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„Die größte Hürde ist, sich nicht entmutigen zu lassen.“

Wie immer im Leben heißt es auch auf dem Weg zum klimaneutralen Büro: Fange immer bei Dir selbst an. So sind auch wir vorgegangen und haben uns überlegt, wo wir am meisten, schnell bewirken können. Den größten Hebel fanden wir bei der Energieversorgung – insbesondere beim Strom. Hier können Unternehmensentscheidungen rasch die Weiche zu reinem Ökostrom stellen und so die eigenen Emissionen auf Null bringen. In Bezug auf die Heizung klappt das leider nicht so einfach, da man gerade als Mieter von den Arrangements der Vermieter*in abhängig ist.

Der zweite Ansatzpunkt, den wir angegangen sind, ist unsere IT-Austattung: Wenn man sich überlegt, dass jeder neue Laptop mit SSD-Laufwerk mit etwa 311,1 Kilogramm und Desktops (inkl. Monitor) sogar mit ca. 435 Kilo CO2 zu Buche schlagen, sollte man sich genau überlegen, ob es wirklich immer eine Neuanschaffung sein muss. Wir haben uns entschieden, vorwiegend wiederaufbereitete (refurbished) Geräte zu kaufen und sparen so nicht nur massiv an Treibhausgasen und Ressourcen, sondern auch bares Geld. Gleiches gilt auch für die Anschaffung von Büromöbeln.

Der dritte Faktor, über den wir sehr schnell unsere Klimabilanz verbessern konnten: die Fahrtwege der Mitarbeitenden. Durch Jobtickets und jetzt auch einem Job-Rad über den Anbieter Swapfiets bieten wir unseren Kolleg*innen alle Möglichkeiten, ohne Auto ins Büro zu kommen. Zudem fördern wir aktiv das Remote-Arbeiten, setzen auf eine strikte No-Fly-Policy und machen alle Meetings digital – wenn möglich.

Die größte Hürde ist, sich nicht entmutigen zu lassen. Einerseits ist festzustellen, dass sich viele Emissionen nicht stark beeinflussen lassen, um seinen CO2-Ausstoß zu verringern. Klimaneutralität im Büro ist nur erreichbar, wenn man kompensiert, also sich freikauft. Daher lautet mein Tipp: Die Reise zu mehr Nachhaltigkeit als Prozess betrachten, in dem das gesamte Team mitgenommen werden sollte. Alle Mitarbeitenden sollten wissen, welche Auswirkung ihr konkretes Handeln auf das Klima hat. Sie sollten sich bei jeder Entscheidung fragen, ob es eine nachhaltigere Lösung zum Erreichen ihrer Ziele gibt – und dann diesen Weg gehen.

Bei der Erstellung einer Klimabilanz ist aber auch zu erkennen, wie viele Schlupflöcher es für Unternehmen gibt, um sich aus der Verantwortung zu stehlen und trotzdem auf dem Papier gut auszusehen. Mit Blick auf die Thematik kann das ganz schön frustrieren. Es existieren so gut wie keine Standards für die Durchführung von Klima-Audits bzw. die Erstellung der Klimabilanzen – zumindest nicht für Digitaldienstleistende und Agenturen. Es fehlt also an einer Vergleichbarkeit und damit an einem echten Wert einer Klimabilanz.

Wir als Digitalagentur verdienen mit komplexen Anwendungen und Plattformen unser Geld. Theoretisch müssten wir unseren größten CO2-Treiber – die Internetnutzung – aber nicht dezidiert in unserer Klimabilanz aufführen. Warum? Verpflichtend stehen in der Bilanz nur alle Emissionen aus den sogenannten Scopes 1 (selbst erzeugt) und 2 (erzeugt durch Strom und Heizung). Der Schadstoffausstoß, der vor- und nachgelagert im Wertschöpfungsprozess entsteht (Scope 3) muss zwar betrachtet und ausgewertet, aber nicht in der eigentlichen Bilanz auftauchen. So entsteht keine Transparenz und letztlich auch kein Vorteil für Unternehmen.

Grundsätzlich sollten Unternehmen immer ihre eigenen Geschäfts- und Beschaffungsentscheidungen hinterfragen. Brauche ich wirklich neue Rechner? Gibt es einen anderen Weg, meine Geschäftsziele zu erreichen? Wie kann ich erreichen, dass meine Entscheidungen nachhaltiger und längerfristiger wirken? Damit ist schon sehr viel erreicht, denn dieses neue Mindset überträgt sich fast automatisch im ganzen Unternehmen und erzeugt so einen nachhaltigen Effekt beim Thema Klimaschutz.

Gerade beim Thema Beschaffung – gleich, ob Laptops, PCs oder Büromöbel – kommt diese neue Denke von Anfang an zum Tragen. Denn: Es geht vorwiegend darum, Arbeitsmaterial langfristig einzusetzen und deren Life Cycle im Unternehmen zu verlängern – so spart man massiv an CO2 und Geld. Aspekte wie Reparierbarkeit oder Erweiterbarkeit von Geräten und Möbelsystemen treten somit stärker in den Vordergrund. Ein guter Anhaltspunkt hierfür bietet etwa der IFIXIT Laptop Reparierbarkeits-Index, der die gängigsten Laptops analysiert und auf ihre Flexibilität hin bewertet.

Haben sich Geschäftsführende erst einmal entschieden, den Prozess hin zu mehr Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen anzugehen, sollten sie sich im ersten Schritt darüber klar werden, welche Haupt-Emittenten existieren und diese priorisieren. Branchen- und unternehmensübergreifend sind diese meistens:

  • Scope 1 (selbst verursachte Emissionen):

  • Heizung

  • Kältemittel

  • Fernwärme

  • Dienstreisen und Transporte mit unternehmenseigenem Fahrzeug

  • Scope 2 (durch eingekaufte Energie verursachte Emissionen):

  • Energiebezug von extern (Strom/Fernwärme etc.)

  • Scope 3 (im Wertschöpfungsprozess vor- und nachgelagerte Emissionen):

  • Abfall

  • Wasser

  • Beschaffung Produkte

  • Dienstleistungen (Büroreinigung, Web-Hosting, etc)

  • Lebensmittel

  • Dienstreisen und Transporte mit externen Fahrzeugen

  • Arbeitswege der Beschäftigten.

Ist das erledigt, gilt es, den Schadstoffausstoß zu minimieren. Beginnen sollte man damit an den Stellen, wo es am schnellsten und einfachsten geht – Energieversorgung, Fahrtwege der Mitarbeitenden, Reise-Policy des Unternehmens, papierlose Prozesse etc. Erst danach geht es an die Reduktion von komplexeren Themen wie der IT und der Suche nach nachhaltig agierenden Dienstleistenden. Sind erste Ergebnisse spürbar, können sich Geschäftsführende dafür entscheiden, das Ganze offiziell zu machen und sich einen Audit-Partner suchen, der mit ihnen gemeinsam eine Klimabilanz erstellt und weitere Handlungsempfehlungen für mehr Nachhaltigkeit im Office erarbeitet.

Mir haben bei der Vorbereitung und der Umsetzung unserer Audits folgende Quelle geholfen:

Gemeinsam mit unserem Berater wertsicht haben wir eine Klimabilanz erstellt – beginnend mit dem Jahr 2019 als Basis für unser weiteres Vorgehen. Im Audit-Prozess haben wir zusammen alle Emittenten definiert, analysiert und schließlich bewertet. Am Ende stand unsere erste Klimabilanz, an der wir unser weiteres Vorgehen in Sachen klimaneutrales Büro ausrichten werden. Der Weg ist das Ziel. Es war gut diesen Schritt zu gehen, um zu lernen, wo Emissionen entstehen und wie diese berechnet werden können. Auch wenn wir aufgrund der fehlenden Standards und Vergleichbarkeit oft ins Grübeln kamen, ob es für uns wirklich Sinn ergibt, eine Klimabilanz zu erstellen. Dennoch: Es ist und bleibt wichtig, eine Basis zu haben, auf der wir unsere Mission authentisch leben können – Ideen erfolgreich machen, die für eine positive Entwicklung von Umwelt und Gesellschaft stehen. Deshalb kommunizieren wir das Ergebnis und unseren Weg dahin auch entsprechend. So haben wir bereits einige Gastbeiträge (W&V, it-daily) zum Thema veröffentlicht, und auf unserem Agentur-Blog machen wir unsere nachhaltige Agenturkultur im Rahmen des Formats #SustainableMonday erlebbar – Tipps und Tricks für mehr Nachhaltigkeit im Büro und daheim. In Kürze ist auch ein dezidierter Bereich auf unserer Webseite zum Thema Nachhaltigkeit geplant.

Franziska Coenen ist Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Kölner Digitalagentur dotfly. Mit ihrem 40-köpfigen Team aus Strateg*innen, Designer*innen und Entwickler*innen berät und betreut sie Unternehmen und Marken in allen Bereichen der digitalen Kommunikation - von Strategie, Konzept und Design bis hin zur technischen Umsetzung und Vermarktung. Dabei ist ihr eines wichtig: Ideen erfolgreich machen, die gut für Umwelt und Gesellschaft sind.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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