Die Industrie hat eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einem klimaneutralen Deutschland
Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes verschärfte die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben und verankerte das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045. Damit steht Deutschland vor enormen Herausforderungen.
Dies hat auch Auswirkungen auf die CO2-Minderungsziele in der Energiewirtschaft, im Verkehrssektor, im Gebäudebereich, in der Landwirtschaft und in der Industrie, die eine Schlüsselrolle auf dem Weg in die klimaneutrale Gesellschaft übernehmen muss. Zu den größten Herausforderungen gehören für sie bei Investitionsentscheidungen vor allem die deutlich höheren Betriebskosten von klimafreundlichen Technologien. Deshalb müssen die Nutzungskosten CO2-armer Produktionsverfahren und Energieträger wettbewerbsfähig gemacht werden gegenüber den fossilen Energieträgern und bestehenden Prozessen.
Der Umbau zu einem klimaneutralen Industrieland benötigt aber auch eine Transformation in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft sowie einen Abbau der Bürokratie. Jahrelange Planungs- und Genehmigungsverfahren kann sich heute niemand mehr leisten, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. All dies gelingt dies nicht mit alten Instrumenten und einer einseitigen Sicht. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schlägt deshalb einen breiten Instrumentenmix in der Klima-, Energie-, Verkehrs- und Industriepolitik vor, um diese Herausforderungen zu bewältigen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu sichern. Handlungsempfehlungen finden sich in der Studie „Klimapfade 2.0 – Aufbruch in die Klima-Zukunft“ des BDI und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), die zum Start der Koalitionsverhandlungen ein Update ihrer 2018 veröffentlichten Studie Klimapfade vorgelegt haben.
Als vordringliche Aufgabe der neuen Regierung sieht der BDI eine „historisch einzigartige Infrastrukturoffensive für einen massiven Ausbau von Strom-, Fernwärme-, CO2- und Wasserstoffnetzen, Lade- und Wasserstofftankstellen sowie Schienennetz in Höhe von 240 Mrd. Euro bis 2030“ gesehen. Gefordert wird auch ein rascher Zubau der Erneuerbaren Energien, der mit dem Neubau von Gaskraftwerkskapazitäten in Höhe von 43 Gigawatt einhergehen müsse, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Auf EU-Ebene sind die beihilferechtlichen Voraussetzungen zu schaffen (z.B. durch die Zulassung von Betriebskostenzuschüssen). Zur Unterstützung der Elektrifizierung wird eine staatliche Kofinanzierung der Netzentgelte, die Verlängerung des Spitzenausgleichs und eine vollständige Abschaffung der EEG-Umlage gefordert. Auch viele Klimaschutz-Unternehmen halten eine Gesetzesänderung für überfällig, wenn sich das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) nicht dauerhaft zur Bremse klimafreundlicher Energieerzeugung verkehren soll.
Solange dieser Zugang fehlt, führen steigende CO2-Preise lediglich zu einer finanziellen Belastung ohne Klimaschutzwirkung. Viele Unternehmen sind in den vergangenen Jahren in Vorleistung gegangen, auch wenn das manchmal teuer war. „Letztlich hat sich dies für uns schon jetzt ausgezahlt“, sagt Stefanie Kästle, Mitglied der Geschäftsführung der Mader GmbH & Co. KG in Leinfelden-Echterdingen. Der Druckluftspezialist nutzt an seinem Firmensitz in Leinfelden-Echterdingen derzeit 35 Prozent seines Bedarfs aus selbst erzeugter Solarenergie. Die firmeneigene IT-Infrastruktur sowie die Heizungstechnik, eine Wärmepumpe, sind dabei die größten Verbraucher, erzeugt wird der Regenerativstrom von Photovoltaik-Paneelen an der Fassade des 2018 errichteten Neubaus. Über 80 Prozent hiervon nutzt das Unternehmen selbst, der Rest wird ins Netz eingespeist. Die Firmenleitung denkt nun darüber nach, auch das Dach der Logistikhalle mit Solarpaneelen auszurüsten. „Wir arbeiten ständig daran, unsere Klimabilanz weiter zu verbessern“, sagt Kästle, die auch im IHK-Energieausschuss mitarbeitet.
Klimaneutralität braucht auch Anstrengungen im Bereich der Energieeffizienz
IHK Magazin Wirtschaft. Ein Service der IHK für Unternehmen in der Region Stuttgart (November 2021).
CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage, Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2019.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.