Die Wirkung der leisen Stärke
Viele Menschen denken, dass sie sich verstellen müssen, um „Karriere“ zu machen. Wer sich nicht „verkauft“ im Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie und laut ist, wird auf der Bühne der Berufswelt nicht wahrgenommen, wird ihnen schon früh suggeriert. Einige erliegen dann der Verführung der Ichblähung, und der Mittelpunkt ihres eigenen Koordinatensystems basiert auf Geld und gesellschaftlicher Anerkennung. Der errungene Status macht diese Menschen dann oft größer, als sie wirklich sind. Doch echte Karriere hat damit nichts zu tun.
Wem es nicht gelingt, ein inneres Bild von dem zu entwickeln, der er wirklich ist, fehlt es auch an sinnstiftender Orientierung
Zurückhaltende, achtsame und umsichtige Menschen denken häufig, dass sie mit ihrer leisen Art nicht weiterkommen. Doch diese Bedenken sind unbegründet. Auch zurückhaltenden Menschen können auf ihre Weise erfolgreich sein. Henry Ford sagte einmal, dass das Geheimnis des Erfolgs darin besteht, „den Standpunkt des anderen zu verstehen und die Dinge mit seinen Augen zu sehen“. Unverzichtbar für Erfolg und nachhaltige Wirkung ist „ein Kern des Eigenen, wo immer das herkommen mag“, sagt der Komponist, Textdichter, Interpret und Musikproduzent Rolf Zuckowski. Er glaubt, dass jeder Mensch seinen individuellen Filter hat, die Dinge der Welt zu empfinden, zu verarbeiten und wiederzugeben. „Dieser einmalige Filter ist unser eigentliches Ich.“
Auch Sylvia Löhken belegt in ihrem Buch „Leise Menschen – starke Wirkung“, dass sich niemand von seiner Mitte wegbewegen und ein anderer werden muss, der er nicht ist oder sein will. Worauf es ankommt, ist, ein Bild von sich zu haben und sich selbst den passenden Rahmen zu setzen. Dazu gehört es auch, sich die Umstände selbst zu schaffen, die man braucht, um „ganz“ zu sein und in dieser Vollkommenheit wahrgenommen zu werden. In seinem Podcast teilt der Business-Experte Hermann Scherer mehr Impulse rund um "find your frame".
Alle Stärke wird nur durch Hindernisse erkannt, die sie überwältigen kann.Immanuel Kant
Vor zehn Jahren erschien das Album „leiseStärke“ von Rolf Zuckowski. Es war eine Sprachspielerei mit dem Wort „Lautstärke“ (Lautes muss nicht immer stark sein). Mit dem Titelsong dankt er seiner Ehefrau für ihr Zusammenleben. Wahrer Erfolg hat für ihn auch damit zu tun, das rechte Maß zu finden. „Wer an der Last seines Erfolges zerbricht, hat diese Lebensregel nicht erkannt. Dass Erfolg eine große Last sein kann, belegen viele Lebenswege. Sich mit ihnen zu beschäftigen ist nicht weniger wichtig als sich erfolgreiche Vorbilder zu suchen.“ Aber der Rausch des Erfolges ist eben auch ein süßes Gift, von dem auch er kosten durfte:
„Mach meine Fehler und versuche, draus zu lernen,
für den Erfolg zahl ich bestimmt nicht jeden Preis.
Hab meine Neugier nicht verloren,
geh den Dingen auf den Grund,
bin in mir selbst zuhaus und immer noch gesund.“
Das Thema der leisen Stärke zieht sich wie ein roter Faden durch das Lebenswerk von Rolf Zuckowski
Sein Titel „Starke Kinder“ ist ein Lied über Werte und Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber. Wer auf seine innere Stärke baut, lebt auf gutem Grund. Für Zuckowski ist es auch wichtig zu vermitteln, dass Kinder nur stark sein können, wenn sie auch ihre Schwächen zulassen, weil es auf Dauer kein Leben hinter der Fassade gibt: „Kinder sollen sich stark fühlen, selbstbewusst sein, auch gegenüber den Erwachsenen, ihre Stärke darf sich nicht durch die Schwäche anderer definierten und ihr Selbstbewusstsein nicht in Überheblichkeit ausarten. Nur wer das lernt und lebt, wird auf Dauer mit sich selbst im Reinen sein und wahre Freunde von falschen unterscheiden können.“ Erich Kästner konnte gegen die böse Welt der großen Menschen den Mut und die Stärke der Kinder mobilisieren, die am Ende selbst den größten Gaunern ein Schnippchen schlugen.
Kinder und Jugendliche können sich ihrer eigenen leisen Stärken durch Anerkennung und Ermutigung auf ihren Entwicklungsstufen bewusst werden
„Das gilt in Familie ebenso wie in der Schule, in Vereinen und anderen Gemeinschaften. Das Annehmen neuer Herausforderungen gehört dazu und die werden im Leben nie aufhören.“ Niemand ist immer stark, und kein Schwacher ist ohne Stärken. Die Stärke der Kinder darf sich nicht durch die Schwäche anderer definieren und ihr Selbstbewusstsein nicht in Überheblichkeit ausarten. Nur wer das lernt und lebt, so seine Überzeugung, wird „nachhaltig“ mit sich selbst im Reinen sein und wahre Freunde von falschen unterscheiden können: „Starke Kinder halten felsenfest zusammen, Pech und Schwefel, die sind gar nichts gegen sie, ihren Rücken lassen sie sich nicht verbiegen, starke Kinder, die zwingt keiner in die Knie.
Starke Kinder haben Kraft, um sich zu wehren, und sie sehn dir frei und ehrlich ins Gesicht. Starke Kinder wollen nur die Wahrheit hören, und so leicht betrügt man starke Kinder nicht.“ Die US-Psychologin Meg Jay widmet sich in ihrem Buch „Die Macht der Kindheit. Wie negative Erfahrungen uns stärker machen“ der prägenden Kraft schwieriger Kindheitserfahrungen und erklärt, wie frühe Rückschläge zu jener überraschenden Stärke beitragen können, die Ärzte, Psychologen und Pädagogen mit dem Wort "Resilienz" umschreiben. Resiliente Menschen haben die leise Stärke, nach Stress und elementaren Krisen möglichst rasch wieder ins seelische Gleichgewicht zu kommen.
Vorrat an innerer Sicherheit: Schulbeginn braucht Nachhaltigkeit
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.