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Die Zeit von Loslassen und Neudenken hat begonnen

Ein Austausch mit Dipl.-Ing. Wolfgang Natzke und Lasse Rheingans

Wenn man das Wort loslassen genauer untersucht, wird „loslassen“ auch als „von den Fesseln entledigen“ definiert. Und das trifft es auf den Punkt: Wir sind gefesselt von alten Strukturen und Verhaltensmustern in einer Welt, die komplett das Gegenteil verlangt!

Deshalb müssen wir uns aus diesen Fesseln befreien und mit der Frage beschäftigen, wie ich in meinem Unternehmen step-by-step die alten Muster aufbreche und ein Umfeld schaffe, das ein Arbeiten zulässt, dass zeitgemäß ist. Mein Leitfaden dafür ist das Rheingans Prinzip: Die Produktivität in Unternehmen steigern und gleichzeitig ein Umfeld kreieren, das die Potenziale der Mitarbeiter fördert und eine gesunde Lebensbalance ermöglicht. Dieser Prozess fängt beim einzelnen Individuum an und geht dann über das Team und das Unternehmen bis hin zur Gesellschaft. Werte müssen klar definiert und transparent kommuniziert und durch Workshops und verschiedene Methoden gefördert werden, damit ein menschliches Miteinander auf Augenhöhe erreicht wird und der Unternehmenserfolg davon profitieren kann.

Wie kann ich in meinem Unternehmen die alten Muster aufbrechen und ein Umfeld schaffen, das ein Arbeiten zulässt, dass zeitgemäß ist?

Vor Kurzem saß ich mit Wolfgang Natzke vom Steinbeis-Transfer-Institut Business Management and Innovation (kurz Steinbeis BMI) zusammen und habe mich mit ihm genau darüber ausgetauscht. In was für einer Welt wir heute leben und wo wir überall umdenken müssen:

Lasse: Wolfgang, kurz zu Dir: Du leitest das Steinbeis-Transfer-Institut in Porta Westfalica und hast täglich mit Menschen aus verschiedenen Unternehmen zu tun, die entweder schon wissen wo der Wandel bei ihnen anfangen soll oder zumindest verstanden haben, dass sich etwas verändern muss, aber noch unsicher sind wie und wo der Prozess beginnen soll. Beiden helft Ihr?

Wolfgang: Wir haben uns lange mit der Frage beschäftigt, wo wir mit dem Institut hin und wie wir uns ausrichten wollen. In diesem Prozess ist uns klar geworden, dass wir in der sogenannten VUKA-Welt, mit extrem kurzen Reaktionszeiten, leben. Da können noch so viele kompetente und gut ausgebildete Mitarbeiter sitzen: Es gibt kein Modul, zum Beispiel an der Uni, das dir theoretisch lehrt, wie du in welcher Situation reagieren musst. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, dass wir Menschen, die akzeptiert haben, dass wir in dieser unsicheren und unplanbaren Welt leben, helfen und sie bei dem Prozess des Wandels begleiten, fokussiert auf Teams und New Leadership. Beides muss neu gedacht werden!

Lasse: Auch wenn dieses Wort „VUKA“ wahrscheinlich schon alle nervt, trifft es die Herausforderungen dieser neuen Zeit auf den Punkt: Alles ist instabil und flüchtig. Dazu unsicher, sodass man Risiken gar nicht mehr einschätzen kann. Und das in extrem komplexen Strukturen mit mehrdeutigen Sachverhalten. Kein Wunder, dass sich da manche gar nicht trauen, gegen anzukommen.

Menschen liebe den Fortschritt, hassen allerdings die Veränderung.
Wolfgang Natzke

Wolfgang: Dazu kommt, dass Menschen den Fortschritt lieben, allerdings die Veränderung hassen. Dass was gegolten hat, gilt heute plötzlich nicht mehr. Ich nenne das gerne die „toxische Strömung der Digitalisierung“. Da fällt der ein oder andere vor lauter Panik erst mal in Schockstarre.

Lasse: Man sagt auch, dass Menschen Gewohnheitstiere sind. Deshalb denke ich auch, dass der Schritt zum Loslassen viel schwerer ist, als das Neu- und Umdenken. Wir sehen es ja gerade an zahlreichen mittelständischen Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten, weil das Bewusstsein für zeitgemäße Veränderungen nicht oder zu spät vorhanden ist. Ich bin mir aber sicher, dass wir uns schneller, als wir uns das vorstellen können, an die neuen Strukturen und Gegebenheiten gewöhnen können, wenn wir nicht reflexartig in eine Abwehrhaltung rutschen sondern uns darauf einlassen. Dann können wir den neuen Herausforderungen begegnen und Unternehmen am Markt nachhaltig erfolgreich bleiben. Denn ändern, dass sich da draussen nahezu alles im schnellen Wandel befindet, können wir ohnehin nicht.

Wolfgang: Wenn man sich auf diese Welt einlässt und sich mit genau diesen Eigenschaften, die du vorhin beschrieben hast, beschäftigt, fängt man an diese Welt zu verstehen. Und das Verständnis ist schon der erste Schritt zur Veränderung. Unternehmen wissen nicht mehr, wer ihre Kunden morgen sein werden, weshalb es einer akzeptierten und vorgelebten Innovationskultur im Unternehmen bedarf. Um Risiken trotzdem so gering wie möglich zu halten, müssen sich Unternehmen die zentrale Frage stellen womit und mit wem sie zukünftig Umsätze generieren wollen. Dabei wird ein wirksames und flexibles Personalmanagement eine große Rolle spielen. Um eine Übersicht über die komplexen, und damit extrem anfälligen, Strukturen zu bekommen, sind Strategen nötig, die schnell ihre Komfortzone verlassen können und fähig sind, sich komplett neuen Sachverhalten zu stellen und diese schnell zu erschließen. Außerdem kommt es auf individuelle Lösungsoptionen an, denn Best-Practice-Ansätze sind absolut kein Garant mehr für gewohnte Erfolge. Hierbei gilt: Je radikaler die Veränderung, desto schneller erleben wir die Endlichkeit unseres Wissens und unserer Erfahrungen.

Lasse: Das sind alles Bereiche, wo wir als Gesellschaft aktuell noch wenig Erfahrung haben. Da ist die Angst groß, dass Fehler gemacht werden. Und da Fehler in unserer Kultur leider ja sehr negativ besetzt sind, ist die Scheu, sich auszuprobieren, groß.

Wir müssen unbedingt weg von dieser Kultur, in der es heißt, dass Fehler machen absolut tabu ist und schlecht sind.
Wolfgang Natzke

Wolfgang: Wir müssen unbedingt weg von dieser Kultur, in der es heißt, dass Fehler machen absolut tabu ist und schlecht sind. Ich spreche viel lieber von einer Irrtumskultur. Fehler können meiner Meinung nach nur entstehen, wenn man Erkenntnisse hat, auf die man sich bei einer Entscheidung stützen kann. Aber wir leben in einer Welt, in der nichts mehr so ist, wie es einmal war. Deshalb können wir auch auf nichts mehr zurückgreifen. Heute können nur Irrtümer entstehen, aus denen wir wenigstens temporäre Erfahrungswerte generieren können. Sozusagen ein Feedbackinstrument, mit dem man realisieren kann, dass man einen falschen Weg gewählt hat und warum. Und das ist in jedem Fall positiv!

Lasse: Ich finde, das hat auch sehr viel mit den einzelnen Werten zu tun, die im Unternehmen herrschen. Die Stimmung und die Arbeitsatmosphäre richtet sich nach den Werten, die die Führungspositionen vorleben. Da ist es extrem schwierig einen, ich nenne es mal Wertewandel, hinzubekommen. Vor allem, wenn in den Führungspositionen Menschen mit großem Altersunterschied zu den einzelnen Mitarbeitern sitzen – da hat man schnell mit Generationskonflikten, und somit auch mit Konflikten der verschiedenen Werte, zu kämpfen.

Wolfgang: Das ist auch der Grund dafür, dass die Werte von einzelnen Menschen oft unser erster Anknüpfungspunkt im Institut sind. Es hilft Menschen zu verstehen, wieso sie so reagieren, wie sie reagieren. Bildlich gesprochen hat jeder von uns seinen eigenen Rucksack auf dem Rücken, der sich mit Werten füllt, zum Beispiel bei der Geburt, aus der Erziehung der Eltern und in Findungsprozessen. In der Pubertät stellt man dann oft alles in Frage, was bisher gegolten hat. Mit der Sammlung an Werten im Rucksack zieht man los und strebt nach ihnen. Zum Beispiel setzt man sich nach Jahren bei einem Klassentreffen immer wieder zu denjenigen, die damals schon im Freundeskreis waren anstatt zu den Anderen - ein Match der eigenen Werte. Übertragen auf das Unternehmen ist das recht einfach zusammenzufassen: Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die die Werte im Unternehmen teilen und leben. Nur so können Mitarbeiter ihr vollständiges Potenzial abrufen und das Unternehmen maximal von ihnen profitieren.

Unternehmen müssen sich auf die einzelnen fokussieren.
Unternehmen müssen sich auf die einzelnen fokussieren.

Lasse: Deshalb stellen wir beim Rheingans Prinzip auch das ICH – also das Individuum – in den Mittelpunkt. Am Ende sind es die Mitarbeiter, die ihr Arbeitsumfeld akzeptieren müssen, denn sie sind es, die an den Innovationen, Lösungen und Projekten für die Kunden arbeiten. Kurz gesagt: Der Erfolg eines Unternehmens steht und fällt mit den Mitarbeitern.

Wolfgang: Unser Claim lautet nicht umsonst: „Der Mensch macht’s!“ Darum haben wir im Steinbeis-Transfer-Institut ein Verfahren entwickelt, dass es Menschen ermöglicht, ihre Werte, die sie leiten, zu lokalisieren. Wir versuchen im Gespräch das persönliche Vokabular zu erweitern, um Werte überhaupt benennen zu können, für die man vorher keine Bezeichnung parat hatte. Wer zum Beispiel meint, dass Spaß und Freude dasselbe bedeutet, dem erklären wir den gravierenden Unterschied, zwischen Spaß, der durch Aktivitäten in meiner Umgebung entsteht und Freude, die von innen und durch Überzeugung kommt. Vor allem aber versteht man, dass manche Werte, die vielleicht erst konträr zueinanderstehen voneinander profitieren können: Ich persönlich habe zum Beispiel den Wertekonflikt Perfektionismus und Weitsichtigkeit. Das Verständnis darüber, dass ich beide Werte in mir habe, hilft mir beim Treffen von Entscheidungen nachzuvollziehen wieso ich mich so entschieden habe.

Lasse: In jedem Fall sollten Unternehmen ihre Werte transparent machen und klar kommunizieren, um schon beim Vorstellungsgespräch einen Eindruck über die Einigkeit der Werte zu bekommen. Hier ist die Frage „Wieso möchten Sie für dieses Unternehmen arbeiten?“ von großer Bedeutung. Abschlüsse, Werdegang oder Kompetenzen rücken da immer mehr in den Hintergrund. Dabei ist natürlich, wie du vorhin schon gesagt hast, ein extrem wirksames und flexibles Personalmanagement gefragt, das Teams so zusammenstellt, dass sie reibungslos miteinander zusammenarbeiten können.

Wolfgang: Das sehe ich ganz genauso und bin sogar davon überzeugt, dass gar keine Führung im klassischen Sinne mehr notwendig ist. Vielmehr sollten Unternehmen eine werteorientierende Führung praktizieren und die Positionen darin mit Menschen besetzen, die sich über die bestehenden Werte der einzelnen Individualisten im Unternehmen bewusst sind und ständig überprüfen, ob das Arbeitsumfeld, die Strukturen, die Befugnisse und Werkzeuge noch dazu passen.

Lasse: Dafür benötigen Führungskräfte eine viel stärkere soziale Kompetenz als je zuvor. Deshalb sollte der Wandel schon in Ausbildungen bzw. Weiterbildungen anfangen, damit Führungspositionen entstehen, die 100 Prozent in die aktuelle Arbeitswelt passen und sie ihren neuen Aufgaben gerecht werden können. Aber das ist nur ein Beispiel dafür, wo der Wandel anfangen kann. Am Ende helfen nur Experten und spezielle Berater für die Entscheidung, wo im Unternehmen die beste und richtige Angriffsfläche für den Wandel ist, und für den Prozess der nach dieser Entscheidung folgt.

Wolfgang: Diese Entscheidung kann man auch gar nicht allein den Unternehmen zumuten. Um dem Wandel richtig zu begegnen braucht es objektive Ansichten, die nur spezielle Berater, wie zum Beispiel Dich und uns, mit ihrem gebündelten Wissen, Prozessen und Methoden haben. Es gibt allerdings einen einzigen Punkt, an dem Unternehmen auf sich alleine gestellt sind: Die aufrichtige innere Bereitschaft zu einem sehr zeitnahen radikalen Umdenken und Handeln zu haben und somit den ersten Schritt zu den Beratern zu machen.

Lasse: Und der ist entscheidend dafür, um in Zukunft erfolgreich am Markt zu bleiben. Und dieses Ziel sollte doch wohl jedes Unternehmen haben. Lieber Wolfgang, ich danke Dir für das Gespräch!

Haben Sie sich wieder gefunden? Wenn Sie und Ihr Unternehmen genau an dieser Schwelle zum Wandel stehen und noch keinen passenden Berater gefunden haben: Zögern Sie nicht uns zu kontaktieren. Wir freuen uns auf Sie!

Lasse Rheingans schreibt über Kulturwandel, New Work, Digitalisierung, Wirtschaft & Management

20 Jahre Digitalbranche, Medienwissenschaftler (M.Sc.), Agentur-Gründer, Berater, Autor, Vortragsredner. CEO von Rheingans (https://rheingans.io). 5h Tag Innovator. Preisträger vom XING New Work Award, Chefsache Award, Preis der deutschen Personalwirtschaft, ….

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