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Da lang bitte! - Christian Thiele | positiv-fuehren.com

Ein Jahresmotto für Team und Organisation – wozu und wie?

Ein gemeinsames Jahresmotto kann für ein Team wie ein innerer Kompass wirken: Es kann die Aufmerksamkeit auf ein verbindendes Ziel oder einen Wert lenken und so das Wir-Gefühl stärken. Studien zeigen, dass Sinnhaftigkeit im Arbeitskontext eng mit Zufriedenheit und Wohlbefinden verknüpft ist.

Ein gut gewähltes Motto bietet Orientierung, verstärkt die Kohärenz und kann die Resilienz eines Teams fördern – ähnlich wie ein Anker in stürmischer See.

Nach der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan kann ein motivierendes Motto drei zentrale psychologische Grundbedürfnisse erfüllen:

  • Autonomie: Teammitglieder erleben sich als Mitbestimmer*innen

  • Kompetenz: Gemeinsame Zielorientierung und -erreichung stärkt Selbstwirksamkeit

  • Verbundenheit: Emotionale Synchronisation des Teams

Studien legen nahe, dass Teams mit einem gemeinsamen Motto signifikant höhere Kohäsions- und Motivationslevel erreichen. Wichtig dabei: Das Motto gemeinsam entwickeln – nicht per Dekret von oben!

Welche Rolle spielt psychologische Sicherheit bei der Implementierung eines Jahresmottos?

Psychologische Sicherheit, definiert als das Vertrauen, dass Fehler und Meinungen ohne Angst vor negativen Konsequenzen geäußert werden können, ist der Boden, auf dem Veränderung gedeihen kann. Ohne diesen sicheren Raum wird ein Jahresmotto schnell zu einer hohlen Phrase, die bestenfalls ignoriert und schlimmstenfalls abgelehnt oder gar zynisch verballhornt wird. Wie bei einer Wanderung durch unbekanntes Terrain: Ohne gutes Schuhwerk (psychologische Sicherheit) nützen auch die besten Karten (das Motto) wenig.

Lade die Teammitglieder ein, Bedenken zu äußern und Ideen einzubringen, um das Motto wirklich zu ihrem zu machen. Auch schrittweise Implementierung mit Reflexionsschleifen („Sind wir da gut auf Kurs?“, „Wo kommen wir unserem Jahresmotto näher, wo eher nicht?“ …) kann hilfreich sein.

Was unterscheidet das Jahresmotto von klassischen Neujahrsvorsätzen, die ja häufig scheitern?

Neujahrsvorsätze haben einen schlechteren Ruf, als sie verdienen, denn die Veränderungsforschung zeigt: Eine neue Beziehung, ein neuer Job, die Rückkehr aus dem Urlaub oder eben auch ein neues Jahr sind als „fresh starts“ gar keine so schlechten Anlässe für Veränderung.

Woran Vorsätze allerdings oft scheitern:

  • zu konkret und rigide

  • mangelnde intrinsische Motivation

  • fehlende Umgebungsunterstützung

Da kann ein Motto sinnvoll sein, da es flexibler, adaptiver und emotional aufgeladener gestaltet werden kann.

Warum ist es wichtig, dass ein Jahresmotto Emotionen weckt?

Emotionen sind wichtige Treibstoffe unseres Verhaltens. Ein Motto, das keine Gefühle auslöst, ist wie ein leerer Akku: Es bewegt nichts. Neurowissenschaftlich aktivieren emotionale Trigger das limbische System und schaffen neuroplastische Veränderungen. Gerade Freude, Zuversicht, Gelassenheit und andere positive Emotionen fördern die Motivation und helfen, Herausforderungen zu bewältigen.

Ein emotionales Motto bleibt auch leichter im Gedächtnis, steckt vielleicht sogar Lieferanten, Kunden und andere Stakeholder an – denken wir an Slogans wie „Just do it“. Wörter, die Bilder im Kopf erzeugen und inspirieren, machen Sinn. „Gemeinsam wachsen“ hat mehr emotionale Power als „25 Prozent plus in 25“.

Wie lässt sich ein Motto langfristig in den Alltag von Teams oder Einzelpersonen integrieren?

Ein paar möglicherweise hilfreiche Impulse könnten sein:

  • (Mikro-)Rituale etablieren: Starte z.B. Meetings mit einer Reflexion über das Motto – zur Erinnerung.

  • Erinnerungen visualisieren: Poster, Screensaver, Kundengeschenke oder kleine Symbole, die das Motto verkörpern, halten es präsent. Auch eine Team-Collage zum Jahresmotto könnte eine Idee sein.

  • Erfolge feiern: Kleine Meilensteine, die das Motto widerspiegeln, verstärken die Wirkung. Regelmäßige Reflexionschecks bringen es in die Kultur – und nicht bloß in den Kalender.

  • Teamverantwortung: „Motto-Botschafter“ können kreativ dafür sorgen, dass es lebendig bleibt. Mit dem Jahresmotto ist es ähnlich wie beim Gießen einer Pflanze: Kleine, regelmäßige Flüssigkeitsimpulse wirken nachhaltiger als einmal eine riesen Gießkanne, sprich: die große Einmalaktion, aus der dann nichts folgt.

Welche Stolperfallen könnten ein Jahresmotto ausbremsen – wie lassen sich diese vermeiden?

Da sind vor allem drei zu nennen:

  1. mangelnde Authentizität: Ein Motto wie „Belegschaft zuerst" wirkt hohl, wenn intern keine wirkliche Anerkennung und Wertschätzung gelebt wird.

  2. Überforderung: Ein zu ambitioniertes, unrealistisches Motto kann Druck erzeugen statt zu inspirieren.

  3. fehlende Einbindung: Wenn das Motto "von oben herab" diktiert wird, entsteht oft Widerstand. Überprüft also regelmäßig, ob das Motto noch relevant und realistisch ist. Es sollte ein Kompass sein – und kein Korsett werden. Regelmäßige Feedbackschleifen können helfen, die Akzeptanz zu steigern.

P.S.: Du machst, Ihr macht, Sie machen das gut!

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Ann-Vanessa Schmitz von der „Deutschen Handwerks Zeitung – DHZ“ hat Cordula Nussbaum, Mara Pairan und mich zu Jahreszielen befragt. Danke für das Interesse! Veröffentlichte Fassung unter diesem Link, hier meine Langversion.

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Literatur

  • Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The "what" and "why" of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry, 11(4), 227-268.

  • Edmondson, A. C. (1999). Psychological safety and learning behavior in work teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383.

  • Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology. American Psychologist, 56(3), 218–226.

  • Gollwitzer, P. M. (1999). Implementation intentions. American Psychologist, 54(7), 493–503.

  • Hackman, J. R., & Wageman, R. (2005). A theory of team coaching. Academy of Management Review, 30(2), 269-287.

  • Immordino-Yang, M. H., & Damasio, A. (2007). We feel, therefore we learn: The relevance of affective and social neuroscience to education. Mind, Brain, and Education, 1(1), 3-10.

  • Oettingen, G., & Gollwitzer, P. M. (2010). Strategies of setting and implementing goals: Mental contrasting and implementation intentions. In J. E. Maddux & J. P. Tangney (Eds.), Social psychological foundations of clinical psychology (pp. 114-135). The Guilford Press.

  • Steger, M. F., Dik, B. J., & Duffy, R. D. (2013). Measuring meaningful work. Journal of Career Assessment, 21(2), 322–337.

Ziele mit Zug aufstellen, verfolgen, erreichen und feiern: Eines der Themen in meinem nächsten Positive-Leadership-Workshop Mitte März nahe München: positiv-fuehren.com/termine

Christian Thiele schreibt über Positive Leadership, Positive Psychologie, Führung, Wirtschaft & Management

Christian Thiele, 48, ist Vortragsredner, Coach, Teamentwickler und Trainer für Positive Leadership. Sein Podcast „Positiv Führen“ ist auf 🎧 positiv-fuehren.com/podcast zu hören, sein Buch "Positiv Führen" ist bei Wiley erschienen. (Ski-)Bergsteiger, (meist) zuversichtlicher Patchworkvater. 

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