Effizienz braucht Resilienz: Wie sich Unternehmen nachhaltig und zukunftssicher aufstellen
Der Begriff Nachhaltigkeit bezeichnet, was uns trägt und uns hilft, gegen Zusammenbrüche aller Art gefeit zu sein. Das belegt auch ein Zitat des russischen Dichters Leo Tolstoi zeigen, der den jungen adligen Pierre Besuchov in seinem Epos „Krieg und Frieden“ sagen lässt: „Wenn uns etwas aus dem gewohnten Geleise wirft, so denken wir, alles sei verloren. Aber dabei beginnt nur etwas Neues und Gutes“. Das ist ein klarer Ausdruck seiner Resilienz, der zugleich belegt, dass die Fähigkeit, Widerstandskräfte zu mobilisieren, um schwierige Zeiten zu überstehen und dabei seinen Lebensmut nicht zu verlieren, kein Phänomen der Gegenwart ist.
„Der größte Ruhm im Leben liegt nicht darin, nie zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.“ Nelson Mandela
„Resilient“ ist abgeleitet vom lateinischen „resilire“ („zurückprallen, zurückschrumpfen“), das englische Wort resilience beinhaltet zusätzlich die Veränderungskompetenz. Der Begriff Resilienz wurde erstmalig in den 1970er-Jahren verwendet und hat seinen Ursprung in der Kinder- und Jugendpsychologie. Auch die technischen Wissenschaften setzten ihn früh ein, um die Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit bzw. Elastizität von Materialien zu erfassen. „Die ausgewiesene Stärke des Polyamid-Schlauchs ist seine Robustheit“, sagt beispielsweise Jochen Zwicker, der seit über 30 Jahren im Pneumatikgeschäft tätig ist und den Produktbereich Pneumatik beim schwäbischen Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader leitet. Der Polyamid-Schlauch zeichne sich durch „hohe chemische Resistenz und Druckbeständigkeit aus.“
Sinngehalt und Verwendung des Begriffs Resilienz differieren zwar, doch im Kern ist immer die Fähigkeit eines Systems gemeint, auf Krisen und Störungen zu reagieren, sich selbst zu erneuern ohne sich grundlegend zu verändern. Doch was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun? Weshalb ist sie im Kerngeschäft von Unternehmen heute unabdingbar, wenn sie überleben wollen? bedeutet das für die Wirtschaft? Wie können sich Unternehmen gegen künftige Krisen besser wappnen? Was heißt, krisenresistent aufgestellt zu sein? Wie können Unternehmen auf Unwägbarkeiten und Veränderungen schnellstmöglich reagieren? Resilienz sollte nicht als statische Größe gesehen werden, weil sie aus einem prozesshaften, dynamischen Kräftespiel des Schaffens und Bewahrens von kognitiven, emotionalen, strukturellen oder auf Beziehungen gerichteten Ressourcen besteht.
Resilienz setzt das Vorhandensein latenter Ressourcen voraus, die im Falle von Herausforderungen aktiviert und kombiniert werden können.
Sie müssen flexibel, anpassbar sowie dauerhaft verfügbar sein, sodass die Organisation nicht nur erfolgreich mit unerwarteten Ereignissen umgehen kann, sondern daraus auch im Hinblick auf zukünftige Unwägbarkeiten lernt.
Unternehmen stehen heute vor großen Herausforderungen wie Wettbewerbsdruck, Folgen der Globalisierung und des Klimawandels, Hackerangriffe oder neue Viren, demografischer Wandel oder Komplexitätszunahme. Organisationale Strukturen müssen deshalb so gestaltet werden, dass sie flexibel auf zukünftige Probleme reagieren können. Altes Wissen kann sich bei aktuellen Problemen als falsch bzw. hinderlich erweisen und neue Lösungen blockieren. Häufig fehlt in einigen Unternehmen heute „ein Prozess der kontinuierlichen Müllabfuhr“ (Fredmund Malik), ein Prozess, der beständig hinterfragt, ob sich bestimmte Dinge überholt haben und der sicherstellt, dass sich in der Folge davon zu trennen.
Kontinuierliche Weiterentwicklung ermöglicht die Anpassung von Perspektiven und schafft neue Lösungswege. Dabei geht es auch darum, ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln und ihre Instabilitätstoleranz zu erhöhen, denn dadurch können die Richtung und Geschwindigkeit von Veränderungsprozessen beeinflusst werden.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Digitalisierung Unternehmen nicht nur effizienter macht, sondern auch dazu beiträgt, dass sie bei Schocks und Krisen arbeitsfähig bleiben.
Stillstand war für den Druckluftspezialisten Mader in Leinfelden-Echterdingen nie eine Option gewesen. Der Mittelständler ist zwar nicht immun gegen Krisen, doch Führungskräfte und Belegschaft lernen durch entsprechende Anpassungsprozesse, auf unerwartete Ereignisse schnell und richtig zu reagieren. Als bestes Beispiel nennt Ulrike Böhm, die für das Change Management Beispiel ist die Strategieanpassung 2019. Der Nachhaltigkeitsgedanke, der bereits seit Jahren gelebt wird, ist der wichtigste Aspekt in der neu formulieren Unternehmensvision und dem Mission Statement. Das Nachhaltigkeitsmanagement des Unternehmens setzte vor Jahren dort an, wo die Werte im Sinne seiner Vision schrittweise im Geschäftsalltag umgesetzt werden. Ulrike Böhm betont, dass es nicht „der eine große Wurf“ ist, mit dem Mader seine Vision eines nachhaltigen Unternehmens realisieren will. Vielmehr sind es viele kleine Schritte, mit denen man sich der Vision annähert – das Ziel klar im Fokus, aber flexibel bei der Wahl des Weges dorthin. Flache Hierarchiestrukturen erleichtern ein offenes und ehrliches Miteinander und lässt alle Beteiligten gleichzeitig schneller agieren.
„Druckluft-Effizienz ist unsere Leidenschaft“, heißt es in der aktuellen Strategieanpassung, und: „In Zukunft ist Mader AirXpert das Synonym für Energieeffizienz im Druckluftprozess.“ Um dieser Vision näher zu kommen, stellte die Geschäftsführung auch Bestehendes in Frage: Prozesse, Produkte und Strukturen wurden neu bewerte sowie eingeschliffene Wege und Verhaltensweisen aufgebrochen. Hier sind sich aber auch alle bewusst, dass es nicht ausreicht, allein auf Effizienz- und Optimierungsprozesse zu setzen. Wer heute als Unternehmen überleben will, braucht auch den Blick fürs Ganze und muss in der Lage sein, radikal umzudenken. Effizienz allein macht noch kein profitables und nachhaltiges Unternehmen.
Je stärker Organisationen ihre Prozesse digitalisieren, desto resilienter werden sie.
Zuletzt stellten die Unternehmenseigentümer einige Weichen neu: So wurde eine mutige Nachfolgeregelung getroffen mit einer jungen Führungsriege: Bereits Ende 2017 setzten die beiden Inhaber und Geschäftsführer Werner Landhäußer und Peter Maier die personellen Weichen für die Zukunft und beriefen Stefanie Kästle und Marco Jähnig in die Geschäftsleitung des Unternehmens. Beide sind Mitte 30 und haben bereits in unterschiedlichen Bereichen im Unternehmen gearbeitet. Seit Anfang August 2019 führen sie gemeinsam mit Peter Maier die Geschäfte des Unternehmens. „Mit der frühzeitigen Suche nach einer sinnvollen Nachfolgereglung aus den eigenen Reihen investierten die Unternehmenseigentümer in den sicheren Fortbestand von Mader und die Fortsetzung der eingeschlagenen Strategie“, so Ulrike Böhm.
Die Digitalisierung wurde hier von Beginn an als Chance für mehr Nachhaltigkeit betrachtet. Deshalb wurde eigens für die Überführung des Druckluftprozesses in das digitale Zeitalter das Spin-off „LOOXR“ gegründet. Die fortschreitende Digitalisierung bringt mehr Transparenz in den Druckluftprozess. Wo oftmals bis heute unklar ist, wie viel Druckluft der Kompressor tatsächlich produziert und wie viel am Verbrauchsort ankommt und genutzt wird, schafft Sensorik zusammen mit Software Abhilfe.
Von der Digitalisierung des gesamten Druckluftprozesses versprechen sich Werner Landhäußer und Peter Maier nicht nur eine höhere Versorgungssicherheit durch eine permanente Zustandsüberwachung und „Predictive Maintenance“, vielmehr sind sie auch überzeugt davon, „dass mehr Transparenz die Grundlage für die Nutzung der bislang brachliegenden Energieeinsparpotenziale ist.“ Aus dieser Idee heraus treiben sie zunächst die Entwicklung der „Leckage-App“ voran, durch die sich Druckluft-Leckagen digital erfassen und dokumentieren lassen – inklusive automatisierter Bewertung des Einsparpotenzials. Um dies Vision der „digitalen Druckluftkette“ konsequent weiterzuführen, gründeten Maier und Landhäußer 2018 die LOOXR GmbH, einem Software-Unternehmen, das die Idee der smarten Druckluftkette konsequent umsetzt, weiterentwickelt und Unternehmen wie Mader zur Verfügung stellt. Das Beispiel zeigt, dass Nachhaltigkeit der Schlüssel für eine resilientere Wirtschaft sein kann, in der Umweltschutz und natürliches Wachstum keine Gegensätze sind.
Weiterführende Informationen:
Ulrike Böhm: Die Macht der kleinen Schritte. Wie man als mittelständisches Unternehmen zum Klimaretter wird. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Werner Neumüller: Das resiliente Unternehmen im Mittelstand. Am Beispiel der Neumüller Unternehmensgruppe. In: Zukunftsvision Deutschland. Innovation für Fortschritt und Wohlstand. Hg. Marion A. Weissenberger-Eibl. SpringerGabler Verlag, Berlin Heidelberg 2019.