Erleuchtete Gegenwart: Warum die Zeit reif für Orange ist
Laut Pantone Trendreport war Orange die Farbe des Jahres 2018. Bereits ein Jahr zuvor stellte Häcker Küchen in Rödinghausen neue Schichtstoffkonzepte vor, zu denen mit Orange und Limette auch zwei neue Umfeldfarben gehörten, die ein junges, trendiges Publikum ansprechen sollten. Der Farbton „Russet Orange” (warmes Orange) wird fast in jeder Herbst-Modenschau präsentiert. Damit werden vor allem Sonnenuntergänge und positive Emotionen verbunden. Dies lässt sich auch durch die Eigenschaft von Orange als Komplementärfarbe von Blau erklären: Blau ist die Farbe der Ferne, Orange die Farbe der Nähe - Blau ist aber auch die Farbe der Kälte und Orange die Farbe der Wärme. Im Buddhismus ist sie mit der höchsten Stufe der menschlichen Erkenntnis verbunden. Deshalb sind die Gewänder der buddhistischen Mönche Orange.
Goethe bezeichnet das leuchtende Orange als "Hohes Gelbrot" oder „Scharlachrot": „Die aktive Seite ist hier in ihrer höchsten Energie, und es ist kein Wunder, daß energische, gesunde, rohe Menschen sich besonders an dieser Farbe erfreuen. Man hat die Neigung zu derselben bei wilden Völkern durchaus bemerkt. Und wenn Kinder, sich selbst überlassen, zu illuminieren anfangen, so werden sie Zinnober und Menning nicht verschonen". Auch der Maler, Grafiker und Kunsttheoretiker Wassiliy Kandinsky sagte über die Farbe Orange: „Es ist einem von seinen Kräften überzeugten Menschen ähnlich und ruft deswegen ein besonders gutes Gefühl hervor.“
Der Lifestyle war geprägt von Blumenmustern, schrillen, bunten Farben, weichen und runden Formen. Durch die übermäßige Verwendung von Orangetönen (kombiniert mit billigem Plastik) erhielt die Farbe allerdings bald ein schlechtes Image. Die Menschen haben sich daran satt gesehen, und so verschwand Orange zunächst wieder. Erst in den letzten Jahren wurde die Farbe wiederentdeckt. Eine Ausnahme sind die Verpackungen in der Signal-Farbe des Luxus-Labels Hermès, die durch Zufall entstanden: Als im Zweiten Weltkrieg Kartons knapp wurden, wurde vom ursprünglichen Cremeweiß zu senffarbenen Kartons gewechselt – letztlich zur einzigen Farbe, die in der Material not übrig war (leuchtendes Orange).
Noch immer führen fast alle Bekleidungsmarken orangefarbene Kollektionen. „Denn an der Farbe [der Kleidung] läßt sich die Sinnesweise, an dem Schnitt die Lebensweise des Menschen erkennen“, schrieb schon Goethe, ohne den dieser Trend keine Tiefe hätte. Die Sonnenbrille von Marc Jacobs, der an einen Kürbis angelehnte Sessel und Pouf „Pumpkin“ von Ligne Roset oder die Armbanduhr „Pumpkin Rebel“ von Swatch wären ohne ihn einfach nur Lifestyle-Produkte. Um die Tiefe an der Oberfläche zu sehen, braucht es einen nachhaltigen Zugang. So gibt es sogar im Onlineshop eines Öko-Pioniers in Orange Bürohocker und -drehstühle, Brotdosen, Badepralinen "Orange Grapefruit", Yoga- und Meditationskissen oder Stehsammler – aber auch ein Duftöl „Orange“, das mit der Frucht des immergrünen Zitrusbaums hergestellt wurde (Quelle: memolife).
Damit wird zugleich auf den Ursprung von Orange verwiesen – seine Wurzeln liegen unter der Erde, wo der Orangenbaum in China seine Wurzeln schlägt. Der Zwischenton von Gelb zu Rot ist allerdings erst mit allgemeiner Verbreitung der Südfrucht zum anerkannten Farbnamen geworden. Die erste Strophe von Goethes Mignon ist die Hymne auf den Traum vom Süden:
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
Seit 1791 beschäftigte er sich intensiv mit der Farbenlehre und veröffentlichte 1810 sein Buch dazu. Er schrieb an seinen Farbkreis gelbroth und rothgelb und bezeichnete die Wirkung als „edel“. Orange ist das Gelbe - gesteigert ins Rötliche. Es ist die Farbe der Glut und der untergehenden Sonne. Sie erinnert an die lebendige Natur, in der nichts geschieht, „was nicht in der Verbindung mit dem Ganzen steht.“ (Goethe)
Die Zeit ist reif, Nachhaltigkeit in einem anderen Licht zu sehen.
Weiterführende Literatur:
Goethe: Schriften zur Farbenlehre. Vierter Band. Didaktischer Teil und Tafeln. Hermann Böhlau, Weimar 1973.
Wirklichkeit in Bildern. Interview mit der Fotografin Nicole Simon. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 275-303.