Digitale Reife: Wie Unternehmen in der Corona-Pandemie Personal gewinnen
Damit Unternehmen auch in Zukunft nachhaltig erfolgreich sind, müssen schon heute Talente von morgen gewonnen werden.
„Der Bedarf an qualifizierten Facharbeitern ist für ein innovatives mittelständisches Unternehmen wie uns besonders hoch“, sagt Stefanie Kästle, Mitglied der Geschäftsführung der Mader GmbH & Co. KG. „Aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe und Konkurrenz zu Global Playern wie beispielsweise der Festo AG oder der Bosch-Gruppe ist die Suche nach talentierten neuen Mitarbeitern mit gefragtem Kompetenzprofil eine große Herausforderung.“ Der Druckluft und Pneumatikspezialist bemüht sich deshalb verstärkt darum, als attraktiver Ausbilder und Arbeitgeber in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.
Zwar wird ein Teil der offenen Stellen mit externen Kandidaten besetzt, doch ein großer Teil der benötigten Fachkräfte werden hier selbst ausgebildet, denn die Ausbildung im eigenen Unternehmen bietet enorme Vorteile, weil die Fähigkeiten von selbst ausgebildeten Mitarbeitern optimal auf das Unternehmen zugeschnitten sind. „In der Regel sind diese Mitarbeiter sehr loyal und arbeiten bereits während der Ausbildung produktiv mit“, sagt Kästle. Da das Reservoir an guten und motivierten Schulabgängern begrenzt ist, ist es wichtig, eine starke Ausbildungs- und Arbeitgebermarke zu schaffen. Damit verbunden sind nicht nur neue Organisationsprinzipien, Führungsqualitäten und analoge Rahmenbedingungen von Arbeit, sondern auch digitale Tools, die gerade in der Corona-Pandemie dabei helfen, neue Mitarbeiter zu finden. Viele Maßnahmen wie Bewerbertage wurden bis dahin in den meisten Unternehmen analog durchgeführt. Beim Küchenhersteller Häcker war der letzte Bewerbertag im Jahr 2018 mit nahezu 2.000 Bewerbern ein großer Erfolg. In der Corona-Krise suchte das Familienunternehmen für die Standorte Venne und Rödinghausen mehr als 100 neue Mitarbeiter.
Der Bewerbertag wurde angesichts der aktuellen Situation zum ersten Mal in digitaler Form durchgeführt.
Innerhalb von wenigen Tagen wurde die Idee gemeinsam mit dem Marketing umgesetzt: Kein Bewerber musste im Oktober Bewerbungsunterlagen einsenden oder ein Anschreiben formulieren. Es konnte zum ersten lockeren Kennenlernen online auf einer dafür erstellten Webseite unkompliziert ein freier Termin gebucht werden, an dem Kollegen aus der Personalabteilung und Abteilungsleitern aus der Produktion und der Logistik anwesend waren. Die eigens dafür aufgebaute Landingpage für den digitalen Bewerbertag führte durch die Anmeldung und gab Tipps und Informationen zum Videochat und den gesuchten Jobstellen. Anfangs waren einige Bewerber noch verunsichert, ob das Kennenlernen „nur“ über eine Kamera am Computer oder dem Handy funktionieren kann. Aber es konnten auch die letzten Zweifel aus dem Weg geräumt werden. Es konnten nicht nur Fähigkeiten, Talente und Wellenlänge konnten individuell betrachtet werden. Es gab 44 Anmeldungen. Zeitnah erhielten die Bewerber eine Rückmeldung und einige eine Einladung zum weiteren Vorstellungsgespräch.
Feedback als „Kultur des sofortigen Aussprechens“ (Philipp Riederle) ist hier für alle selbstverständlich.
Die digitale Umsetzung des Bewerbertages wurde durchweg positiv aufgenommen. Es wird nicht der letzte (digitale) Bewerbertag in Rödinghausen bleiben, auch wenn sich alle darauf freuen, nach der überstandenen Corona-Pandemie wieder mehr persönliche Kontakte zu Bewerbern zu knüpfen. Die angepassten Maßnahmen zeigen, dass sich professionelles Recruiting auch in Krisenzeiten auszahlt – „es ist produktiv und am Puls der Zeit“ (Philipp Riederle).
Weiterführende Informationen:
Wie stehen die Job-Chancen in der Corona-Krise?
Digitaler Bewerbertag. In: INTERN. Das Magazin für Häcker-MitarbeiterInnen. Nr. 36 (November 2020), S. 8 f.
Gisela Rehm und Markus Sander: Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Küchenbranche. In: CSR und Digitalisierung. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2021.
Philipp Riederle: Wie wir arbeiten und was wir fordern. Die digitale Generation revolutioniert die Berufswelt. Droemer Knaur Verlag, München 2017.