Die Corona-Krise und der Wille zum Sinn
Bringt eine Krise das Schlechteste oder das Beste im Menschen zum Vorschein? Und welche Eigenschaft ist in einer fundamentalen Disruption am wichtigsten? Antworten finden sich in zwei Prinzipien: "Der Wille zum Sinn“ und "Survival of the Friendliest". Wie gutes Krisenmanagement in Corona-Zeiten aussieht.
Oft heißt es ja, in Krisen zeige sich die schlechteste Seite der Menschen. Und tatsächlich hat man häufig den Eindruck, das würde stimmen. Zum Beispiel als das Bayerische Landeskriminalamt vor wenigen Tagen vor Betrügern und ihren Corona-Tricks warnte. Kriminelle geben sich dabei beispielsweise als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes aus. Unter dem Vorwand einen Corona-Virus-Test machen zu wollen, verschaffen sie sich Zugang zu Wohnungen, um an Omas Ersparnisse zu kommen.
Doch wir haben auch alle von den vielen Helden des Alltags gehört. Sie helfen in der Corona-Krise, wo sie können: Verrentete Ärzte kommen ihren Kollegen zu Hilfe, Restaurant-Besitzer packen Lunch-Boxen für Obdachlose, Studierende machen Einkäufe für Senioren und und und.
Mein Eindruck ist: Die Solidarität überwiegt gegenüber dem Egoismus gerade bei weitem. Ist das nur ein diffuses Gefühl? Oder sagen diese Beobachtungen etwas über uns Menschen, das auch für unser Zusammenleben und –arbeiten in der Post-Corona-Ära Bedeutung haben wird? Und kann uns die Resilienzforschung verraten, was in tiefgreifenden Krisen für Menschen die wichtigste Eigenschaft oder Strategie ist?
Survival of the friendliestHistoriker Rutger Bregman
Als einer der wichtigsten jungen Denker gilt der Historiker Rutger Bregman. Der 31-Jährige glaubt fest an das Gute im Menschen. Glauben ist eigentlich falsch, denn Bregman ist Wissenschaftler und seine Analyse stützt sich auf Untersuchungen von Anthropologen, Biologen, Archäologen und Vertretern anderer wissenschaftlicher Disziplinen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung beschreibt Bregman das wichtigste uns Menschen treibende Grundprinzip als „survival of the friendliest“.
Auch Bregman weiß, dass der Mensch abgrundtief böse sein kann. Dies sei aber nicht seine ursprüngliche Natur. Als Jäger und Sammler waren die Menschen vor allem eins: friedlich. Dafür sprechen viele wissenschaftliche Arbeiten von Anthropologen und Archäologen. Zum Beispiel finde man so gut wie keine Zeichen für Gewalt unter Menschen oder gar Kriege aus prähistorischer Zeit.
Holocaust: Das Schlimmste überleben
Parken wir Bregmans These einen Moment lang und blicken wir auf die vergleichsweise junge Geschichte, Mitte des vergangenen Jahrhunderts, und die vermutlich grausamsten Gewaltexzesse des Menschen. Denn es ist der Holocaust, der für Psychologen und die frühe Resilienzforschung der 1950er-Jahre eine fundamentale Frage zur menschlichen Natur und ihrem Überlebenstreiber aufwarf: Wie konnten einige Menschen den Horror der Konzentrationslager überleben? Was gab ihnen diese innere Stärke?
Der Wille zum SinnPsychiater Victor E. Frankl
Für den Psychiater Victor E. Frankl – ein Begründer der Resilienzforschung – hieß die Antwort: der Wille zum Sinn. Letztlich gehe es dem Menschen darum, Sinn in seinem Sein und Tun zu sehen. Selbst unter den größten Herausforderungen des Holocaust war es einigen Menschen offenbar noch möglich, einen tieferen Sinn für ihr Überleben zu finden. Und sei es der Sinn, Zeugnis von den unfassbaren Schrecken zu geben.
Harvard-Studie: Empathische Beziehungen
Die modernere Resilienzforschung kennt nun ein gutes dutzend weiterer Eigenschaften und Strategien, die uns fundamentale Krisen überstehen lassen. In diesem Zusammenhang wird auch untersucht, was es braucht, um sein Leben als „gelingend“ zu erleben. In der wohl wichtigsten und längsten Studie hierzu, analysierten Forscher über 75 Jahre (!) hunderte Menschen und ihren Lebensweg, um herauszufinden, was uns wirklich glücklich macht. Für Robert Waldinger, einem der Studienleiter, gibt es als ein Ergebnis der Harvard-Studie einen Kernfaktor, der für ein glückliches, gelingendes Leben nötig ist: empathische Beziehungen.
Compassionate Communication im Job
Und zu diesen mitfühlenden Bindungen zählen nicht allein Liebesbeziehungen, sondern alle Formen von Beziehungen, auch die zu unseren Kollegen im Job. Aus diesem Grund, sind genau diese Themen – Konzepte: Empathische Beziehungen, Compassionate Communication, Gewaltfreie Kommunikation – auch immer wieder Teil meiner Webinare, Trainings und Vorträge für Führungskräfte und Mitarbeiter von Unternehmen. Denn sie und ihre Teams werden früher oder später schwere Krisen zu meistern haben – auch ohne Corona.
Auf unterschiedliche, aber miteinander eng verbundenen Fragestellungen zu den uns treibenden und stärkenden Kräften gibt es also drei zentrale Antworten:
Der Wille zum Sinn (heute bekannter als Resilienzfaktor Sinnhaftigkeit)
Survival of the friendliest
Empathische Beziehungen
In welcher Verbindung stehen diese drei so elementaren Kräfte für uns Menschen? Und was verrät uns dieser Zusammenhang darüber, wie wir fundamentale Krisen wie die Corona-Krise und all ihre wirtschaftlichen Verwerfungen als Menschen und Teams meistern können?
Gelingt es uns in dieser Krise, einen tieferen Sinn für unser Handeln zu finden, so werden wir größere Chancen haben, die Herausforderungen zu bewältigen. Dies kann nur gelingen, wenn wir in der Krise empathische Beziehungen entwickeln und unseren Mitmenschen wohlwollend zur Seite stehen. Möglicherweise liegt gerade hierin ein tieferer Sinn der Corona-Krise.
Du möchtest mehr zu Themen wie diesem erfahren? Dann sei dabei in meinem nächsten offenen Training für mehr seelische Widerstandskraft (Resilienz) für Mitarbeiter und Führungskräfte vom 22.4.2024 – 23.4.2024 im Beach Motel St. Peter Ording. Für Infos zu diesem und weiteren Trainings zu den Themen „Stressmanagement“, „Resilienzorientierte Führung“ oder „Mehr Gelassenheit entwickeln“ sende mir gern hier eine Nachricht oder eine Mail an drkaikaufmann@icloud.com oder**besuche meine Homepage mit meinem Blog.**