Es ist Zeit, auf die leisen Stimmen zu hören!
In vielen Bereichen wird laut gepoltert, in der öffentlichen und nicht öffentlichen Politik, in den sozialen Medien, auf der Straße, gefühlt überall. Wer glaubt, eine Meinung zu haben, die andere noch nicht gehört oder nicht angenommen haben, verschafft sich mit viel Getöse Aufmerksamkeit.
So weit, so schlecht.
Doch wie machen wir das bei der Arbeit? Sind „wir“ da auch so „laut“?
Viele sind hier leiser. Von den vielen wichtigen Stimmen werden hier nur (IMHO „zu“) wenige gehört. Es scheint, als bräuchte es eine Qualifikation, um zu wagen, etwas zu sagen. In manchen Organisationskulturen qualifiziert Rücksichtslosigkeit, Eloquenz, Eitelkeit oder Selbstüberschätzung. In anderen ein hohes Gehalt, eine herausragende hierarchische Stellung, ein gutes Netzwerk.
Noch zu selten sind es fachliche Kompetenz, Kundennähe oder ein Gespür für soziale oder technologische Entwicklungen.
Schwierige Themen laut aus- und anzusprechen ist nicht einfach. Es zuzulassen und zu fördern noch weniger. Gerade im hektischen Arbeitsalltag findet sich zu selten Gelegenheit, konstruktive Kritik zu äußern und in einen inkludierenden Dialog zu gehen. Das verschleppt wichtige Impulse und vergiftet die Beziehungen.
Es braucht methodische Vielfalt zur Lösung dieses Problems. Nicht jeder kann vor Gruppen frei sprechen, nicht jeder findet leicht die richtigen Worte, nicht jeder schreibt gut. Mancher braucht Mimik, Hände, Füße und Mund, um die Gedanken verständlich zu formulieren.
Gehört zu werden, gehört werden zu können ist ein zunehmend relevantes kulturelles Merkmal. Es ist Element eines guten Organisationssystems, mit dem wir lernen müssen, richtig umzugehen, um sein gesamtes Potenzial zu erkennen und zu nutzen. Gelingt es, das richtige Maß zu finden, ist es selbstverstärkend und schafft Klarheit. Dann ist es ein Gewinn für alle.
Es erfordert, genau hinzuhören und zu reflektieren, wer warum und vor welchem Hintergrund so laut ist. Er erfordert, die Show vom relevanten Kern zu befreien, rationale, gute Gründe von persönlichen Befindlichkeiten zu unterscheiden, Meinungen von subjektiven Wahrnehmungen oder Fakten zu trennen. Es erfordert Verständnis für das Gegenüber und das Sub- und Gesamtsystem, um die Relevanz für das Unternehmen einschätzen zu können. Die Stillen, Bedachten, Introvertierten dabei nicht zu übersehen ist eine besondere Kunst.
Der Raum für einen solchen Austausch ist in Unternehmen nur sehr sehr selten vorhanden. Es ist ein kulturelles Geschenk, das Personal- und Organisationsverstand benötigt, um geeignet etabliert zu werden. Es ist ein Feld, das sich zu beackern lohnt, denn der Gewinn an Energie und Engagement, an Identifikation und Loyalität, an Stolz und Perspektive ist Leistungsbereitschaft pur. Leistungsbereitschaft, die gepaart mit guten neuen Ideen umso leichter Erfolge beschert.