Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring

für Finanzdienstleistung, Banken und Sparkassen

Finanzwissen? Mangelhaft!

Mehrere Studien zeigen: Schulen vermitteln Wissen über Finanzen nur mangelhaft oder gar nicht. Die Folge: Jugendliche haben eklatante Lücken in der Finanzbildung. Das wirkt sich bis ins Erwachsenenleben aus.

Einer Umfrage der Investmentgesellschaft Union Investment zufolge schätzen junge Erwachsene in Deutschland ihr Wissen über Finanzthemen als eher gering ein. Die Schuld dafür geben sie vor allem dem Bildungssystem. Auch Medien und Politik nehmen sie in die Pflicht.

Demnach würden 32 Prozent der jungen Erwachsenen, die noch zur Schule gehen, ihr Finanzwissen nur mit mangelhaft bis ungenügend benoten. 61 Prozent aller Befragten im Alter von 18 bis 29 Jahren geben an, dass ihr Wissen über die Themen Geld und Finanzen nur befriedigend bis ausreichend sei. 19 Prozent würden sich gar die Schulnote mangelhaft oder ungenügend geben. Nur 19 Prozent hätten ihre Kenntnisse auf gut oder sehr gut geschätzt. Im Durschnitt bewertete man sich selbst mit einer Schulnote von 4,8.

Große Wissenslücken gebe es vor allem bei vermögenswirksamen Leistungen: 53 Prozent wisse gar nichts oder nur wenig darüber. Auch beim Begriff „Rendite“ müssen viele passen: 52 Prozent der Befragten würden sich hier schlecht oder gar nicht auskennen. Beim Thema Zinsen würden immerhin 35 Prozent meinen, sich gut oder sehr gut auszukennen. Doch auch 32 Prozent wüssten nur ausreichend bis ungenügend darüber Bescheid.

Eine Umfrage des Bankenverbandes unter 14- bis 24-Jährigen zeigt, dass 44 Prozent der Befragten mit dem Begriff „Inflationsrate“ nichts anfangen können. 86 Prozent wüssten nicht annährend, wie hoch die derzeitige Inflationsrate in Deutschland ist. 68 Prozent hätten keine oder eine falsche Vorstellung davon, wofür die Europäische Zentralbank zuständig ist. 83 Prozent seien nicht in der Lage, die Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB) zu benennen. 31 Prozent könnten nicht erklären, was eine Aktie ist.

Diese Ergebnisse seien laut Studienautoren eine deutliche Verschlechterung gegenüber der letzten Befragung im Jahr 2018. Damals konnte mehr als die Hälfte der jungen Leute die Funktion der EZB benennen.

Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind sich ihrer Wissensdefizite jedoch offenbar bewusst: 77 Prozent fordern die Einführung eines entsprechenden Unterrichtsfachs, um diese zu füllen.

Eine Umfrage der Finanztip-Stiftung bestätigt die Ergebnisse: Praktisches Finanzwissen ist in Deutschland nicht weit verbreitet. Für die Studie befragte man rund 3.000 Menschen im Alter von 16-69 Jahren zu Themen wie Aktien, Kredite oder Versicherungen.

Wer alle Fragen der Umfrage richtig beantwortet hatte, konnte maximal 12,5 Punkte erreichen. Mehr als die Hälfte schaffte jedoch maximal sechs Punkte – in der Schule wäre das eine Vier minus oder schlechter. Beispielsweise habe die Hälfte der Befragten nicht gewusst, dass Dispozinsen sofort anfallen, wenn das Girokonto ins Minus rutscht. Knapp 25 Prozent gingen von einem kostenlosen Dispokredit aus, solange das Konto am Monatsende wieder ausgeglichen werde.

Handlungsauftrag für die Politik

Die Ergebnisse aller drei Studien legen alarmierende Bildungslücken offen und zeigten deutlich, dass Wirtschafts- und Finanzthemen einen höheren Stellenwert in den Schulen und Lehrplänen erhalten müssten. Die nächste Bundesregierung habe an dieser Stelle einen Auftrag zu erfüllen.

Ohne ausreichende Wirtschafts- und Finanzbildung fehle den Jugendlichen das Rüstzeug, um Welt und Alltag zu verstehen. Es solle Aufgabe der Schule und dort nicht zuletzt der ökonomischen Bildung sein, dieses Wissen zu vermitteln. Nur so könnten junge Menschen die bestmöglichen Chancen für einen erfolgreichen Berufsstart erhalten.

Weitere Informationen zu den Studien finden Sie im Bank Blog, dem führenden Internetmagazin für Fach- und Führungskräfte in der Finanzbranche. 

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Weiterführende Informationen

Schulen vermitteln mangelhaftes Finanzwissen

Eklatante Lücken in der Finanzbildung Jugendlicher

Finanzwissen in Deutschland ist mangelhaft

Wer schreibt hier?

Dr. Hansjörg Leichsenring
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Herausgeber, Experte für Digitalisierung und Innovation im Banking, Der Bank Blog

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Seit über 30 Jahren befasse ich mich beruflich mit Banken und Finanzdienstleistern und berichte als Herausgeber und Autor des Bank-Blogs regelmäßig über aktuelle und grundsätzliche Entwicklungen und Trends rund um Banken und Finanzdienstleister.