Häcker Küchen

Groß im Kommen: Karriere in Kleinstädten

Die Bundesstiftung Baukunst fragte 2015 die Deutschen, wo sie am liebsten wohnen würden – fast 80 Prozent gaben an, dass sie auf dem Land oder in einer Mittel- oder Kleinstadt leben möchten. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft jedoch eine enorme Lücke, denn die meisten bleiben wegen ihrer Jobs in Großstädten, wo sich zudem Stellen leichter besetzen lassen. Dabei kommen viele Produkte von Weltmarktführern aus der deutschen Provinz: Fruchtgummis aus dem Saarland, Strickmaschinen aus Reutlingen, Kristallgläser aus Zwiesel, Küchen aus Rödinghausen – alle erobern Schritt für Schritt die Weltmärkte. Da sie es allerdings bodenständig und leise tun, wissen vor allem viele junge Menschen nicht um die enormen Möglichkeiten der deutschen Provinz.

Zu sich selbst kommen kann ein Mensch nur in überschaubaren Strukturen, so wie es auch der Philosoph Jean-Jacques Rousseau für die kleine Stadt beschrieben hat. Hier „findet man mehr originale Geister, mehr sinnreiche Erfindungskraft, mehr wahrhaft neue Dinge, denn bei der kleinen Anzahl von Vorbildern ahmt man weniger nach, jeder nimmt viel mehr aus sich selbst und legt mehr von sich selbst in alles, was er tut".

Es sind also nicht die oft künstlich hochgezogenen Kreativlabs in den Städten, die Innovationen hervorbringen, sondern das Abgelegene und tief Verwurzelte. Wolf Lotter verweist in seinem brand eins-Beitrag "Draußen vor der Tür" darauf, dass die unternehmerische Provinz eine "weit stabilere und zuverlässigere Volkswirtschaft" bietet als eine "die aus einer Handvoll Konzerne plus mehreren Häuserblocks mit Start-ups besteht" - sein einleitendes Motto (1964) ist vom Vordenker der ökologischen Bewegung, Carl Amery: "Der Provinzler ist, aufs Ganze gesehen, politisch und sozial leistungsfähiger als der Großstädter."

Unternehmen in der Provinz können häufig auf eine lange Firmenhistorie und Gründer verweisen, die buchstäblich Geschichte geschrieben haben. Ein Blick in die Unternehmenshistorie gibt zugleich auch einen guten Eindruck der Unternehmenskultur, deren Kernelement werteorientiertes Management ist. Eine Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung basiert und Werte vermittelt, steigert die Leistung und legt das Fundament für nachhaltigen Erfolg, da sie die Loyalität hochqualifizierter Arbeitskräfte und langjähriger Kunden gegenüber dem Unternehmen festigt und diese somit an das Unternehmen bindet.

Die persönliche Verantwortung der Inhaber, aber auch langfristig angelegte Strategien sowie Beharrlichkeit sind notwendige Voraussetzung dafür, dass diese Unternehmen über Generationen fortgeführt werden können. Das inhabergeführte Familienunternehmen Häcker Küchen besteht seit 1898 und produziert seit 1965 moderne Einbauküchen am Standort Rödinghausen. Die kreisangehörige Gemeinde im Nordosten von NRW liegt rund 30 km nördlich von Bielefeld. Mit etwa 10.000 Einwohnern ist es die kleinste Gemeinde im ostwestfälischen Kreis Herford. Derzeit werden von Rödinghausen aus über 60 Länder auf allen Kontinenten mit Küchen „Made in Germany“ beliefert. Die Produktion der Küchen erfolgt ausschließlich an diesem Standort. Die Werte des Unternehmens, das sich auch in krisenanfälligen Zeiten als tragfähig erweist, sind durch Nachhaltigkeit und Familientradition geprägt, welches heute von Jochen Finkemeier und seinem Team in die Zukunft geführt wird.

Die Produktionskapazitäten werden ständig erweitert. Ein neues Werk wird in Venne/Ostercappeln, Landkreis Osnabrück, errichtet, wo eine der modernsten Küchenfertigungsstätten Europas entsteht. Es ist die größte Investition der Unternehmensgeschichte. 2020 soll das Werk in Betrieb gehen. Bereits bei Inbetriebnahme werden 500 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Unternehmen wird dann mehr als 2.000 Menschen beschäftigen. Der neue Standort sichert auch eine perfekte Integration bestehender Zulieferstrukturen und schafft gleichzeitig die notwendigen logistischen Voraussetzungen wie Lagerkapazitäten und Materialfluss, um zukünftiges Wachstum auch von der Versorgungsseite her sicherstellen zu können. Markus Sander, Geschäftsführer bei Häcker Küchen, betont allerdings in der aktuellen Ausgabe des Magazins WORK, dass das Recruiting eine „große Herausforderung“ ist. Gerade hatte er einen Bewerber vom Bodensee, der sich noch schwertut, in die Region zu kommen. Doch wenn die Menschen einmal vor Ort waren, dann sind sie begeistert und freuen sich auf die Zusammenarbeit.

Wohnen und arbeiten in der Provinz stärkt nicht nur regionale Wirtschaftskreisläufe, sondern in Zeiten wachsender Unsicherheiten auch das Gefühl, über verschiedenste Optionen verfügen zu können, um die Gemeinschaft zu stärken, in der sich Menschen für ihre Nachbarn und ihre Umwelt verantwortlich fühlen. Wo dies besonders ausgeprägt ist, sind Menschen auch eher in der Lage, Krisen zu bewältigen.

Weiterführende Informationen:

2018 war ein besonderes Jahr. Interview mit Markus Sander. In: WORK kitchen. stories Nr. 16, S. 8-11.

Wolf Lotter: Deaußen vor der Tür. In: brand eins 5 (2019), S. 26-31.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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