TECHNOSEUM Mannheim/Schneider

Engagement macht stark

Interview mit Dr. Constanze N. Pomp

Sich freiwillig für andere Menschen und gute Zwecke einzusetzen, entspricht auf den ersten Blick nicht der Logik des eigennützig motivierten Menschen (Homo oeconomicus). Doch warum tun es so viele? Zeit herzugeben wird von den meisten nicht als „Opfer“ empfunden, sondern als innere Erfüllung. Bürgerschaftliches Engagement ergänzt vielerorts die Aktivitäten von Staat und Wirtschaft – mit weniger bürokratischem Aufwand und geringerem ökonomischen Druck. Deshalb ist im Gegensatz zum politischen Engagement die Bereitschaft zum sozialen und ökologischen Engagement auch weitaus höher. Denn es ist mit aktivem Handeln verbunden: nachhaltig, zwischenmenschlich und direkt. Alle Engagierten spüren, dass das, was sie tun, richtig ist, weil sie im Alltag einen tieferen Lebenssinn finden und die eigenen Stärken in den Dienst einer höheren Sache stellen.

Frau Dr. Pomp, wie kamen Sie zu den Themen der Freiwilligenkoordination und des Freiwilligenmanagements?

Das ergab sich unmittelbar aus meiner beruflichen Tätigkeit. Seit März 2019 bin ich im TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim in der Stabsstelle Freundeskreise und Ehrenamt mit der Koordination unserer inzwischen 160 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Im Jahr 2006 wurde im TECHNOSEUM eigens eine hauptamtliche Stelle dafür geschaffen, die Stelleninhaberin ist zu hundert Prozent nur für die ehrenamtlich Tätigen zuständig. Als Koordinatorin begleite ich unsere Ehrenamtlichen in ihrem Engagement und bin als ihre feste Ansprechpartnerin das Bindeglied zwischen unseren ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen.

Was bedeutet das konkret?

Mit einer gewissen Anzahl an Ehrenamtlichen steigen automatisch die organisatorischen Anforderungen. Dies wird beispielsweise in der Entwicklung von nachhaltigen Rahmenbedingungen erkennbar. Hier kommen die Freiwilligenkoordination und das Freiwilligenmanagement ins Spiel. Eine systematische Engagement-Förderung setzt sich aus der praktischen Umsetzung verschiedener Elemente zusammen, wie Bedarfserfassung, Gewinnung von Ehrenamtlichen, Erstgespräch (Matching), Orientierung und Einarbeitung, Begleitung und Anerkennung sowie einer Verabschiedungskultur. Mein Aufgabengebiet ist aber noch viel weitreichender: Es beinhaltet darüber hinaus die Entwicklung neuer Engagement-Angebote, eine regelmäßige Zufriedenheits-Evaluation der Ehrenamtlichen sowie den Aufbau von Kooperationen mit externen Netzwerken. Dies alles trägt zu einem nachhaltigen Engagement bei.

Konkret geht es um ein „Engagement FÜR die Engagierten“. Aus diesen Gründen ist es bedeutsam, über vielfältige Kenntnisse der Freiwilligenkoordination und des Freiwilligenmanagements zu verfügen und setzt stete Weiterbildungen voraus.

Welche Weiterbildungsmöglichkeiten haben Sie genutzt?

Ich absolvierte Weiterbildungen bei der „Beratergruppe Ehrenamt – Kompetenznetzwerk Freiwilligenmanagement“ zu den Themen Freiwillige gewinnen und begleiten und erwarb ein Zertifikat für Inhouse-Schulungen zur Engagement-Begleitung. An der „Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland“ ließ ich mich zur Freiwilligenkoordinatorin ausbilden.

Haben Sie sich schon vorher engagiert?

Ja, ich habe hier bereits eigene Erfahrungen sammeln können. Während meines Studiums war ich ehrenamtlich als Assistentin der Museumsleitung im Schwarzwälder Skimuseum in Hinterzarten tätig. Kleine Museen, Heimatmuseen, und wie in meinem Fall, Spezialmuseen, sind häufig erst aufgrund bürgerschaftlicher Initiativen entstanden und auf ehrenamtliches Engagement angewiesen, um den Museumsbetrieb gewährleisten zu können. Ich kenne somit beide Perspektiven und weiß aus persönlicher Erfahrung, wie wichtig die gelebte Anerkennungskultur und die Wertschätzung der ehrenamtlichen Tätigkeit sind.

Während meines wissenschaftlichen Volontariats engagierte ich mich ehrenamtlich im Arbeitskreis Volontariat im Deutschen Museumsbund. Der Arbeitskreis vertritt die Interessen der Volontärinnen und Volontäre an Museen, Gedenkstätten sowie in vergleichbaren kulturellen Einrichtungen in Deutschland. Während dieser Zeit initiierte ich mit meinen damaligen Kolleginnen des Arbeitskreises zur praxisnahen Unterstützung die „Starthilfe. Handreichung für das wissenschaftliche Volontariat im Museum“ und verfasste diese maßgeblich mit.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für das Themenfeld?

Nachhaltigkeit bedeutet, etwas für nachfolgende Generationen zu tun und der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können. Wer sich freiwillig engagiert, übernimmt Verantwortung: nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere und für das Gemeinwesen. In diesem Zusammenhang heißt Nachhaltigkeit auch Flagge zu zeigen und bereit zu sein, für ein gesellschaftlich relevantes Anliegen öffentlich einzutreten und gegen eventuelle Anfeindungen zu verteidigen. In Bezug auf die nachhaltige Entwicklung durch bürgerschaftliches Engagement sagte einmal Ursula von der Leyen: „Denn die Zukunft, das lehrt uns der Begriff der Nachhaltigkeit, wird uns morgen und übermorgen genau das bringen, was wir der Zukunft heute entgegengebracht haben. Die Zukunft hat schon begonnen.“

Welche Auswirkung hat Corona auf die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen im TECHNOSEUM?

Natürlich gilt unsere Fürsorgepflicht stets unseren ehrenamtlichen Kräften, besonders unter Corona-Bedingungen, d. h. alle Engagements mussten wegen Covid19 von März bis Juni ruhen. Erst seit Ende Juni können einzelne Tätigkeiten unter Berücksichtigung der vorgegebenen Hygiene- und Abstandsvorschriften teilweise wieder ausgeübt werden. Leider müssen viele Engagementbereiche immer noch inaktiv bleiben.

Zahlreiche unserer Ehrenamtlichen gehören der sogenannten Risikogruppe an und erlebten natürlich auch in ihrem Alltag starke Einschränkungen und den Verlust wichtiger Ankerpunkte. Hier war Zusammenhalt gefragt und das Kontakthalten besonders wichtig. Während der intensiven Phase von März bis Juni habe ich deshalb wöchentlich ein bis zwei E-Mails an sie geschrieben. Darin informierte ich über die aktuelle Situation im TECHNOSEUM und über unsere digitalen Angebote. Mit interessanten Links u. a. aus der Museumslandschaft versuchte ich, die Corona-Ausnahmesituation etwas erträglicher zu machen. Ein kleines Video mit einer Grußbotschaft aus dem Homeoffice gehörte ebenfalls dazu. Ich habe aber nicht nur Mails geschrieben, sondern auch viele Telefonate mit unseren Ehrenamtlichen geführt. Darin erkundigte ich mich, wie es ihnen in der aktuellen Situation geht, habe mit ihnen geplaudert, mir Zeit genommen und zugehört. Was mich besonders freute, war das enorme positive Feedback unserer Ehrenamtlichen.

Inwiefern kann der Staat als Impulsgeber für bürgerliches Engagement sein?

Im Juni dieses Jahres gründeten das Bundesfamilienministerium, das Bundesinnenministerium und das Bundeslandwirtschaftsministerium gemeinsam die „Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt“. Diese deutschlandweit aktive Stiftung soll das Engagement anerkennen, wertschätzen, fördern und stärken. Vereine und Zivilgesellschaft sollen mit Rat und Tat unterstützt werden. Deshalb möchte die neue Stiftung ein Kompetenz- und Servicezentrum für das Ehrenamt aufbauen, das sich auch der Strukturstärkung im ländlichen Raum zuwendet. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt wird auf der Digitalisierung liegen.

Welche Möglichkeiten gibt es, um auf ehrenamtliches Engagement aufmerksam zu machen?

Etwa 30 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich. Aktuell veranstaltet das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) die Engagementwoche mit dem Schwerpunktthema „Engagement und Klimaschutz“. Es ist Deutschlands größte Freiwilligeninitiative, die jährlich stattfindet. Viele Projekte können kennengelernt, und gleichzeitig darf mit angepackt werden. Vergangenes Jahr nahmen wir mit den Ehrenamtlichen des TECHNOSEUM daran teil; wir konnten die große ehrenamtliche Unterstützung sichtbar machen und das breite Spektrum möglicher Tätigkeitsbereiche am Museum vorstellen. In diesem Zusammenhang entstand das Aktionsfoto mit dem Kampagnenspruch „Engagement macht stark“. Aufgrund von Covid19 können wir uns in diesem Jahr leider nicht daran beteiligen.

Aber ich freue mich, dass das TECHNOSEUM an dem Freiwilligentag der Metropolregion Rhein-Neckar, der am 19. September 2020 veranstaltet wurde, mit einem Projekt vertreten war. Wir haben eine Freiluftaktion im denkmalgeschützten Museumspark unter dem Motto angeboten: „Wir schaffen was“. Gemeinsam mit 20 Freiwilligen haben wir uns dort betätigt, d. h. Wege gesäubert, Müll entfernt und auch Insektenhotels angebracht.

Weiterführende Links:

https://www.technoseum.de/ehrenamt/

https://www.deutsche-stiftung-engagement-und-ehrenamt.de/

https://www.engagement-macht-stark.de/

https://www.wir-schaffen-was.de/

Zur Person:

Dr. Constanze N. Pomp studierte an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz im Magisterstudiengang das Hauptfach Kulturanthropologie/Volkskunde sowie die Nebenfächer Buchwissenschaft und Christliche Archäologie & Byzantinische Kunstgeschichte. 2014 wurde sie dort promoviert und hatte Lehraufträge am Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft. Von 2017 bis 2019 absolvierte sie am TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim ihr wissenschaftliches Volontariat. In dieser Zeit arbeitete sie unter anderem bei der Konzeption der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg „Fertig? Los! Die Geschichte von Sport und Technik“ mit. Von 2018 bis 2019 war sie im Arbeitskreis Volontariat des Deutschen Museumsbundes (DMB) aktiv. Seit März 2019 ist sie am TECHNOSEUM in der Stabsstelle Freundeskreise und Ehrenamt für die Koordinierung der Ehrenamtlichen zuständig.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen