldwäsche und Betrug durch die Digitalisierung zukünftig erhöhen wird. Um sich international keinen erhöhten Risiken aussetzen, müssen Banken die Geldwäschebekämpfung selbst ernsthaft vorantreiben.

Die Unternehmensberatung BearingPoint analysiert seit 2005 regelmäßig Entwicklungen im Bereich Geldwäschebekämpfung, Terrorismusfinanzierung, Betrugsbekämpfung und Digitalisierung in Compliance und gibt Handlungsempfehlungen. An der aktuellen Studie waren insgesamt mehr als 100 Banken aus dem privaten, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Bereich beteiligt.

Geldwäschebekämpfung im Fokus der Banken

Laut Studienergebnissen ist die Wertschätzung und Akzeptanz für das Thema Geldwäschebekämpfung bei Geschäftsleitung und Mitarbeitern der Banken seit 2012 deutlich gestiegen: Im Vergleich zur Vorgängerstudie messen mehr als doppelt so viele Befragte den Themen Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche- und Betrugsbekämpfung Relevanz bei.

Im April 2018 wurde die Fünfte EU-Geldwäscherichtlinie verabschiedet, die unter anderem die Sorgfaltspflichten konkretisiert und erweitert. Binnen 18 Monaten muss diese auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Im Zuge dieser Verabschiedungen wurde auch in Deutschland mit dem „GwG-Neu“ ein neues Geldwäschegesetz erlassen.

Ähnlich wie 2012 schätzt auch in der aktuellen Untersuchung die Mehrheit der Teilnehmer die erforderlichen Aufwände für die Umsetzung des „GwG-Neu“ auf mittel bis hoch ein. 25 Prozent der Teilnehmer sehen steigenden Mehraufwand bei neuen Geschäftsmodellen, so dass regulatorische Anforderungen zunehmend auch eine strategische Rolle spielen.

Hohe Risiken für Banken und Sparkassen

Als Hauptantriebsfaktoren zur Bekämpfung von Betrugsfällen und Geldwäsche nennen Finanzinstitute die Vermeidung von Reputationsschäden sowie die Verhinderung von Bußgeldern und Sanktionszahlungen. Diese können im Zuge des „GwG-Neu“ mit bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes erheblich sein.

Bei Kunden mit einem erhöhten Geldwäscherisiko zeigen sich die Banken in Teilen jedoch nachlässig: 25 Prozent beziehen den Bereich Geldwäschebekämpfung bei der Votumsvergabe für Hochrisikokunden nur unzureichend oder teilweise gar nicht ein.

Digitalisierung und Kapitalverbrechen

Die Studie untersuchte ebenfalls, wie sich die Digitalisierung auf Compliance-Prozesse in Unternehmen oder Banken auswirkt. Die digitale Transformation wird sich in Zukunft insbesondere im Bereich der Sorgfaltspflichten, Kundengewinnung oder auch bei automatisierten Risikoanalysen zeigen.

Weitere digitale Lösungen mit Potential zur Verbesserung der Geschäftsanbahnungsprozesse und zur Verminderung von Betrugsfällen sind neue Legitimationstechnologien wie Video-Ident-Verfahren oder der Personalausweis mit e-Signatur. Diese werden von 35 bzw. 42 Prozent der Banken zwar eher als Chance statt als Risiko wahrgenommen. Dennoch wird die Legitimation vor Ort weiterhin bevorzugt und von rund drei Viertel der befragten Teilnehmer als risikoärmer eingeschätzt.

Gleichzeitig sehen sich die meisten Banken durch die Digitalisierung neuen Risiken ausgesetzt: So rechnen 60 Prozent der Teilnehmer mit einer zukünftigen Erhöhung des Geldwäsche- und Betrugsrisikos. Beim digitalen Zahlungsverkehr im Rahmen der EU-Zahlungsdienstrichtlinie (PSD2) werden insbesondere die Bereiche Datensicherheit und Betrugsbekämpfung als die größten Risikobereiche eingeschätzt. Allerdings setzen sich nur knapp 35 Prozent mit entsprechenden Maßnahmen konkret auseinander.

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Dr. Hansjörg Leichsenring schreibt über Finanzdienstleistung, Banken und Sparkassen

Seit über 30 Jahren befasse ich mich beruflich mit Banken und Finanzdienstleistern und berichte als Herausgeber und Autor des Bank-Blogs regelmäßig über aktuelle und grundsätzliche Entwicklungen und Trends rund um Banken und Finanzdienstleister.

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