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Energieeffizienz und Klimaneutralität: wirtschaftliche Notwendigkeit statt „Industrietrend“

Vor dem Hintergrund von Lieferengpässen bei Rohmaterial und steigenden Energiepreisen gewinnt der effiziente Umgang mit knappen und teuren Ressourcen immer mehr an Bedeutung. Der Handlungsdruck ist derzeit bei der Energieeffizienz, die eng verbunden ist mit der CO2-Neutralität, am größten.

„Transformationen in bislang ungekanntem Tempo werden erforderlich sein, um erneuerbare Energien konsequent auszubauen und die Energieeffizienz über alle Sektoren hinweg zu steigern“, sagen Dr. Ruth Heuss, Senior Partner im Berliner Büro von McKinsey & Company, und Stefan Helmcke, Senior Partner im Wiener Büro und Ko-Leiter der globalen Sustainability Practice von McKinsey & Company. Mittelfristig kommen Anwendungen wie Kohlenstoffabscheidung sowie -speicherung und Niedrigtemperaturheizungen auf Wasserstoffbasis hinzu, die derzeit noch erprobt werden.

Die unsichere Entwicklung der techno-ökonomischen und regulatorischen Randbedingungen stellen Unternehmen bei der Identifikation zukunftssicherer und wirtschaftlicher Investitions- und Handelsstrategien vor große Herausforderungen. Zudem wird Energie immer teurer, und CO2-Ausgleichszahlungen, wie sie im Bundes-Klimaschutzgesetz verankert sind, belasten die Industrie zusätzlich. Durch die zukunftsgerichtete Planung unter Berücksichtigung aller technischer und ökonomischer Faktoren können die Beschaffungs- und Investitionskosten der Dekarbonisierung um bis zu 50 Prozent reduziert werden. Zu den Lösungen gehören (Quelle: Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK):

  • Energie- und Ressourceneffizienz durch optimale Prozessparameter

  • Lebenszyklusgestaltung anhand von Nachhaltigkeitskriterien

  • Remanufacturing und Refurbishing für Materialeffizienz und Abfallvermeidung

  • Konzepte der Kreislaufwirtschaft für eine nachhaltige Güterproduktion

  • Nachhaltigkeitsbenchmarking und -cockpits für zukunftsfähige Unternehmensgestaltung.

Das Fraunhofer IPK hat Industrievertreter:innen gefragt, welche Herausforderungen und Bedarfe Fertigungsunternehmen in den nächsten Jahren beschäftigen werden. Das Ergebnis: Neben Digitalisierung und Vernetzung haben fünf FuE-Trends branchenübergreifend oberste Priorität:

1. Datenmanagement, -vernetzung und -analyse

Ziel: Mit datengetriebenen Lösungen Prozesse effizienter zu gestalten oder neue Geschäftsmodelle zu generieren.

Lösungen:

  • IIoT-Architekturen, die aus Rohdaten aussagefähige Daten extrahieren

  • Cloud- und Edge-Technologien zur Anwendung in der Produktion

  • Datendurchgängigkeit auf Basis von PDM, PLM und weiteren Technologien

  • Digitale Zwillinge für alle Unternehmensbereiche und Technologieebenen

  • Unternehmenscockpits, die domänenübergreifend Daten zusammenführen

2. Fertigungssysteme und Produktionssteuerung

Ziel: Fertigung ohne Takt und Band, Fertigungssysteme und Produktionssteuerung mit dem Tablet, Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz , Anwendung energieeffizienterer physikalischer Grundprinzipien im Maschinenbau.

Lösungen:

  • Agiles Prozessmanagement für flexible Produktionsorganisation

  • Virtuelle und physische Adapter und Sensoren als Basis für Vernetzung

  • Modulare Shopfloor IT zur Synchronisierung heterogener Produktionssysteme

  • Intraprozesslogistik mit fahrerlosen Transportsystemen

  • Teilautonome Prozessketten bis hin zu selbstorganisierender Produktion

  • Virtuelle Inbetriebnahme mit digitalen Prozess-, Fabrik- und Anlagenzwillingen.

3. Intelligente mechatronische Anlagentechnik

Lösungen:

  • Sensorik für Anlagen für Erstausstattung und Retrofit

  • Bearbeitungsstrategien und -technologien für neue Werkstoffe

  • Kraftgeregelte und handgeführte Robotik für Bearbeitung und Handling

  • Innovative Fertigungsverfahren wie Additive Fertigung oder Spritzguss mit metallischen Werkstoffen

  • Sensorintegration in additiv gefertigte Bauteile.

4. Wissen und Assistenz in der Produktion

Ohne qualifizierte Mitarbeitende geht in der Produktion nichts. Sie müssen auch in der Produktion bestmöglich unterstützt werden, ihr Wissen zu übertragen und ihre Arbeitsfähigkeit möglichst lange zu erhalten.

Lösungen:

  • Semantische Datenstrukturen als Basis für intelligente Interpretation

  • Entscheidungsvorbereitung auf Basis automatisierter Datenauswertung

  • Interaktive Assistenzsysteme mit kontextsensitiver Benutzendenführung

  • Ergonomie- und Kraftunterstützung mit körpergetragener Robotik

  • Wissens- und Kompetenzmanagement mit effektiven, systematischen Lösungen

  • Serious Games und Lernfabriken zur Qualifizierung für die digitale Transformation

  • KI hilft bei Dekarbonisierung von Unternehmen.

5. Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit

Unternehmen sollten ihre Anstrengungen transparent machen (z.B. bei der Bilanzierung, Zuliefernetz).

Die genannten Aspekte finden sich auch im Herausgeberband „Klimaneutralität in der Industrie“, in dem ebenfalls Handlungsempfehlungen vorgestellt werden, die sich aus konkreten Problemstellungen ableiten. Es wird allerdings auch gezeigt, dass es immer noch Unternehmen gibt, welche die Dynamik des Themas Klimaneutralität unterschätzen und die Kosten der Transformation scheuen. Gezeigt wird deshalb auch, dass es langfristig teuer wird, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben – und dass der Weg zur Klimaneutralität kein Versprechen zu einer verheißungsvollen Zukunft ist, sondern zu einer, die eine Katastrophe vermeiden muss. Dieser Sammelband ist zugleich eine Fortschreibung der Bände „CSR und Energiewirtschaft“ und „CSR und Digitalisierung“, denn die Digitalisierung ist eine treibende Kraft gegen den Klimawandel. Der sinnvolle Einsatz digitaler Technologien kann fast die Hälfte der notwendigen CO2-Einsparungen beisteuern, die wir zur Erreichung des Klimaziels benötigen. Entscheidende Sektoren sind hierbei die industrielle Fertigung, Energie, Mobilität und Gebäude.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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