Gestatten, Chief Experience Officer: Der neue Chef fürs gute Erlebnis
Vom Chief Happiness Officer haben Sie vielleicht schon gehört. Doch was ist ein CXO? Warum die angesagten Gute-Laune-Manager auf Chief-Officer-Pöstchen oft noch mehr Fehlinvestition als Heilsbringer sind.
Meine Stirn legte sich fragend in Falten, als ich neulich den jungen Mann als Besucher auf meinem XING-Profil entdeckte, der sich als „CXO“ betilte. Wer kennt sie nicht, die vielen Chief-Officer-Posten, die uns aus dem internationalen Konzernumfeld bekannt sind und zunehmend auch beim guten alten deutschen Mittelständler um die Ecke Einzug halten - in alphabetischer Reihenfolge: CDO, CEO, CFO, CIO, CMO, COO, CPO, CSO, CTO - (w/m/d). Doch was in aller Welt ist ein CXO?
Einen Tweet später war ich im Bilde: Der CXO ist der Chief Experience Officer – also so etwas wie der Erlebnisbeauftragte im Management-Board. Andere Twitterer stimmten für den Customer Experience Officer, der sich im Marketing für Kundenerlebnisse stark macht. Ich glaube mal Wikipedia , doch die lustigen Reaktionen auf meinen Tweet waren Sinnbild der Absurdität in der kreativen Schöpfung neuer Funktionen und Titel - neuerdings auch im Top-Management.
Gute-Laune-Manager auf Chief-Officer-Pöstchen
Ich kann mir die Gespräche im Vorstandskreis förmlich vorstellen: „Wir müssen stärker über Emotionen verkaufen, das Produkt selbst schafft es im Wettbewerb nicht mehr.“ - „Wir brauchen eine bessere Candidate Experience, um Bewerber im Fachkräftemangel für uns zu begeistern.“ - „Wir müssen das gute Erlebnis von Lieferanten, Kunden, Mitarbeitern und Bewerbern endlich zur Chefsache erklären.“ Und mal ganz davon abgesehen, ist es in Zeiten von New Work nicht auch echt cool, so einen „Chief Experience Officer“ im Haus zu haben?
Sie bemerken vermutlich bereits, dass ich die Inflation der neuen Gute-Laune-Manager als Chief-Officer Pöstchen als sehr kritisch sehe. Ja, es sind Pöstchen, denn meist sind es heute noch Stabstellen ähnliche Positionen ohne nennenswerten Unterbau im Vergleich zu den klassischen Vorstandsressorts entlang der Wertschöpfungskette, wie etwa Einkauf, Vertrieb, Marketing, IT/Organisation, Personal, Produktion, Forschung & Entwicklung, Technologie, Finanzen. Mit dem CXO wird nun ebenso wie auch mit dem Chief Digital Officer eine zusätzliche Ebene im Querschnitt zu den traditionellen Positionen und somit eine Art Matrixorganisation im Top-Management geschaffen.
Wie bei allen Matrixstrukturen auf Abteilungs- und Teamebene sehe ich auch hier die Gefahr, dass unklar oder gar nicht geregelt ist, wer bei einzelnen Themen den Hut auf hat und in der fachlichen Führungsverantwortung steht. Ist es der CXO, der einem Marketingvorstand ab sofort vorschreiben darf, wie welche Kundenzielgruppe emotional angesprochen werden soll? Ein CXO, der einer Personalvorständin erklärt, wie Stellenausschreibungen zu gestalten sind, um Bewerber zu begeistern? Und ein CXO, der dem altgedient mächtigen Vertriebsvorstand weismacht, dass Vertrieb nicht länger stumpfes Hardselling, sondern die Erfüllung von individuellen Kundenerlebnissen sein muss?
Nein, diesen Einfluss eines CXO auf einsamem Vorstandsposten kann ich mir heute beim besten Willen zumindest in all jenen Organisationen nicht vorstellen, die mit klassischer Ressort-Silo-Denke gewachsen sind. Wo traditionell Marketing und Vertrieb über ihren Anteil am Erfolg und über Kosten zanken, die IT niemals schnell genug und am Ende alles Schuld ist und HR als neudeutsch „Business-Partner“ erst gar nicht ernst genommen wird. Dort, wo Machtspiele und politisches Taktieren zwar nicht offiziell auf der Vorstandsagenda, doch permanent im Raum stehen. Und weil es in vielen der obersten Konzernetagen im Land heute noch so oder so ähnlich zugeht, soll es nun der CXO fürs allseits gute Erlebnisgefühl richten? Meine Meinung: Keine Chance!
Happiness, Feelgood und Experience sind nicht die Ergebnisse von Investitionen, sondern die Auswirkungen organisationsweiter Arbeit an Haltung und Verhalten.
Die Idee ist super, doch die Umsetzung typisch für gestrige Managerdenke getreu dem Motto „Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis“. Das 5-Jahres-Budget wird beschlossen, eine schicke Position ausgeschrieben und für diese Verantwortung mit trendig jugendlichen Persönlichkeiten digital native besetzt. So zumindest mein wenn auch zugegeben oberflächlicher Eindruck, wenn ich mir die rund 100 „CXO“ ansehe, die mir die XING-Suche auswirft.
Was mich an der Position eines CXO wie auch an den anderen Gute-Laune-Managern zweifeln lässt ist, ob sich ausgerechnet Experience, Happiness oder Feelgood als ein die gesamte Wertschöpfungskette eines Wirtschaftsunternehmens betreffender Erfolgsfaktor als Einzelaspekt aus der Verantwortung der Fachbereiche herauslösen lässt. Im Kontakt mit Unternehmen und Führungskräften erlebe ich häufig, dass in solchen Organisationen mit heute noch eher starren Strukturen und klar definierten Zuständigkeiten so noch viel stärker Ineffizienzen, Grabenkämpfe und Silodenken entstehen, als dass ein echtes Umdenken einsetzt.
Dennoch möchte ich diese Ansätze nicht verteufeln. Ich bin für alles zu begeistern, was frisches Denken in Organisationen bringt. Doch nur und gerade weil Emotionen über Jahrzehnte in vielen Unternehmen zur Tabuzone erklärt worden sind, kann die Lösung nicht darin bestehen, nur in aktuell angesagte zusätzliche Posten zu investieren, den populären New Work-Scheinwerfer darauf zu richten und die alte Führungsmannschaft in diesen Themen aus der Verantwortung zu entlassen. Allein die Installation eines dieser Guter-Laune-Manager in einem Organigramm und dessen wohlwollendem Beisitz in Management-Meetings wird weder Aha-Erlebnisse bei Kunden noch glückliche Mitarbeiter produzieren. Es zählt vielmehr das Bewusstsein und die Akzeptanz in den Köpfen aller Manager und auch Mitarbeiter, dass das, was sich hinter "Experience“ im Außen und „Feelgood“ im Innen verbirgt, zu einem wichtigen, wenn nicht sogar bereits heute zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden ist.
Ich bin der Meinung, dass immer noch ein CEO, Geschäftsführer oder Inhaber mit seinem gesamten Management-Team in der Verantwortung stehen - und ausreichen, um neues Denken mit einer zeitgemäßen Haltung als Kultur im Unternehmen zu fördern. Ja, Experience-, Feelgood- oder Happiness-Manager können den Wandel in einer Rolle als Experte und interner Managementberater befeuern und begleiten, doch nur ein organisationsweites Commitment zur bewussten Arbeit an individueller Haltung und in der Folge verändertem persönlichen Verhalten können aus meiner Sicht einen echten Kulturwandel und nachhaltigen nächsten Entwicklungsschritt für eine Organisation ermöglichen.
Was ist Ihre Meinung? Benötigen Unternehmen Positionen, wie etwa Feelgood-Manager oder Chief Experience Officer - und wenn ja, in welcher Rolle sollten sie in eine Organisation integriert sein, um echten Wandel zu bewirken? Ich bin gespannt auf Ihre Sichtweisen oder Erfahrungen.
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