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Gute Unternehmensstrategien: Welche Rolle spielt die Gemeinwohlökonomie?

Nachhaltigkeit ist und bleibt ein komplexes Thema. In der Wirtschaft bedeutet es, dass das System nicht mehr Ressourcen verbraucht, als es auch erneuern kann, dass es die Interessen künftiger Generationen miteinschließt und an langfristigen Perspektiven für ein gutes und gelingendes Leben orientiert ist.

Ausgangspunkt für die Debatte um Nachhaltigkeit war die historische Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992, wo ein gemeinsames Entwicklungsleitbild (Sustainable Development) formuliert wurde, um der Erkenntnis gerecht zu werden, dass eine langfristige und dauerhafte Verbesserung der Lebensverhältnisse für eine rasant wachsende Weltbevölkerung nur möglich ist, wenn sie die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen miteinschließt. Ein Nachhaltigkeitsmanagement, das nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch und sozial ausgerichtet ist, schreckt allerdings noch immer einige Unternehmen und Organisationen ab – sei es weil der thematische Zugang zu kompliziert erscheint oder weil im Tagesgeschäft keine Zeit dafür bleibt. Doch der Einstieg muss nicht schwer sein.

Doch warum sollten sie sich damit beschäftigen? Um unsere Lebens- und Unternehmensbilanzen ins Gleichgewicht zu bringen, braucht es nicht nur ökonomisches Wissen und Fachkompetenzen, sondern auch Achtsamkeit, persönliches Engagement, einen sorgsamen Umgang mit der Natur und die richtigen Strategien. Häufig begegnet die weit verbreitete Meinung, dass sich Strategien heute überlebt haben, weil nichts mehr planbar ist in einer sich ständig verändernden Welt. Doch gerade weil der permanente Krisenmodus das neue Normal zu sein scheint, ist die Rückbesinnung auf das Wesen der Strategie umso wichtiger.

Seine ursprüngliche Bedeutung geht auf das griechische Wort „strategós“ („Heerführer“) zurück. Der preußischer Generalfeldmarschall Helmut von Moltke (1800-1891) bezeichnete Strategie als die „Kunst des Handelns unter dem Druck der schwierigen Bedingungen“. Die Herausforderung der Gegenwart besteht darin, zeitgemäße Strategien mit den richtigen Strukturen, Prozessen und Werkzeugen in gute Führung umzusetzen. Diese sollten mit weniger Bürokratie und Technokratie verbunden sein, näher an Inhalten und näher an der Zukunft. Sie sollten flexibel sein, aber gleichzeitig robust genug, um über Mode- und Konjunkturwellen hinweg Richtung und Orientierung zu geben.

Allerdings müssen Strategien auch interdisziplinärer werden und auf Unvorhergesehenes reagieren können. „Planung, Entscheidung und Umsetzung müssen heute überlappend gedacht werden, anders als früher haben wir heute nicht mehr die Zeit, Strategien in Ruhe zu entwickeln“, schreiben Burkard Schwenker und Barbara Dauner Lieb in ihrem Buch „Gute Strategie“. Zu den Anforderungen an moderne Strategieentwicklung gehören für sie: der Entwurf von Zukunftsbildern, die Entwicklung von Handlungsalternativen, Bewertung von Alternativen, Identifikation von „Tipping points“ (die ständig überwacht werden müssen, damit genügend Flexibilität in die Strategie kommt), objektive Beurteilung von Fähigkeiten, Wandlungsfähigkeit, der Mut, Position zu beziehen und sie durchzuhalten, die Fähigkeit der Ressourcenbündelung, unternehmerische Intuition, Selbstreflexion, ein tiefes Geschäfts- und Technologieverständnis sowie vernetztes, offenes, kritisches und mutiges Denken.

Auch wenn es kein Patenrezept für die gleichzeitige Lösung aller aktuellen Herausforderungen und Probleme gibt, so sind vor allem immer mehr regionale Ansätze erkennbar, die uns als Gesellschaft auf den richtigen Kurs bringen können. Beim Konzept der Gemeinwohl Ökonomie (GWÖ) ist das unternehmerische Handeln stärker am gesellschaftlichen Nutzen als am finanziellen Gewinn ausgerichtet. Leider kennen die meisten Unternehmen das Konzept kaum oder gar nicht. Doch wer sich dafür entschieden hat, macht überwiegend positive Erfahrungen damit. Die Gemeinwohlökonomie (GWÖ) entstand 2010 auf Basis des gleichnamigen Buches von Christian Felber, der das Konzept entwickelte und einer der bekanntesten Vertreter der alternativen Wirtschaftsszene ist. Er wollte keine wissenschaftliche Theorie vorlegen, sondern eine konkrete Alternative, die auch Menschen ohne (abgeschlossenes) Studium verstehen, praktisch anwenden und weiterentwickeln können. Die GWÖ schlägt nur dort Reformen vor, wo Verbesserungspotenzial erkannt wird (Klimakrise, Ungleichheit, Steueroasen, „too big too fail“, Hochfrequenzhandel oder Klagerechte für Konzerne (ISDS). Hingegen soll das, was sich bewährt hat – Menschenrechte, Demokratie, Gleichstellung, Unternehmensfreiheit –, bewahrt und weiterentwickelt werden.

Auch wenn Unternehmen verschiedene Wege und Orientierungsrahmen im Nachhaltigkeitsmanagement zur Verfügung stehen wie EMAS Plus, UNGC, OECD-Leitsätze, Deutscher Nachhaltigkeitskodex, ISO 26000 und Global Reporting Initiative (GRI), so überfordern viele Standards gerade kleine Organisationen: Die Auditierungs- und Lizenzierungskosten sind hoch, und der Schwerpunkt dieser Standards liegt vor allem auf einer Berichterstattung als auf einer gezielten nachhaltigen Entwicklung. Hinzu kommt, dass die GRI ein Instrument für (globale) Großunternehmen ist. Der DNK wird vom Rat für nachhaltige Entwicklung beworben, in dem auch der BDI vertreten ist. Die GWÖ wurde von Kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) initiiert und wächst als zivilgesellschaftliche Initiative von unten. Sie kommt gerade erst an der Ebene der Regierungen und Parlamente an. Die GWÖ-Bilanz wird im ersten Schritt als Selbsteinschätzung in Form eines ausführlichen GWÖ-Berichts erstellt. Anschließend prüft und bewertet ein externer GWÖ-Auditor die Angaben. Die Resultate werden im Audit-Bericht veröffentlicht. Das dazugehörige Testat gibt die Bilanzsumme (die erreichte Gesamtpunktzahl) bekannt. Daran lässt sich der Beitrag, den das Unternehmen für das Gemeinwohl leistet, messen und vergleichen.Es werden Werte wie Transparenz, soziale Verantwortung, ökologisch nachhaltiges Wirtschaften und gesamtgesellschaftliche Solidarität gemessen und Punkte auf einer Skala von -2.850 bis +1.000 vergeben.

Sie verbindet Werte wie ökologische Verantwortung, Gerechtigkeit, Transparenz und Mitbestimmung mit den Berührungsgruppen eines Unternehmens oder einer Organisation, das mit Hilfe der „Matrix“ dokumentiert, wie es humanistische Werte gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden, Investoren und der Gesellschaft lebt. Ergänzt wird die Analysematrix von einem dazugehörigen Handbuch, das Anregungen und Best-Practice-Beispiele enthält. Beide sind kostenlos erhältlich. Das Punktesystem ermöglicht die Einordnung des eigenen Engagements und damit die Grundlage für eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie. Je höher die Punktezahl, umso mehr Vorteile können dem Unternehmen gewährt werden: günstigerer Mehrwertsteuersatz, niedrigerer Zoll-Tarif, günstigerer Kredit bei der „Gemeinwohl-Bank“ oder Vorrang im öffentlichen Einkauf.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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