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© picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Diskussion über Lauterbach: Zickzackkurs oder kluges Fehlermanagement?

**In diesen Tagen nehmen wir vermehrt neue, bisher kaum gehörte Töne in der Bundespolitik wahr.**In aller Öffentlichkeit wird abgewägt, Unsicherheiten kundgetan, mögliche Alternativen beschrieben und Fehler eingestanden, und mehr noch: Kurzfristig werden Entscheidungen korrigiert.

Vor wenigen Tagen reichweitenstark zu beobachten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, als Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei Markus Lanz seine Idee der „freiwilligen Corona-Isolation“ in aller Öffentlichkeit als Fehler bezeichnet und die Entscheidung (Gott sei Dank!) zurückgenommen hat.

Im Anschluss zur Sendung schrieb er auf Twitter dazu:

Die Beendigung der Anordnung der Isolation nach Corona-Infektion durch die Gesundheitsämter zugunsten von Freiwilligkeit wäre falsch und wird nicht kommen. Hier habe ich einen Fehler gemacht.
Karl Lauterbach, https://twitter.com/karl_lauterbach/status/1511503251220443136

Die politische Arbeit von Karl Lauterbach möchte ich hier nicht bewerten – es geht mir konkret um den Aspekt des Zugebens von Fehlern und den Umgang damit. Denn so ein Eingeständnis zeugt von Größe, und ist notwendig, um den Weg frei für bessere Ergebnisse zu machen. Darüber hinaus zeigt es auf unaufgeregte Weise deutlich: Irren ist menschlich. Oder um es mit Thomas Edison zu sagen:

I have not failed. I have just found 10,000 ways that won’t work.
Thomas A. Edison

Diese Haltung und dieser positive Blick auf „nicht erfolgreiche Versuche“ sind es, die wir in Zeiten, die von massiven Unsicherheiten und ständigem Wandel geprägt sind, nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft und Arbeitswelt brauchen und als Entscheidungsträger:in vorleben müssen. Diese offen zur Schau gestellte Menschlichkeit ermutigt auch andere im Team, eigene Irrtümer oder schlechte Entscheidungen zur Diskussion zu stellen, und führt am Ende dazu, dass auf Basis von gemachten Erfahrungen, neuen Erkenntnissen, aktualisierten Daten oder weiteren, bisher unberücksichtigten Perspektiven in so einer „fehlertoleranten Umgebung“ die bestmöglichen Ergebnisse erreicht werden können.

Leider haben einige Menschen dies weder in der politischen noch wirtschaftlichen Landschaft verstanden. Und das hat schwerwiegende Folgen: Gute Ideen werden im Keim erstickt, weil Kritik und falsche Beharrlichkeit den Weg versperren. Schlimmer noch: Fehler im System werden nicht zur Sprache gebracht. Gut zu beobachten zum Beispiel im Dieselskandal bei den Automobilherstellern oder sogar bei diktarischen Psychopathen, die von Ja-Sagern umgeben sind und so den Kontakt zur Realtität verloren haben und Unheil in die Welt bringen.

Herr Merz auf Twitter.
Herr Merz auf Twitter.

Herr Merz vergibt hier eine Chance, für sich und die CDU. Denn es ist in Ordnung, Fehler einzugestehen. Damit zeigen wir keine Schwäche, sondern Stärke. Und ebnen den Weg, in ein besseres Morgen. Ein Morgen, in dem gemeinsam zukunftsfähige Lösungen erarbeitet bzw. gefunden werden können.

Daher meine Bitte und mein Appell an Sie:

SEIEN SIE MUTIG. Stehen Sie zu Ihren Fehlern und Irrtümern. Wir brauchen mehr davon, auf allen Ebenen einer Organisation und in allen Kreisen der Gesellschaft. Wir benötigen Leitbilder, die täglich sichtbar machen, dass Fehler menschlich sind. In Zeiten wie unseren (wer kann noch VUKA hören? Wer hat es noch nicht gehört?) ist Planungssicherheit nicht mehr gegeben. Lösungen in komplexen Zeiten können wir nur gemeinsam erreichen. Wir brauchen Perspektivenvielfalt, also Diversität, in jeglicher Hinsicht. Erfahrungen aus unterschiedlichen Alterskohorten, aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Mit unterschiedlichen Mustern und unterschiedlicher Sozialisierung. Nur so können wir vielfältige und komplexe Probleme lösen. Gemeinsam statt gegeneinander.

Wer immer nur die gleichen Fragen stellt, erhält auch immer nur die gleichen Antworten.

Ich freue mich auf Ihre Kommentare zu diesen Gedanken.

Lasse Rheingans schreibt über Kulturwandel, New Work, Digitalisierung, Wirtschaft & Management

20 Jahre Digitalbranche, Medienwissenschaftler (M.Sc.), Agentur-Gründer, Berater, Autor, Vortragsredner. CEO von Rheingans (https://rheingans.io). 5h Tag Innovator. Preisträger vom XING New Work Award, Chefsache Award, Preis der deutschen Personalwirtschaft, ….

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