Gerecht und fair: Mobilität für alle
„Nachhaltige Mobilität hat im bisherigen Autoland Deutschland nur eine Chance, wenn sie als attraktive klima- und sozialverträgliche Fortschrittsvision entwickelt und dann auch mehrheitsfähig wahrgenommen wird“, schreibt das Autorenteam des Buches „Nachhaltige Mobilität für alle“. Prof. Dr. Peter Hennicke ist Senior Advisor am Wuppertal Institut, Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut, Jana Rasch arbeitet hier als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dr. Oscar Reutter beschäftigt sich am Wuppertal Institut mit den Themen nachhaltiger Verkehr, Raumentwicklung und Umweltqualität. Dieter Seifried hat die Energiewende seit 1982 durch richtungsweisende Sachbücher, Studien und Projekte im Energie- und Verkehrsbereich begleitet. Seit über 20 Jahren ist er Geschäftsführer des Büro Ö-quadrat für ökologische und ökonomische Konzepte, mit dem das gemeinsame Buchprojekt entstand.
Alle Autoren sind sich einig, dass der öffentliche Nah- und Fernverkehr, Sharing-Systeme sowie der Rad- und Fußverkehr massiv ausgebaut und gefördert werden müssen. Eine nachhaltige Verkehrswende als gesellschaftliches Großprojekt – mit dichtem Bahnnetz und modernen Mobilitätsdienstleistungen - heißt für sie: „Durchsetzung einer umfassenden Mobilitätswende.“ Sie plädieren für die Verbindung der drei mobilitätsbezogenen Basisstrategien einer Verkehrswende: Vermeidung, Verlagerung, Verbesserung. Erreicht werden kann dies allerdings nur durch eine engagiertere und integrierte Verkehrspolitik von Bund und Europäischer Union, die Maßnahmen auf kommunaler Ebene stützt und eine nachhaltige Mobilität für alle in Stadt und Land befördert.
Das Leitbild Nachhaltige Mobilität für alle bedeutet, dass eine Verkehrswende zwar wesentliche technische Innovationen für mehr Klimaschutz einschließt, doch diese allein noch lange keine Verkehrswende ausmachen. Sie sind lediglich Teil eines fundamentalen gesellschaftlichen Transformationsprozesses. Die Autoren vertreten die These, dass für die anstehende fundamentale Transformation des Verkehrssystems die vielfältigen sozialen Widersprüche heutiger Automobilität herausgearbeitet und rasch begrenzt werden müssen. Dass dies bislang nur als marginales Randproblem der verkehrspolitischen Debatte wahrgenommen wurde, ist für sie ein wesentlicher Grund dafür, warum die Verkehrswende immer wieder ins Stocken geraten ist.
Um die Herausforderungen zu verstehen, die vom Verkehr in Deutschland ausgehen, ist eine grundlegende Transformation in Richtung nachhaltige Mobilität ist notwendig. Es ist deshalb höchste Zeit für eine längst überfällige Verkehrswende, bei der Klimaschutz und Lebensqualität im Fokus stehen. Gefragt sind zukunftsfähige, effiziente, smarte und umweltfreundliche Transportmittel. Allerdings ist es mit innovativen Neuerungen in der Automobilbranche nicht getan. Mobilität bedeutet im 21. Jahrhundert ein vielseitiges Miteinander aus Öffentlichem Verkehr, Individualverkehr im PKW, zu Fuß, auf dem E-Bike oder dem Fahrrad. Vor diesem Hintergrund spielt auch der Radverkehr und die Leitziele des Nationalen Radverkehrsplans 3.0 eine wichtige Rolle im Buch (Deutschland als Fahrrad-Pendlerland, das Fahrrad im Zentrum moderner Mobilitätssysteme, Vision Zero im Radverkehr, urbaner Lastenverkehr als Radverkehr, Fahrradstandort Deutschland etc.).
Bereits 2016 plädierte der Nachhaltigkeitsexperte und Klimabotschafter der Stadt Kassel, Matthias Schäpers - heute Leiter Nachhaltigkeit und wohngesundes Bauen bei der Unternehmensgruppe Krieger + Schramm - fürs „Umsatteln“, denn Räder halten fit, schonen die Umwelt und sind (auf Kurzstrecken) sogar schneller als Autos. Er arbeitete zehn Gründe heraus, warum auch Unternehmen verstärkt aufs Rad setzen sollten:
Hohe Wertschätzung und Motivation der Mitarbeiter
Steigerung der Attraktivität des Unternehmens
Aktiver Beitrag zu den Themen Umweltschutz, Verkehrsverbesserung und Mitarbeitergesundheit
Einsparungen durch geringere Sozialabgaben
Einführung gerechter Bezuschussung alternativer Mobilitätsformen für alle Mitarbeiter
Verringerung des Bedarfs an PKW-Stellplätzen
Geringer Aufwand für Unternehmen, alles läuft über einen Rahmenvertragspartner
Vermittlung eines nachhaltigen und innovativen Firmenimages
Förderung des Themas „E-Mobilität“ in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen
Senkung der Gesamt-Greenhouse-Gas-Bilanz des Unternehmens.
Matthias Schäpers: Darum sollten Unternehmen auf Diensträder umsteigen – ein Plädoyer
Immer mehr Menschen satteln um: Job & Rad
Klimafreundliche Mitarbeitermobilität: Das Dienstrad
Unternehmen in Bewegung: Warum das Firmenfahrrad im Trend liegt
Umweltfreundliche Zukunftsmobilität: Konstruktive Beiträge zur Verkehrswende
Fahr Rad! Wie Verkehrskonzepte der Zukunft in die Gänge kommen
Peter Hennicke, Thorsten Koska, Jana Rasch, Oscar Reutter, Dieter Seifried: Nachhaltige Mobilität für alle. Ein Plädoyer für mehr Verkehrsgerechtigkeit. Oekom Verlag, München 2021.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Mobilität und Logistik: Richtige Wege, die nicht aufs Abstellgleis führen. Amazon Media EU S.à r.l. 2018.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.