Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Earth Day 2019: Ein Plädoyer für mehr Respekt und Wertschätzung

Nicole Simon

Tag der Erde

Die Zukunft unserer Erde bemisst sich nach Jahrmilliarden, ihr Schicksal aber hängt davon ab, was wir jetzt gemeinsam tun. Wir sind gleichermaßen Bewahrer und Betreiber des Wandels für diesen kostbaren „blassen blauen Punkt“ (James Lovelock). Am 22. April 2019 fand in über 175 Ländern der Earth Day statt. Bolivien schlug 2009 den Vereinten Nationen diesen Tag als "Internationalen Tag der Mutter Erde" vor und griff damit eine Idee des US-Senators Wisconsin Gaylord Nelson auf, der bereits einen Umweltaktionstag initiiert hatte. Seitdem soll der "Tag der Erde" die Weltbevölkerung zum Umdenken der Konsumgepflogenheiten bewegen. So landen täglich Tonnen von Nahrungsmitteln auf dem Müll, obwohl sie noch völlig in Ordnung und genießbar sind. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen werden weltweit jedes Jahr ein Drittel aller zum Verzehr bestimmten Lebensmittel weggeworfen - insgesamt 1,3 Milliarden Tonnen. Andere Schätzungen kommen sogar auf bis zu 50 Prozent aller produzierten Lebensmittel.

2010 unterzeichneten Regierungsvertreter aus 47 Ländern das "Abkommen der Völker" - eine Vereinbarung für die Zukunft, den vom Menschen verursachten Klimawandel zu stoppen. Seinen Ursprung hat der Tag der Erde in einer US-amerikanischen Studentenbewegung von 1970. Seit 1990 folgten immer mehr lokale Earth Days mit individuellem Programm und Zielsetzungen rund um den Umweltschutz. Ziel ist es, vor allem auch junge Menschen aktiv in Umweltprojekte einzubinden. Die Akteure sind Privatpersonen, Verbände, Organisationen, Wissenschaftler, oder Medien, die sich für einen nachhaltigen Lebensstil einsetzen und ihr Engagement öffentlich machen. Alle Menschen sind aufgerufen, ihren Umgang mit Ressourcen, ihrem Konsumverhalten und ihre Müllproduktion kritisch zu überdenken.

Die deutsche Earth Day-Bewegung ist in einem nationalen Komitee e.V. als gemeinnützige Umwelt-Organisation mit Sitz in Frankfurt/Main zusammengefasst. Das Earth Day International Deutsche Komitee e.V. wurde 1994 gegründet und will vor allem die auf dem UNO-Umwelt-Gipfel 1992 in Rio verabschiedete Agenda 21 nachhaltig ausbauen und maximieren und ruft daher alle Bürger auf: "Tut was für die Erde, seid umweltfit und demonstriert euer Anliegen am Earth Day." 

Im 49. Earth Day Jahr 2019 wird mit der Kampagne "SOS (Save Our Species) - Rettet die Arten" gefordert, dass der Artenschutz zu einem fächerübergreifenden Schwerpunkt vor allem auch in der Umweltbildung an Schulen wird. Die Bewegung unterstützt das Engagement der Schülerinnen und Schüler dazu auch am "Friday for Future", um auf das dringliche Thema: "Artenschutz und Klimawandel" aufmerksam zu machen.

2019 wird als entscheidendes Jahr für die Weiterentwicklung und den Schutz von Gesetzen, Richtlinien, Vorschriften und internationalen Kooperationsvereinbarungen zum Artenschutz bezeichnet. „Ohne Insekten überleben die Menschen keine zehn Jahre“, sagte der US-amerikanische Insektenkundler und Biologe Edward O. Wilson. Diesen Satz zitiert auch der Unternehmer Dr. Hans-Dietrich Reckhaus in seiner Dokumentation „Insect Respect“.

Warum Insekten unseren Respekt verdienen

  1. Resilienz: Insekten geben der Natur mehr Widerstandskraft. Nur eine vielgestaltige Natur ist auch resistent.

  2. Bestäubung: Insekten halten die Pflanzenwelt am Leben. Nicht nur Bienen, sondern auch Mücken, Fliegen und weitere Insekten tragen durch Bestäubung oder Samentransport zur Vermehrung der Flora bei.

  3. Ökosystem: Insekten sind ein wichtiger Teil der Nahrungskette.

  4. Futter und Essen: Insekten sichern die Welternährung. Rund ein Drittel aller Nahrungsmittel geht auf die Bestäubung durch Insekten zurück.

  5. Hygiene: Insekten können uns nicht nur von Kot befreien, sondern gleichzeitig diesen Mist in eine sehr proteinreiche Biomasse verwandeln.

  6. Böden: Insekten machen unsere Erde fruchtbar, denn sie sind an der Umlagerung, Durchmischung und Durchlüftung des Erdreichs beteiligt.

  7. Kleidung: Insekten sind für die Textilproduktion unverzichtbar.

  8. Industrie: Insekten produzieren Chemikalien. Sie helfen der Industrie bei der Chemieproduktion.

  9. Medizin: Insekten heilen.

  10. Forschung: Insekten sind wissenschaftlich äußerst wertvoll.

Wiesen statt Krisen

Am Umgang mit Auszubildenden zeigt sich häufig zuerst, wie ernst es Unternehmen mit dem Thema biologische Vielfalt ist. Die Ausbildung junger Menschen ist beispielsweise ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Unternehmensphilosophie der memo AG. Neben der Vermittlung fachlicher Qualifikationen wird vor allem der Umgang mit ökologischen Fragestellungen vermittelt. „Eigenständiges Denken und selbstverantwortliches Handeln ist uns bei unseren Azubis sehr wichtig. Dazu gehört gerade in unserer Branche der ‚Blick über den Tellerrand‘ des eigenen Unternehmens“, sagt Lothar Hartmann, Nachhaltigkeitsmanager der memo AG. Beim Blick aus dem Fenster sehen die Mitarbeiter zu jeder Jahreszeit eine idyllische Landschaft mit Feldern, Wiesen und Wäldern. Angrenzend an das Areal hat die Gemeinde Greußenheim, die bereits mehrfach für ihr Engagement im Natur- und Umweltschutz ausgezeichnet wurde, ein Biotop angelegt. Rund um das Firmengebäude wurde zudem ein Naturgarten angelegt, der mit einheimischen Wildblumen, Sträuchern und Bäumen bepflanzt ist. Ein Teil der Wiese wird in der warmen Jahreszeit nicht gemäht, um Bienen und anderen Insekten wertvollen Lebens- und Nahrungsraum zu geben (Quelle: Nachhaltigkeitsbericht). Wir brauchen den besonderen und tiefen Blick zu den Randzonen und kleinen Dingen des Lebens auch im Nachhaltigkeitskontext, weil er uns hilft, unser Bild von der Welt zu ergänzen.

"Wir tragen die Verantwortung dafür, dass die Biodiversität unser Leben auf diesem Planeten Erde erst und in Zukunft nachhaltig möglich macht. Dafür müssen wir uns sofort in die Pflicht nehmen. Die Kinder, die am ‚Friday for Future‘ weltweit demonstrieren, haben ein Anrecht auf ihre lebenswerte Zukunft und die unseres Planeten Erde", so Earth Day Präsident Thomas Dannenmann. „Ich will, dass Ihr in Panik geratet, dass Ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“ Entweder die Politiker beenden schnell den Ausstoß klimaschädlicher Abgase – oder es kommt der Jüngste Tag. Das sagt die schwedische Schülerin Greta Thunberg, die mit ihrem handgemalten Schild („Schulstreik für das Klima“) die internationale Protestbewegung „Fridays for Future“ ausgelöst hat. Bewegungen fließen, haben keine Hierarchien und ein klares, einfach zu fassendes Ziel. Sie passen in eine Zeit, in der sich Jugendliche nicht festlegen wollen und viele Identitäten haben. Vielen von ihnen ist der Klimaschutz ein besonders wichtiges Anliegen, denn mehr als anderen Generationen ist ihnen bewusst, dass gerade sie von den Folgen des fortschreitenden Klimawandels betroffen sein werden. Sie plädieren für mehr Respekt (von lateinisch respectio „Rückschau, Einschätzung, Betrachtung, Wieder-Schau“, im Sinne von „Beurteilung“, über frz. respect „Hochachtung“) gegenüber der Natur.

Point of View

Respekt ist auch der Leitbegriff des Monats April im aktuellen Kalenderprojekt POINT OF VIEW der Fotokünstlerin Nicole Simon. Ihre Intention dabei war, mit dem Foto bewusst zu machen und verdeutlichen zu können, wie klein wir Menschen im Gegensatz zu riesigen Naturgewalten sind. Es ist der Umgang mit unserer Umgebung, die respektvoll und wertschätzend erfolgen sollte. „Diese Anerkennung sollte in jedem von uns gestärkt in unser Bewusstsein treten. Denn wir sind abhängig von dieser Erde, auf der wir leben!“, sagt Nicole Simon.

Fotografieren ist aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet „mit Licht schreiben“ – und das trifft genau, was sie tut. Das Interview mit ihr im Buch „Visionäre von heute – Gestalter von morgen“ widmet sich ihrer Kunst, die Wirklichkeit eines Momentes in Bildern nachhaltig festzuhalten. Im Mittelpunkt stehen Aspekte des fotografischen Könnens und der beruflichen Meisterschaft. Gezeigt wird Fotografie als Prozess, definiert durch das Miteinander von Künstler und Porträtierten, ein Geben und Nehmen, das von Neugier und Respekt geprägt ist. Im Mittelpunkt steht das Gelingen, aus einer Fotografie einen Erinnerungswert und eine eigene Geschichte zu machen.

Nachhaltigkeit versteht sie nicht nur ökologisch, sondern ganzheitlich. So sollten auch Fotografen bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Nicole Simon betont das „Ineinandergreifen von sozialen Inkompetenzen wie zum Beispiel Diskriminierung oder Diskreditierung durch die Herabsetzung und Benachteiligung einer Person oder einer Gruppe. Hervorgerufen durch eine verbale Entgleisung oder gar ein unsittliches Ausnutzen der Position ohne moralische Leitplanke. Das momentan durch die #MeToo-Debatte immer mehr ans Tageslicht tritt.“ All das sind für sie Tabu-Brüche, denn Fotografie ist etwas sehr Intimes: „Die besten Bilder entstehen durch gegenseitigen Respekt und das Vertrauen zueinander sowie den diskreten Umgang miteinander. Darauf lege ich den größten Wert. Ich finde, in allen Berufen und Disziplinen ist das die Grundlage jeder seriösen Arbeits- und Umgangsweise.“

Mit Werten verbindet die Fotokünstlerin ideelle Eigenschaften mit Verantwortung, die in jedem von uns unterschiedlich angelegt sind. Sie geben uns den Sinn im Leben vor. Es ist eine der wichtigsten und ergiebigsten Aufgaben, diese Werte für sich persönlich herauszuarbeiten. „Sie verhelfen uns zu einem wertvollen Ziel des eigenen wertegestützten Lebens. Ich werde von meinen Werten geleitet und angetrieben, sie zeigen mir worum es überhaupt geht und was wichtig im Leben ist.“ Werte leiten unser Handeln. „Was wäre aus mir geworden, wenn ich nicht immer genötigt gewesen wäre, Respekt vor andern zu haben.“, äußerte Goethe gegenüber Johann Sulpiz Melchior Dominikus Boisserée am 5. August 1815. Auch die Wertvorstellungen von Nicole Simon orientieren sich nach den Erfahrungen und den Erlebnissen ihrer persönlichen Lebensgeschichte. Dadurch wird ihr bewusst, welche Werte in ihrem Leben ihre Handlungen und Gefühle bestimmen. Ihre Wertevorstellung des vernünftigen Handelns basiert auf Haltung, Liebe, Respekt und Vertrauen, sich auf etwas blind verlassen zu können, Fürsorge zu zeigen, um ein respektvolles Miteinander zu haben.

Auch im Businessalltag misst sie diesem Wert eine sehr hohe Bedeutung zu, denn in der heutigen Geschäftskultur scheint er vielfach verloren gegangen zu sein. Eine respektvolle Haltung schließt für Nicole Simon bedenkenloses egoistisches und über die Grenzen des Taktes und des Anstandes hinwegsetzendes Verhalten aus – im Sinne des kategorischen Imperativ von Immanuel Kant, der versucht, einen Maßstab für gerechtes Verhalten zu finden: Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte. Das meint, dass der Mensch, der aus sich heraustritt und sich in andere hineinversetzt, von selbst weiß, wie er sich richtig verhalten muss. Nichts anderes sagen die Sprichwörter: „Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg auch keinem andern zu.“ oder „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“

Respekt, Fairness und Wertschätzung sind für sie eine Grundhaltung in jedem Arbeits- und Lebensbereich. „Respekt, Wertschätzung und Zuverlässigkeit sind die Bausteine und Basishaltungen einer richtig funktionierenden Gesellschaft. Wenn wir das alles verstanden haben, uns respektvoll und wertschätzend verhalten und uns vertrauensvoll aufeinander verlassen können, dann ist das der beste Grundstein für ein dauerhaft erfolgreiches Miteinander.“ Die Kraft in der Gemeinschaft zu fühlen ist ihr besonders wichtig. „Diese Verantwortung zu sehen und zu übernehmen ist ebenso relevant. Man sollte mit dem, was man tut, ernsthaft und gewissenhaft umgehen und versuchen, ein Vorbild zu sein, auch wenn es einmal schwieriger wird, denn das zeigt dann die wahre Größe, denn wir sind nur gemeinsam stark.“

Weitere Informationen:

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen von Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Gut zu wissen... wie es grüner geht: Die wichtigsten Tipps für ein bewusstes Leben. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Johannes Hoffmann: Systemänderung oder Kollaps unseres Planeten. Erklärung der Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating der Goethe-Universität Frankfurt - Arbeitskreis Wissenschaft. Altius Verlag 2016

James Lovelock et al.: Die Erde und ich. Taschen GmbH, Köln 2016.

Hans-Dietrich Reckhaus: Insect Respect. Das Gütezeichen für mehr Nachhaltigkeit im Umgang mit Insekten. Bielefeld: Insect Respect 2015.

Wirklichkeit in Bildern. Interview mit der Fotografin Nicole Simon. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 275-303.

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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