Die Pandemie als Brennglas und Katalysator

Wie oft habe ich in den letzten Wochen gehört, wie mir Leute sagten: „Das ist nur wegen Corona. Ohne Corona wäre alles in Ordnung.“ – Beziehungen, Unternehmensumsätze, die eigene Gesundheit: Corona scheint an vielem Schuld zu sein.

Die Tatsache ist sicher, dass durch Corona bei vielen Unternehmen die Umsätze eingebrochen sind, je nachdem, um welche Branche es sich handelt. Restaurants, Bekleidungsläden, Accessoire-Geschäfte. Bei vielen Unternehmen führte Corona zu Insolvenzen. Und auch viele Beziehungen litten unter doppelten Home-Office-Lösungen plus Home Schooling. Wenn ein Paar in Vollzeit arbeitet und die 2 Kinder über den Tag in der Schule sind, hat jeder seinen eigenen Bereich, seine eigenen Abläufe und seine eigenen Freiheiten, wenn auch nur kleine.

Aber während die einen in den Konkurs gingen, drehten andere Unternehmen ihr Geschäftsmodell komplett und fuhren mit einem neuen Geschäftsmodell hohe Umsätze ein. Wie z. B. ein Unterwäschehersteller, bei dem seit Corona statt der BHs hochwertig hergestellte Mundschutzmasken aus BHs richtig gut verkauft wurden. Ähnlich bei beruflichen wie privaten Beziehungen - wo Entfremdungen und Reibungsflächen stärker hervortraten, konnte sich in Corona-Zeiten ein starkes Miteinander in der Praxis auch über räumliche Distanz bewähren und Paare konnten zeigen, dass sie es schaffen, auf engstem Raum eine Beziehung auf Augenhöhe mit Gleichberechtigung zu leben. Ich erinnere mich an einen Dachdeckermeister, der mir wie selbstverständlich erzählte, wie er und seine Frau, beide berufstätig, den Corona-Home-Office-Alltag mit drei schulpflichtigen Kindern organisieren. Er sagte, er sehe erst jetzt, was seine Frau vorher alles neben dem Job geleistet habe und habe große Hochachtung davor. Es sei für ihn klar, dass sie die Arbeit, die anfällt, gleichberechtigt aufteilen würden, schließlich sei sie seine Partnerin und man schaffe so etwas nur, wenn man offen über Herausforderungen spricht und sie fair löst.

Ohne etwas beschönigen zu wollen: Corona und die Auswirkungen der Pandemie auf Wirtschaft und Gesellschaft möchte ich keinesfalls herunterspielen.

Aber Opferrolle hilft nicht. Verantwortung übernehmen, vorbeugen und Lernen aus Krisen, das sollten wir tun. Das ist aber einfacher gesagt als getan. Der Sozialstaat, in dem wir leben, bietet viele Auffangnetze. Das sichere Gefühl, dass der Staat immer da ist und hilft, haben immer noch viele. Dass der Staat als Helfer in jeglicher Not keine Selbstverständlichkeit mehr ist, dämmert aber nun schon einigen. Denn das, was z. B. aktuell an Kurzarbeit mitfinanziert wird, zögert viele Insolvenzen und Arbeitslose nur heraus. Und es muss finanziert werden. Noch verfügt der Staat über die finanziellen Mittel, dies zu tun. Wird allerdings die allgemeine Wirtschaftslage noch schlechter, kann das erdrutschartige Konsequenzen haben. Was das genau bedeutet, lässt sich jetzt noch gar nicht genau sagen. Auch wenn es dazu viele Hochrechnungen und Spekulationen gibt.

Klar ist aber, dass es nun an der Zeit ist, für Unternehmen und für jeden von uns,

1. sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren,

2. die eigene Krisenfestigkeit und Veränderungsbereitschaft zu überprüfen und zu optimieren und

3. Pläne zu machen, wie eine sinnvolle Weiterentwicklung aussehen kann.

Gerade in dieser Zeit gewinnen Modelle und Kompetenzen, die für die Zukunft stark machen: Flexibilität, Krisenfestigkeit / Aufstehen nach Niederlagen, das Angehen von Problemen als Herausforderungen, Verantwortungsbereitschaft, Kreativität, Achtsamkeit, Pragmatismus und Motivation bzw. Engagement.

Während aktuell viele auf eine Optimierung ihrer Außenpositionierung setzen, ist an erster Stelle gefragt, erst einmal nach innen zu schauen und aufzuräumen - bei sich selbst wie im Unternehmen. Was bringe ich mit? Wohin will ich? Wohin kann ich? Was brauche ich dazu?

Denn Aktionismus und eine schöne Oberfläche werden keiner wirklichen Krise standhalten und helfen erst recht nicht, hindurchzukommen.

Prof. Dr. Anabel Ternès schreibt über Leadership & Zukunftskompetenz, Digitalisierung & Arbeit 4.0, Nachhaltigkeit, Gesundheitsmanagement

Zukunftsfähige Unternehmen brauchen Nachhaltigkeit, gesunde Digitalisierung und Zukunftskompetenzen. Eine zukunftsfähige Welt braucht ein gesamtsystemisches Zusammenwirken aller Kräfte. Als eine der führenden Köpfe für Digitalisierung stehe ich für Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Handeln.

Artikelsammlung ansehen