Gendern schädigt die Suchmaschinenoptimieriung
Stellten wir uns vor, alle männlichen Ärzte müssten sich auf ihren Homepages als Ärztinnen bezeichnen, um besser im Netz gefunden zu werden. Oder Google würde bei der Suche nach „Dachdecker“ automatisch die Ergebnisse korrigieren und nur jene Treffer mit „Dachdeckerin“ anzeigen. Auf der Suche nach einem Urologen? Google fragt höflich nach, ob nicht „Urologin“ gemeint sei.
Klingt bizarr? Ist aber andersherum Alltag, wie Malte Landwehr, Head of SEO bei Idealo, Ex-Kollege bei kpunktnull und einer der Top-SEO-Experten im Lande, auf Facebook zeigt. Und weil er IMMER noch kein Blog hat (looking at you, Malte) hat er mir freundlicherweise die Verwendung der Recherche erlaubt.
Schon 2019 hat er sich angeschaut, wie Google mit weiblichen und männlichen Varianten von Berufsbezeichnungen umgeht, schon damals war das Ergebnis nicht schön. Nun aber leben wir in einer Welt, in der mancher gendern möchte – und Google ist das ziemlich exakt egal.
Tatsächlich kann das jeder nachprüfen, in dem er oder sie mal die weibliche Variante einer Berufsbezeichnung googelt. Teilweise wird die Möglichkeit einer weiblichen Option komplett negiert. Wer nach „Unternehmensberaterin“ sucht, bekommt einfach mal Seiten angeboten, auf denen nur die männliche Version auftaucht.
Offensichtlich glaubt Google auch, dass ein -in am Ende bedeutet, dass Suchende an der Repräsentanz jenes Berufes in ihrer Region interessiert sind. Und Gendern? wird praktisch ignoriert.
Weitere Beobachtungen von Malte:
▶️ 96% des Suchvolumens entfallen auf die maskulinen Varianten.
▶️ Für 23% der Berufe entfielen über 99% des Suchvolumens auf die maskuline Schreibweise.
▶️ Nur bei einem der getesteten Berufe ist das Suchvolumen nach der femininen Variante höher als nach der maskulinen – Kosmetikerin.💅
▶️ Für 80% der Berufe lag der Anteil der femininen Variante bei unter 10% des Suchvolumens.
▶️ Suche ich nach „Immobilienmaklerin“, bekomme ich die Meldung „Meintest du Immobilienmakler“.
▶️ Für die Suche nach „Zahnärztin“ zeigt Google eine Bilder-Box auf der ersten Suchergebnisseite. Bei einer Suche nach „Zahnarzt“ kommt Google Maps.📍
▶️ Für Suchen nach „Zahnarzt“, „Anwalt“ und „Immobilienmakler“ verweist Google auf Maps als erste vertikale Suche. Für „Zahnärztin“, „Anwältin“ und „Immobilienmaklerin“ verweist Google als erstes auf Bilder!👀
▶️ Suchen nach femininen Jobtiteln haben eine 19% höhere Wahrscheinlichkeit einer Bilder-Integration auf der ersten Suchergebnisseite – aber eine 59% reduzierte Wahrscheinlichkeit einer Google-Maps-Integration.
Natürlich mögen manche jetzt sagen, dass es ihnen egal ist, welches Geschlecht ihr Klempner hat. Doch gilt das auch für Frauenärztinnen oder Urologen? Und außerdem gibt es ja auch jene, die Frauen fördern möchten und deshalb ganz bewusst gern eine Schreinerin mit dem Innenausbau beauftragen wollen. Und es gibt eben auch Frauen, die sich bei einer Taxifahrerin sicherer fühlen.
Vor allem aber steht am Ausgangspunkt der Gender-Debatte ja eben jene Studien, die besagen, dass Mädchen sich eher vorstellen können, einen bestimmten Beruf zu ergreifen, wenn sie die Verwendung der weiblichen Berufsbezeichnung sehen – wie werden diese Mädchen wohl denken, wenn Google ihnen gleich mal die männliche Bezeichnung als Richtigstellung vorschlägt?
Das bedeutet natürlich für Marken und Unternehmen auch: Sie müssen im Rahmen der Suchmaschinenoptimierung eigentlich Gendern oder weibliche Versionen vermeiden – der männliche Begriff siegt.
Folge: Es entsteht eine Maskulinisierungsschleife, an deren Ende die Verwendung weiblicher Versionen falsch und aus merkantilistischer Sicht ein Fehler ist.
Natürlich ist das Thema sprachabhängig. Im Englischen gibt es meist keine weiblichen Varianten von Berufen. Aber Google behauptet ja, die ganze Welt abzubilden.
Und unter dieser Vorgabe ist das, was Malte da zusammengestellt hat, nur mit einem Begriff beschreibbar: Alltagssexismus.