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Ein Weckruf für die Zivilisation

Die Klimakrise von unten her anpacken

Schlagartig rückte im November 2018 der Green New Deal in den Mittelpunkt der politischen Debatte. „Neu“ war er allerdings nicht. Seine verschiedenen Versionen eint, dass es jetzt darum geht, sofort und gemeinsam die Ärmel hochzukrempeln und das zu erledigen, was ansteht. Dabei geht es nicht darum, nur zu reden, sondern handfeste Beiträge zu leisten. In ihrem neuen Buch „Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann“ fordert die kanadische Journalistin Naomi Klein eine grundlegende politische Wende nach dem Vorbild des „New Deal“ – jenes Paketes von Wirtschafts- und Sozialreformen, das US-Präsident Franklin D. Roosevelt in den 1930er-Jahren durchsetzte und die amerikanische Demokratie rettete. Genauer untersucht hat Klein das Thema bereits in ihrem Buch „Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima“ (2014). Hier plädierte sie dafür, im großen Maßstab zu denken und ganz tief unten anzusetzen. Seit Jahren ist sie ein prägender Teil der weltweiten Umweltbewegung. Allerdings erkannte sie erst in der letzten Zeit einen deutlichen Kurswechsel im weltweiten Klimaengagement, was auf AkteurInnen wie Extinction Rebellion oder Greta Thunberg zurückzuführen ist. Ihnen ist es zu verdanken, dass der Klimawandel vom abstrakten Phänomen und schwer greifbaren Problem zur akuten Sorge vieler wurde.

„Ich will, dass Ihr in Panik geratet, dass Ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“ (Greta Thunberg)

Viele Botschaften im Buch „Die Entscheidung“ erinnern an Aussagen der schwedischen Schülerin, die sich über Wochen täglich vor den Reichstag in Stockholm setzte und ein Plakat mit der Aufschrift „Skolstrejk för klimatet“ zeigte: „Was ist los mit uns? Was hält uns wirklich davon ab, das Feuer zu löschen, das unser gemeinsames Haus zu verbrennen droht?“ Naomi Kleins neues Buch über den Green New Deal ist eine vertiefende Fortsetzung ihrer Publikation von 2014. Mit Greta Thunberg haben die Themen auch hier ein Gesicht erhalten. Die wichtigste Veränderung, sie vornahm, „hatte nichts mit Ernährung und Fliegen zu tun, sondern betraf die Suche nach einer Möglichkeit, der Welt zu zeigen, dass es an der Zeit war, nicht mehr so zu tun, als sei alles normal, wo doch das Normale unmittelbar in die Katastrophe führte.“ Die Verkörperung der Erkenntnis, dass die Menschheit ihrem Ende entgegengeht, ist auch bei Naomi Klein gegenwärtig, die wie Thunberg, die New Yorker Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez (die in den USA für den Green New Deal kämpft), und die mexikanische Diplomatin Patricia Espinosa (leitet die Klimaschutzbemühungen der UN an) auf die Dringlichkeit des Themas verweist.

Bis 2030 sollen die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen (UN) umgesetzt sein.

Ein Drittel dieser Zeit ist um. Im September 2020 haben die UN haben die „Decade of Action“ ausgerufen - das Jahrzehnt des Handelns. Bereits im September 2019 verwiesen die UN darauf, dass die Entwicklung bei vielen Zielen in die falsche Richtung geht. Im Sommer 2020 übte der Bundesrechnungshof ebenfalls Kritik an der Agenda der Bundesregierung, weil es für die Umsetzung der Ziele fehle es nicht nur an Priorisierung und Abstimmung, sondern ebenso an einer „angemessenen Erfolgskontrolle“ und einer „zielgerichteten Steuerung“. Die überarbeitete deutsche Nachhaltigkeitsstrategie soll das künftig ändern. Die 17 SDGs haben 169 Unterziele. Ihre (Nicht-)Einhaltung hat zwar keine rechtlichen Konsequenzen, doch das Nichterreichen von selbst gesteckten Zielen ist für viele Länder mit einem Gesichtsverlust verbunden. Die Corona-Krise verdeutlicht dies in besonderer Weise (Gefährdung ganzer Berufszweige in Deutschland wie Gastronomie, Tourismus, Kulturbranche). Diese Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf die Bekämpfung von Armut und Hunger, es fehlen Investitionen in saubere Energien (SDG 7) und Klimaschutz (SDG 13) oder für nachhaltige Bildung (SDG 4).

Auch die Wirtschaft kann einen wirkungsvollen Beitrag zur Umsetzung der 17 SDGs leisten.

Unternehmen können unter Beweis stellen, dass sie die großen Herausforderungen der Gegenwart erkannt haben und mit den daraus resultierenden Risiken und Chancen richtig umgehen wollen. Der SDG Compass von Global Compact, Global Reporting Initiative und World Business Council for Sustainable Development sind praxisorientierte Leitfäden, die Werkzeuge und Informationen bieten, um die SDGs in Unternehmensstrategien zu verankern. Viele Unternehmen haben die SDGs von Beginn an in ihre Nachhaltigkeitsprozesse integriert, was sich auch in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung zeigt, zum Beispiel beim Familienunternehmen Häcker Küchen in Rödinghausen. Gegründet wurde es von Herman Häcker im Jahre 1898. Derzeit werden über 60 Länder auf allen Kontinenten damit beliefert. Händler und Endkunden wollen Qualität und Erscheinungsbild nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Fingerspitzen wahrnehmen, bestätigen die Produktentwickler des Unternehmens. Berühren, begreifen und bewegen gehören noch immer zusammen, wenn es darum geht, die kleine und große Welt zu gestalten.

Gute Arbeit hat mit manuellen, intellektuellen und sozialen Fähigkeiten zu tun.

Dabei ist es gerade die junge Generation, die Freude am Tun hat. Jugendliche müssen ernst genommen werden – es sollte deshalb nicht heißen „Ihr schafft das!“, sondern: „Ihr macht das!“ Hinzu kommt, dass der Berufsweg „Handwerk“ mit dem Meisterabschluss auch gezielt auf die Selbstständigkeit und auf nachhaltigen unternehmerischen Erfolg vorbereitet. Ob diese wichtige Botschaft junge Menschen erreicht, hängt auch davon ab, wie sie kommuniziert wird. So ist es Häcker Küchen wichtig zu vermitteln, dass die Digitalisierung Handwerker nicht ins Hintertreffen bringt. Smarte Tools oder Roboter unterstützen sie zwar bei ihrer Arbeit, können diese aber nicht übernehmen. Dass ein Handwerks- und Familienbetrieb an dieser Stelle herausgehoben wird, hat einen tieferen Grund: Denn das Denken in Generationen, die Wertschätzung von Familienbetrieben, der Fokus auf Produkte, die langlebig sein sollen – all das sind für Werner Schnappauf, den Vorsitzenden des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), Kriterien, die für nachhaltiges Wirtschaften stehen. Auch das Handwerk an sich steht für ihn für Nachhaltigkeit, weshalb das Thema in den SDGs ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Überall wird das Handwerk für die Umsetzung der Transformation benötigt. Nachhaltigkeit ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und die Erfahrungswerte aus den Betrieben sind hierbei eine wichtige Ressource.

Weiterführende Informationen:

Endlichkeit schafft Dringlichkeit: Warum jetzt nachhaltig gehandelt werden muss

Was der Europäische Green New Deal für die Bau- und Immobilienbranche bedeutet

Naomi Klein: Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann. Aus dem Englischen von Gabriele Gockel, Sonja Schuhmacher und Barbara Steckhan. Hoffmann und Campe, Hamburg 2020.

Naomi Klein: Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015.

Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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