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Empirischer Nachweis: Bauchentscheidungen wirken sich positiv auf unsere Stimmung aus

Menschen treffen im Alltag eine Vielzahl von Entscheidungen. Dies erfolgt entweder intuitiv aus dem Bauch heraus oder wohlüberlegt. Eine Forschergruppe unter der Leitung von Professorin Carina Remmers von der Health and Medical University Potsdam (HMU) untersuchte in einem Alltagsexperiment, welche Auswirkungen die beiden Arten der Entscheidungsfindung auf Stimmung und Zufriedenheit von Personen haben. Die Leichtigkeit, eine Entscheidung zu treffen, und das Gefühl der Richtigkeit sollten die Wirkung intuitiver (vs. analytischer) Entscheidungen auf die Stimmung der Teilnehmenden vermitteln. In einer vorab registrierten experimentellen Erfahrungsstichprobenstudie wurden die Teilnehmenden aus der Allgemeinbevölkerung gebeten, anzugeben, wann sie im Laufe von 14 Tagen im Begriff waren, eine alltägliche Entscheidung zu treffen (N = 256 Teilnehmer, 6.779 Entscheidungen). Bei jeder Entscheidung wurden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip angewiesen, entweder auf der Grundlage ihrer Intuition oder auf der Grundlage sorgfältiger Analyse zu entscheiden. Bewertet wurden mehrere Variablen vor und unmittelbar nach der Entscheidung. Später wurde erfasst, ob sie ihre Entscheidungen in die Tat umgesetzt und wie sie sich dabei gefühlt haben.

  • Bauchentscheidungen werden in der Regel mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit auch in die Tat umgesetzt.

  • Aus der Organisationspsychologie ist bekannt, dass das Bauchgefühl bzw. die Intuition häufig von Berufsgruppen wie Feuerwehrleuten oder Piloten genutzt wird, die extrem schnell Entscheidungen treffen müssen. Ihnen hilft ihr Erfahrungswissen.

  • Das Treffen einer Entscheidung (aus dem Bauch heraus oder nach einer analytischen Einschätzung) führt bereits zu einer signifikanten Stimmungsverbesserung.

  • Entscheidungen im Alltag dienen nicht bloß dazu, Ziele zu erreichen, sondern werden auch zur Stimmungsregulation genutzt.

  • Bei intuitiven Entscheidungen greifen Menschen auf eine komplexe Informationsverarbeitung zurück, die auch viele unserer Erfahrungen berücksichtigt.

  • Die Stimmungsverbesserung war bei intuitiven Entscheidungen stärker als bei analytischen Entscheidungen und hielt bis zur Nachuntersuchung an. Dieser Effekt wurde durch die Leichtigkeit der Entscheidung, nicht aber durch das Gefühl der Richtigkeit vermittelt.

  • Intuitive Entscheidungen wurden im Vergleich zu analytischen Entscheidungen eher umgesetzt und führten zu größerer Zufriedenheit und Freude mit der gewählten Option.

  • Mehr Optionen für eine bestimmte Entscheidung zu haben, führte zu einer allgemein besseren Stimmung und Zufriedenheit.

  • Der Bauch entscheidet entlang der eigenen Präferenzen (individuell geprägt von der eigenen Lebens- und Lerngeschichte). Deshalb können solche intuitiven Entscheidungen deutlich leichter gefällt werden.

  • Wenn sich die Umstände rasch ändern und Entwicklungen vom Gewohnten abweichen, können intuitive Entscheidungen auch leicht in die Irre führen.

  • In Zukunft sollte auch untersucht werden, in welchen Situationen das gute Gefühl nach intuitiven Entscheidungen kritisch betrachtet werden sollte. Zudem ist aus der Forschung zu Fake News bekannt, dass Bauchentscheidungen auch dazu führen können, dass zuweilen Informationen Glauben geschenkt wird, die sich gut anfühlen, weil sie in ihr Glaubenssystem passen, obwohl sie eigentlich falsch sind.

Im Sammelband „Bauchgefühl im Management“ haben Werner Neumüller und ich ebenfalls neuere Studien zusammengetragen, die sogar bestätigen: Wer beim Essen der eigenen Intuition folgt, ist zufriedener mit dem eigenen Körper, seinem Gewicht und hat einen niedrigen Nody-Mass-Index, so Dr. Tracy Tylka von der Abteilung für Psychologie der Ohio State Universität. Sie überprüfte den Gesundheitszustand von Collegestudentinnen, die entweder ihrem Bauchgefühl folgten oder klassisch aßen. Intuitivesser haben auch bessere Blutwerte, speisen vielfältiger und genussvoller. Anhand zahlreicher Alltagsbeispiele und Forschungsquellen haben wir aber auch nachgewiesen, dass unsere Intuition nur in den Bereichen treffsicher ist, in denen wir über viel Erfahrung verfügen. Zudem kann sie auch fehleranfällig sein: Wenn als Experte in Gebiete eindringt, in denen er kein Fachmann ist, kann sich fachliche Unerfahrenheit, Selbstüberschätzung und Begeisterung negativ auswirken. Kühle Logik und intensive Gefühle gehören zusammen. Erst diese Verbindung sorgt dafür, unsere Urteilsfähigkeit zu schärfen, um klare Entscheidungen treffen zu können.

  • Die Studie ist im Fachjournal „Emotion“ der American Psychology Association (APA) publiziert: Remmers, C., Topolinski, S., Knaevelsrud, C., Zander-Schellenberg, T., Unger, S., Anoschin, A., & Zimmermann, J. (2024). Hör auf dein Bauchgefühl! Die positive Stimmungswirkung intuitiver Entscheidungen. Emotion. Vorabveröffentlichung im Internet.

  • Go with your gut! The beneficial mood effects of intuitive decisions

  • Denkfallen und Gefühle: Wie entscheiden wir richtig?

  • Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.

  • Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. Goldmann Verlag, München 2008.

  • Gerd Gigerenzer: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. C. Bertelsmann Verlag, München 2013.

  • Richard Graf: Die neue Entscheidungskultur. Mit gemeinsam getragenen Entscheidungen zum Erfolg. Hanser Verlag. München 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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