Eine Lektion in Sachen Demut: Zur Arbeit von Fachpflegekräften in der Hospiz- und Palliativpflege
Die moderne Palliativmedizin fokussiert sich nicht mehr auf die Heilung einer Erkrankung, sondern kümmert sich um eine Symptomlinderung. Sie hilft nicht beim Sterben, sondern beim Leben mit einer unheilbaren Krankheit – auch auf dem Weg zu einem würdevollen Tod. Hospize sind Einrichtungen, die sich auf die Sterbebegleitung konzentrieren. 1967 gründete Cicely Saunders das erste Hospiz in London (das St. Christopher’s Hospice). Die damals 49-jährige Pflegekraft wollte eine Pflege schaffen, die sich auf die Bedürfnisse Sterbender konzentriert. Das ist auch das Ziel der Palliativpflege heute: Schwerkranken und sterbenden Pflegebedürftigen ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Die Pflegeschwerpunkte sind Lebensqualität, Selbstbestimmung, Teilhabe und die Linderung von Symptomen und Schmerzen. Eine Heilung der Pflegebedürftigen wird nicht mehr angestrebt. Unheilbare Krankheiten können bei Menschen mit sehr hohem Alter, aber auch bei Kindern auftreten. Deshalb gibt es auch Kinderhospize, die schwerkranke Kinder behandeln. Palliativpflege kann stationär in Hospizen, Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie Pflegestützpunkten erfolgen. Aber auch ambulant werden immer mehr Pflegebedürftige palliativ betreut. Etwa 40 Millionen Menschen befinden sich weltweit in der palliativen Versorgung.
Für den Anästhesisten und niedergelassenen Palliativmediziner Dr. Matthias Thöns ist die Übertherapie am Lebensende von dramatischer Aktualität. In seinem Buch „Patient ohne Verfügung“ berichtet er von zahlreichen Fällen, in denen schwer Kranke mit den Mitteln der Apparatemedizin behandelt werden, obwohl kein Therapieerfolg mehr zu erwarten ist. Er kritisiert auch, dass jene, die den Arztberuf begreifen, meistens nicht jene Schulabsolventen sind, „die sich durch besonderes soziales Engagement hervortaten oder durch humanitäre Taten glänzten. Die Direktzulassung winkt nur dem, der ein gutes Abitur hingelegt hat. Bisweilen ist dazu gar ein Notendurchschnitt von 1,0 nötig. Wer das schafft, ist gewiss klug und hat mit Ehrgeiz gebüffelt. Aber benötigen wir im Sprechzimmer, im OP oder am Sterbebett wirklich ein Volk von Strebern?“ Um zur Empathie fähig zu sein, braucht es Bauchgefühl und Verstand. Beides finden mündige Patienten seiner Meinung nach eher im Hospiz oder daheim (ambulante Palliativversorgung). Sein Appell: Wir müssen mehr in den Ausbau der Palliativmedizin investieren! Die Medizin muss sich wandeln - weg von der Idee, dass Patient:innenn geholfen ist, wenn sie bis zum letzten Tag noch Therapien erhalten, die vielleicht das Leben um ein paar Tage verlängern, dafür aber die Lebensqualität erheblich reduziert. Nachhaltigkeit bedeutet hier, in der Verantwortung zu sein, die „Ressourcen“ der Patient:innen zu schonen und mit Augenmaß zu handeln, wenn es um Therapieoptionen am Ende des Lebens geht. Ein offenes Ohr und ein gutes und aufrichtiges Wort sind viel wertvoller als jede Pille.
Dazu gehören:
Grundpflege der Pflegebedürftigen und Wundversorgung
Übernahme organisatorischer Aufgaben (Pflegedokumentation, Teilnahme an Visiten und Besprechungen)
Verabreichung von Medikamenten nach Absprache mit dem ärztlichen Fachpersonal
Unterstützung von Ärzt:innen bei der Vorbereitung der Pflegebedürftigen auf diagnostische, therapeutische und operative Maßnahmen
Symptomkontrolle (Sorge dafür tragen, dass die Patienten noch möglichst lange mit einer guten Lebensqualität ihr Leben im Kreis ihrer Angehörigen leben können)
Therapie sämtlicher Beschwerden, die das Lebensende mit sich bringt (Schmerzen, Luftnot, Übelkeit, Unruhe).
Unterstützung der Angehörigen (Gespräche, Hilfe bei der Organisation eines Pflegedienstes administrativen Dinge, schwere Momente des Abschieds).
Sterbebegleitung (Herstellung einer friedvollen und beruhigende Atmosphäre).
Die Arbeit von Hospiz- und Palliativpflegekräften ist zudem täglich aufs Neue eine Lektion in Sachen Demut. Das gelingt manchmal besser - und manchmal weniger gut. Beispielsweise, wenn sie von Einzelschicksalen so emotional berührt sind, dass Türen, die innerlich aufgegangen sind, nicht schnell wieder zugehen. Am Ende eines Arbeitstages kann man emotional nicht einfach „abschalten“ oder verdrängen. Aber es gehört auch zu dieser Aufgabe, das aushalten zu können. Mehr als andere Pflegekräfte erleben Menschen, die im Hospizbereich arbeiten, besondere Formen von Dankbarkeit, mit der ihnen die Patient:innen und Angehörigen begegnen.
Doch wie sieht eine Weiterbildung zur Hospiz- und Palliativpflegekraft aus? Wie wird man zur Fachpflegekraft für Hospiz- und Palliativpflege? Welche Voraussetzungen werden dafür benötigt? Wichtige Tipps dazu gibt Stephanie Haas im Blog der consil med https://consil-med.org/, einer Ärzte- und Fachpflegepersonalvermiitlung mit Sitz in Nürnberg, die Interessierte unterstützt, die in der Palliativpflege arbeiten oder sich weiterbilden möchten. Die wichtigsten Aspekte sind im Folgenden zusammengefasst:
Voraussetzungen:
abgeschlossene Weiterbildung zur Fachpflegekraft für Hospiz- und Palliativpflege (Abschluss als Altenpflegekraft oder als Gesundheits- und Krankenpflegekraft und meist zwei Jahre an Berufserfahrung im Bereich Pflege)
kann berufsbegleitend, in Vollzeit oder innerhalb eines Fernstudiums absolviert werden.
Dauer:
mindestens 160 Unterrichtsstunden (in der Regel über zwei Jahre verteilt).
Inhalte der Weiterbildung zur Hospiz- und Palliativpflegekraft:
Zu den typischen Lernbereichen (je nach Einrichtung) gehören: Grundlagen und Anwendungsbereiche der Palliativmedizin, Qualitätssicherung, basale Stimulation, Kommunikation mit schwerkranken und sterbenden Menschen, psychische Symptome, Kommunikation mit Angehörigen, Trauerphasenmodelle, religiöse, kulturelle und ethische Aspekte, Schmerztherapie, Sterberituale, Care- and Case Management
regelmäßige Teilnahme an Lehrveranstaltungen (Leistungsnachweise)
ggf. Praktikum in einer palliativen Einrichtung
Prüfung mit institutsspezifischem Zertifikat.
Stephanie Haas: Weiterbildung zur Hospiz- und Palliativpflegekraft
Nicht heilbar: Krankheit in Zeiten des Klimawandels - das Leben als Aufgabe
Arne Daniles: Wie wollen wir sterben? In: stern (3.4.2014), S. 79 – 83.
Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.
Hannah Haberland: Letzte Begegnungen. Eine Palliativärztin erzählt. Eden Books, Berlin 2018.
Alexandra Hildebrandt: Das Leben als Aufgabe. Was bleibt. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Matthias Thöns: Patient ohne Verfügung. Das Geschäft mit dem Lebensende. Piper Verlag. 3. Aufl., München 2020.
Stefan Weiler: Letzte Liebeslieder. Was Sterbende wirklich über das Leben und die Liebe denken. Edel Books, Hamburg 2020.
Stefan Weiler: Letzte Lieder – Sterbende erzählen von der Musik ihres Lebens. Edel Books, Hamburg 2017.