Die Krise des politischen Diskurses
Klimawandel und Seenotrettung sind zwei Themen dieser Tage, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben und doch auf eine gemeinsame Ursache hindeuten: eine tiefgreifende Krise der Politik und ihres Diskurses. Immer häufiger gibt es nur ein Ja oder Nein, ein Dafür oder Dagegen, entweder man handelt moralisch oder achtet die Regeln.
Dass die gleichzeitige Durchsetzung des Humanitären und erkennbar Notwendigen einerseits und der bestehenden Regeln und Gesetze andererseits immer schwieriger wird, ist wohl das sicherste und dramatischste Zeichen für diese Krise der Politik. Leidtragende sind die Institutionen, die in Gesellschaften die Funktion haben, die kurzfristigen Partikularinteressen zu einem langfristigen Gesamtinteresse zu versöhnen. Wenn sie das nicht mehr leisten, schwindet das Vertrauen in sie. Und Politik fängt an, nur noch in Zielen zu denken, nicht aber in Instrumenten, nicht in Voraussetzungen und nicht in Konsequenzen. Das ist letztlich Populismus, ganz gleich aus welcher Richtung.
Der Schlüssel dafür, die Krise der Politik zu beenden, liegt daher nicht in anderen, ambitionierteren oder besseren Zielen. Der Wettbewerb um Ziele ist ein rhetorischer, oft populistischer, der Diskurs über Ursachen und Wirkungen dagegen ein argumentativer. Es gilt daher, vor allem die Verfahren der Demokratie zu ändern, um darüber zu transparenteren Ergebnissen und vor allem zu höherer Akzeptanz zu kommen.
Noch immer stimmen wir alle vier Jahre mit einer Stimme für vier Jahre ab. Gemessen an den heutigen technologischen Möglichkeiten, politische Präferenzen zu messen und der Geschwindigkeit der digitalen Öffentlichkeit und sozialen Medien, wirkt das wie eine Pseudodemokratie. Fast jeder hat heute eine Meinung, nur wenige Argumente. Und offenbar reicht es, eine Meinung zu haben, so lange sie genügend viele andere teilen. Der Diskurs zerfällt in Blasen. Ein Medium wie Twitter extremisiert und infantilisiert. Selbst die Hüter des argumentativen Diskurses, Journalisten und Wissenschaftlicher, beteiligen sich daran, sind sogar seine wichtigsten Protagonisten, jeder mit eigener Agenda.
Die Gesellschaft würde wohl weit weniger fragmentiert und zerrissen erscheinen, hätten wir bessere Verfahren, politische Entscheidungen nicht ideologisch über Ziele, sondern rational über Voraussetzungen und Konsequenzen zu diskutieren. Vielleicht braucht es eine Demokratie 4.0, bevor Populisten sie disruptieren.