Frauen sollten nicht nur für andere sorgen, sondern auch für sich selbst. - ©Getty Images

Frauen, lasst uns über Geld reden!

Warum wir die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen noch stärker zum gesamtgesellschaftlichen Thema machen müssen.

Der Weltfrauentag und der Equal Pay Day sind gute und wichtige Anlässe, um über Frauen und ihre finanzielle Unabhängigkeit zu sprechen. Denn auch 2023 stehen Frauen in Deutschland finanziell immer noch deutlich schlechter da als Männer - und daran muss sich etwas ändern. Nicht nur im System, sondern auch in unseren Köpfen. Zu viele Frauen stecken in ihrer Karriere immer noch zurück, um sich um die Familie zu kümmern, oft auf Kosten ihrer finanziellen Unabhängigkeit.

Das liegt allerdings nicht daran, dass sie komplett zu Hause bleiben. Deutschland hat im Vergleich zu anderen Ländern der EU mit über 75 Prozent die dritthöchste Erwerbstätigenquote bei Frauen, Tendenz steigend. Doch obwohl sich das erst einmal gut anhört, erfolgt die Ernüchterung auf dem Fuß. Denn: Unter den deutschen Erwerbstätigen, die in Vollzeit arbeiten und sozialversicherungspflichtig angestellt sind, ist nur ein Drittel weiblich. An dieser Quote hat sich in den vergangenen zehn Jahren nichts geändert. Bei denen, die in Teilzeit angestellt sind, beträgt der Frauenanteil 78 Prozent, bei den geringfügig Beschäftigten sind es 65 Prozent.

Das liegt in erster Linie daran, dass Care-Arbeit auch heute noch eine überwiegend weibliche Domäne ist. Frauen treten im Job kürzer, um sich um ihre Kinder zu kümmern oder später im Leben um pflegebedürftige Angehörige. Und oft ergibt dieses Arrangement sogar wirtschaftlich für das Haushaltseinkommen Sinn, denn Männer verdienen im Regelfall mehr. Laut Statistischem Bundesamt lag der sogenannte Gender-Pay-Gap, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, 2022 weiterhin bei 18 Prozent. Im europäischen Vergleich landen wir Deutschen damit übrigens auf einem der letzten Plätze. Auch darum steigen Frauen deutlich öfter aus ihren Jobs aus als ihre Partner.

Nicht nur für andere sorgen, sondern auch für sich selbst

Ich habe es in meinem privaten Umfeld leider oft genug erlebt, dass eine langjährige Ehe oder Partnerschaft auseinander geht – und damit auch das lange funktionierende Arrangement plötzlich hinfällig ist. Frauen, die sich um die inzwischen (fast) erwachsenen Kinder gekümmert und wenig oder gar nicht gearbeitet haben, müssen sich auf einmal selbst finanzieren. Und das kann zum großen Problem werden: mögliche Unterhaltszahlungen sind meist zeitlich begrenzt und der Wiedereinstieg in gut bezahlte Jobs ist nach jahrelanger Pause eine Herausforderung, wenn er denn überhaupt möglich ist. Das heißt, wenn man nicht frühzeitig für die eigene finanzielle Unabhängigkeit gesorgt hat, wird es spätestens im Alter eng.

Laut Angaben des Bundesarbeitsministeriums steuern 38 Prozent der Frauen in Deutschland auf eine Rente von weniger als 1.000 Euro netto zu – und das sogar dann, wenn sie eine Vollzeitstelle hatten oder haben und 40 Jahre lang in die Rentenkasse einzahlen. Auch der Gender-Pay-Gap wächst in der Rente noch einmal massiv, nämlich auf satte 49 Prozent. Alleinstehenden Frauen ist der Weg in die Altersarmut damit fast vorprogrammiert.

In die eigene Zukunft investieren

Und dafür darf – und muss! – man durchaus die bestehenden Strukturen verantwortlich machen, wozu auch die immer noch ausbaufähige Kinderbetreuung und ein noch ausbaufähigeres Mindset bezüglich der Rollenverteilung im Alltag gehören.

Es gibt allerdings, wie immer im Leben, auch eine andere Perspektive. Und da müssen wir Frauen uns an dem einen oder anderen Punkt selbst an die Nase packen. Denn leider spielen wir diesem System auch noch zu oft in die Karten. Die Ende vergangenen Jahres durchgeführte XING Job-Happiness-Studie zeigt, dass 67 Prozent der Frauen in Teilzeit arbeiten, um Familienleben und Beruf zu vereinbaren. Von den Männern in Teilzeit haben 42 Prozent diese Entscheidung getroffen, um privaten Interessen nachzugehen. Ich stelle daher meinen jungen Mitarbeiterinnen häufig die Frage, ob sie sicher sind, dass sie mit nur wenigen Stunden wiederkommen wollen. Ob sie sich bewusst sind, was diese Entscheidung für ihre Finanzen in der Zukunft und ihre Karriere bedeutet? Ob sie das mit ihrem Mann bzw. Partner verhandelt haben? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich rufe nicht zu Beziehungskrisen auf. Und jede Frau sollte für sich das Modell wählen, dass für sie passt – aber in Kenntnis aller Tatsachen, ohne rosarote Brille und den Glauben an Märchenprinzen!

Frauen müssen lauter und smarter werden

Frauen sollten monetäre Erwartungen und Bedürfnisse offen und vor allem selbstbewusster diskutieren. Und das nicht nur mit ihren Arbeitgebern, sondern auch und gerade mit ihren Partnern. Ja, vielleicht fressen die Gebühren für die Kita den Löwenanteil des Gehalts auf, den man mit einem Teilzeitjob verdient. Dafür können Frauen aber dafür sorgen, dass auch sie finanziell abgesichert sind. Oder man wechselt sich ab mit der Eltern- und der Teilzeit, oder beide reduzieren ihre Wochenstunden auf eine Vier-Tage-Woche.

Vor allem aber sollten wir uns bewusst machen, dass wir das Thema aktiv angehen müssen und nicht aussitzen können. Umfragen, wie zuletzt unsere seit 2012 durchgeführte Langzeitstudie zur Wechselbereitschaft der Deutschen, zeigen, dass Männern ihr Gehalt deutlich wichtiger ist als Frauen. Die legen stattdessen mehr Wert auf weiche Faktoren: dazu gehören Zusammenhalt unter Kollegen, Engagement für das psychische Wohlergehen der Beschäftigten, aber auch flexible Arbeitszeiteinteilung sowie Möglichkeiten für die Kinderbetreuung. Geld ist zugebenermaßen nicht alles – aber nur so lange, wie man genug davon hat, um sorgenfrei leben zu können. Deswegen müssen wir an strategisch wichtigen Stellen weg von unserem serienmäßig eingebauten Harmoniebedürfnis. Das heißt nicht nur das Einfordern einer angemessenen finanziellen Wertschätzung für unsere Arbeitsleistung, sondern auch das Umräumen im Kopf.

Darüber hinaus müssen wir als Gesellschaft, aber insbesondere auch als in Deutschland tätige Unternehmen, viel mehr dafür tun, Frauen stärker in eine Arbeitswelt zu integrieren, die ihnen finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht: durch bessere Kinderbetreuungsangebote, flexible Arbeitszeitmodelle für alle, gerechtere und gender-unabhängige Bezahlung. Dass gut ausgebildete und intelligente Frauen, egal welchen Alters, dem kränkelnden Arbeitsmarkt nicht oder nur zum Teil zur Verfügung stehen, können wir uns darüber hinaus schlicht und einfach nicht mehr leisten. Sie gehören zu unseren ungenutzten stillen Reserven – aber darum geht es dann das nächste Mal. Bis dahin freue ich mich über Eure Meinung und Eure Erfahrungen zum Thema Frauen und finanzielle Unabhängigkeit.

In diesem Sinne wünsche ich uns einen Weltfrauentag, der uns Frauen dazu motiviert, unser (finanzielles) Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und unseren Platz im Job und Privatleben selbstbewusst zu verhandeln – es gibt noch viel zu tun!

Petra von Strombeck schreibt über Führungskultur + NEW WORK

Petra von Strombeck leitet als Vorstandsvorsitzende das börsennotierte Unternehmen NEW WORK SE mit 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie liebt es, Teams und Menschen zu entwickeln. Sie berichtet als Insiderin über Ihre Erfahrungen als CEO in einer sich stetig wandelnden Branche.

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